Entgeltfortzahlung bei unverschuldetem Alkoholrückfall

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Alkoholabhängige Arbeitnehmer

Alkoholabhängigkeit ist in Deutschland ein großes Problem. Nicht nur im privaten Bereich, sondern auch im beruflichen Alltag. Nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtgefahren sind rund 2,1 Millionen Beschäftigte alkoholabhängig. Das sind fünf Prozent aller Arbeitnehmer. Für Unternehmen sind die Folgekosten alkoholkranker Mitarbeiter ernorm, die durch Produktionsausfälle wegen verminderter Leistungsfähigkeit und häufige Krankheit der Beschäftigten sowie durch Alkohol verursachte Arbeitsunfälle verursacht werden. Da wundert es nicht, wenn Arbeitgeber auf alkoholbedingte Ausfälle ihrer Mitarbeiter ungehalten und wie im folgenden Fall gelegentlich auch unter Verstoß gegen arbeitsrechtliche Normen reagieren:

Streit über Lohnfortzahlung bei 4,9 Promille im Blut

Streit über Lohnfortzahlung bei 4,9 Promille im Blut/ Bild: Unsplash.com/ Nico Bhlr

Ein Mitarbeiter eines Unternehmens war seit Jahren alkoholabhängig. Er hatte bereits zwei Entzüge hinter sich. Nun wurde er erneut rückfällig und deswegen Ende November 2011 mit einer schweren Alkoholvergiftung mit 4,9 Promille im Blut ins Krankenhaus eingeliefert. Sein Zustand war zunächst lebensbedrohlich und führte dazu, dass er über zehn Monate arbeitsunfähig krank war. Die Arbeitgeberin weigerte sich, dem rückfällig gewordenen Mitarbeiter für die verbleibenden 32 Tage bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Lohn in Höhe von 1.303,36 Euro zu zahlen. Stattdessen sprang die gesetzliche Krankenkasse des Beschäftigten ein und leistete Krankengeld in eben dieser Höhe. Für diesen Betrag machte die Krankenkasse als Klägerin Ansprüche auf Entgeltfortzahlung aus übergegangenem Recht gem. § 115 SGB X gegenüber der Arbeitgeberin geltend, weil sie der Auffassung war, dass der alkoholkranke Mitarbeiter einen Entgeltfortzahlungsanspruch gegen das Unternehmen habe, da er seinen Rückfall nicht verschuldet habe. Die beklagte Arbeitgeberin ging dagegen von einem Verschulden des Mitarbeiters aus. Sowohl die ersten beiden Instanzen als auch das Bundesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18.03.2015 (AZ: 10 AZR 99/14) stellt fest, dass ein alkoholabhängiger Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) auch im Falle eines Rückfalls nach einer Therapie regelmäßig nicht verschuldet hat. Ebenso wie die Alkoholsucht sei auch ein Rückfall multikausal. Im vorliegenden Fall habe das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten ein Verschulden des Arbeitnehmers wegen des bei ihm aufgrund der langjährigen und chronischen Abhängigkeit herrschenden Suchtdrucks ausgeschlossen. Das bedeutet, das beklagte Unternehmen muss der Krankenkasse das an den Mitarbeiter gezahlte Krankengeld erstatten, da der Betrieb als Arbeitgeberin von vornherein zur Entgeltfortzahlung an den Mitarbeiter verpflichtet war.

Sachverständigengutachten zur Frage des Verschuldens

Sachverständigengutachten zur Frage des Verschuldens/ Bild: Unsplash.com

Dieses neueste Urteil des Bundesarbeitsgerichts darf nicht vorschnell zur der Annahme führen, dass sämtliche Alkoholrückfälle von Mitarbeitern schuldlos geschehen und der Arbeitgeber stets zur Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen bei Arbeitsunfähigkeit verpflichtet ist. Dies sagt das Urteil gerade nicht. Es stellt vielmehr fest, dass es zwar grundsätzlich an einem Verschulden fehlt, dass dieses aber im Falle eines Rückfalls auch nicht generell ausgeschlossen werden kann. Für den Arbeitgeber bedeutet dies, dass er das fehlende Verschulden bestreiten kann, was die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur Folge hat. Kommt das Gutachten dann allerdings zu dem Ergebnis, dass der Rückfall unverschuldet ist oder lässt sich das schuldhafte Herbeiführen der Arbeitsunfähigkeit nicht eindeutig feststellen, muss der Arbeitgeber Lohnfortzahlung leisten.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18.03.2015 – AZ: 10 AZR 99/14

Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 16.01.2014 – AZ: 13 Sa 516/13


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