Sprungrevision – Ein besonderes Rechtsmittel im Arbeitsrecht: Alles was Sie wissen müssen.

Sprungrevision (§ 76 Abs. 2 ArbGG) bezeichnet die Möglichkeit, ein Urteil des Arbeitsgerichts ausnahmsweise direkt beim Bundesarbeitsgericht (BAG) anzugreifen – unter Überspringen der zweiten Instanz (Landesarbeitsgericht). Voraussetzung ist u. a. die schriftliche Einwilligung der Gegenseite. Im Kündigungsschutzprozess spielt die Sprungrevision nur in Ausnahmefällen eine Rolle.

Was ist eine Sprungrevision?

Die Sprungrevision ist ein außergewöhnliches Rechtsmittel im deutschen Arbeitsrecht. Sie erlaubt es, ein Urteil des Arbeitsgerichts direkt beim Bundesarbeitsgericht (BAG) anzufechten – ohne vorherige Berufung zum Landesarbeitsgericht. Das Verfahren erfordert die schriftliche Zustimmung beider Parteien und ist nur bei Streitigkeiten mit grundsätzlicher Bedeutung zulässig (§ 76 Abs. 2 ArbGG).


Einleitung: Was bedeutet Sprungrevision im Arbeitsrecht?

Normalerweise läuft ein arbeitsrechtlicher Prozess über drei Instanzen: Arbeitsgericht → Landesarbeitsgericht → Bundesarbeitsgericht. Doch es gibt eine Ausnahme: die Sprungrevision.

Sie ermöglicht es, ein erstinstanzliches Urteil direkt dem Bundesarbeitsgericht zur Überprüfung vorzulegen. Voraussetzung ist, dass beide Parteien zustimmen und der Rechtsstreit eine grundsätzliche Bedeutung hat. Die Sprungrevision bietet sich vor allem an, wenn es um wichtige Fragen zur Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) oder um die Auslegung tariflicher Bestimmungen geht.


Voraussetzungen der Sprungrevision (§ 76 ArbGG)

Die Sprungrevision ist nur möglich, wenn:

  • Ein erstinstanzliches Urteil des Arbeitsgerichts vorliegt.
  • Beide Parteien schriftlich zustimmen.
  • Das Arbeitsgericht die Sprungrevision ausdrücklich zulässt.
  • Der Fall eine grundsätzliche Bedeutung hat.

Zustimmung beider Parteien

Die Sprungrevision ist nur zulässig, wenn beide Prozessparteien schriftlich zustimmen. Eine stillschweigende oder konkludente Zustimmung reicht nicht aus. Die Einwilligung muss sich ausdrücklich auf die Einlegung der Sprungrevision beziehen und dem Gericht fristgerecht im Original vorliegen.


Grundsätzliche Bedeutung der Streitfrage

Zentrale Voraussetzung ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Das bedeutet: Die zu klärende Frage muss über den Einzelfall hinaus rechtliche Relevanz für eine Vielzahl von Fällen oder für das Arbeitsrecht als Ganzeshaben.

Zulässig ist die Sprungrevision insbesondere bei:

  • Tarifstreitigkeiten
  • Kollektiven Arbeitskampffragen
  • Streitigkeiten über die Koalitionsfreiheit
  • Tarifauslegung mit überregionaler Bedeutung

Antrag und gerichtliche Zulassung

Die unterlegene Partei muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Arbeitsgericht beantragen, die Sprungrevision zuzulassen. Alternativ kann das Gericht die Sprungrevision bereits im Urteil zulassen. In beiden Fällen gilt: Ohne Zulassung ist das Verfahren unzulässig.


Ablauf einer Sprungrevision – Schritt für Schritt

  1. Urteil des Arbeitsgerichts
    Der Fall wird in erster Instanz entschieden.
  2. Zustimmung beider Parteien
    Beide Seiten erklären schriftlich ihre Zustimmung zur Sprungrevision.
  3. Antrag auf Zulassung
    Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils stellt die unterlegene Partei den Antrag auf Zulassung.
  4. Gerichtliche Entscheidung
    Das Arbeitsgericht entscheidet per Beschluss oder bereits im Urteil über die Zulassung.
  5. Revisionseinlegung beim BAG
    Innerhalb eines Monats nach Zustellung der Zulassungsentscheidung muss die Revision beim BAG eingelegt werden – durch einen zugelassenen Rechtsanwalt oder Verbandsjuristen.
  6. Begründung der Revision
    Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils muss die Revision schriftlich begründet werden (§ 551 Abs. 2 ZPO analog).
  7. Entscheidung durch das Bundesarbeitsgericht
    Das BAG entscheidet allein auf Grundlage der Rechtsfragen – ohne neue Tatsachenprüfung.

Formvorgaben und Fristen

  • Anwaltszwang vor dem BAG (§ 11 Abs. 4 ArbGG)
  • Einreichung der Zustimmung im Original
  • Keine neuen Beweise oder Tatsachen zulässig
  • Keine Rüge von Verfahrensfehlern möglich (§ 76 Abs. 4 ArbGG)

Vorteile und Risiken der Sprungrevision

Vorteile

  • Zeitersparnis durch Wegfall der Berufung
  • Frühzeitige Grundsatzentscheidung des BAG
  • Möglichkeit, Unsicherheiten in der Rechtsprechung schnell zu klären

Risiken

  • Kein zweite Tatsacheninstanz: Der Sachverhalt kann nicht mehr korrigiert werden
  • Hohes Kostenrisiko: Ab 2. Instanz trägt die unterliegende Partei die Kosten beider Seiten
  • Erhöhte formale Anforderungen
  • Gefahr der Zurückverweisung an das LAG

Bundesarbeitsgericht

Sprungrevision bei Kündigungsschutzverfahren

Wann kann sie sinnvoll sein?

Die Sprungrevision ist nicht das Standardverfahren bei Kündigungsschutzklagen. Sie kann aber sinnvoll sein, wenn:

  • Eine tarifrechtlich relevante Kündigung betroffen ist
  • Der Streit eine bundesweit ungeklärte Rechtsfrage zur Anwendung des KSchG aufwirft
  • Beide Parteien ein hohes Interesse an schneller Klarheit haben

Beispielhafte Konstellationen:

Beispiel 1: Tarifliche Kündigungsschutzregelung

Ein Unternehmen kündigt mehreren Beschäftigten unter Berufung auf eine tarifliche Altersgrenze. Es herrscht Unklarheit, ob die Tarifregelung wirksam ist. Beide Seiten stimmen einer Sprungrevision zu, um die Frage höchstrichterlich zu klären.

Beispiel 2: Verhaltensbedingte Kündigung

Ein Mitarbeiter wird wegen eines Pflichtverstoßes abgemahnt und später gekündigt. Der Rechtsstreit betrifft primär die Bewertung der Tatsachen. Eine Sprungrevision wäre unzulässig – keine grundsätzliche Bedeutung.


FAQ: Häufig gestellte Fragen zur Sprungrevision

1. Ist eine Sprungrevision bei jeder Kündigung möglich?

Nein. Nur wenn der Fall grundsätzliche Bedeutung hat (z. B. tarifrechtlich) und beide Seiten zustimmen, kann eine Sprungrevision erfolgen.


2. Kann ich als Arbeitnehmer die Sprungrevision verhindern?

Ja. Wenn Sie der Sprungrevision nicht zustimmen, ist sie ausgeschlossen. Sie können auf dem normalen Instanzenweg bestehen.


3. Wie lange dauert ein Sprungrevisionsverfahren?

Etwa 6–12 Monate, abhängig von der Auslastung des BAG. Wird der Fall zurückverwiesen, kann sich das Verfahren deutlich verlängern.


4. Welche Kosten entstehen durch eine Sprungrevision?

Ab der zweiten Instanz trägt die unterliegende Partei die Kosten beider Seiten. Die Sprungrevision spart zwar eine Instanz, erhöht aber das Risiko bei Niederlage.


5. Was passiert, wenn das BAG die Sprungrevision ablehnt?

Dann wird das Urteil des Arbeitsgerichts rechtskräftig. Eine Berufung ist in diesem Fall nicht mehr möglich, sofern die Frist verstrichen ist.


Sprungrevision – Im Detail

Im Arbeitsrecht gibt es üblicherweise einen Instanzenzug über drei Stufen: Nach dem erstinstanzlichen Arbeitsgericht kann die unterlegene Partei Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) einlegen und anschließend – nur bei Zulassung – Revision beim Bundesarbeitsgericht (BAG). Die Sprungrevision bietet hier eine Besonderheit: Unter bestimmten Voraussetzungen lässt sich die zweite Instanz überspringen und direkt die höchstrichterliche Entscheidung des BAG herbeiführen.

Für Arbeitnehmer:innen und Betriebsräte, die in einem Kündigungsschutzverfahren stehen, klingt dies zunächst attraktiv – schließlich könnte man so schneller Rechtssicherheit erlangen. Doch die Sprungrevision ist streng reglementiert und bleibt die absolute Ausnahme. Beide Parteien müssen dem Vorgehen zustimmen, und der Fall muss grundsätzliche Bedeutung haben. In der Einführung zu diesem Thema zeigen wir, was eine Sprungrevision genau ist, welchen Zweck sie erfüllt und warum sie gerade im Kündigungsschutz nur selten zum Einsatz kommt. Im Hauptteil erklären wir ausführlich die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 76 Arbeitsgerichtsgesetz), den Verfahrensablauf sowie Formvorgaben (analog §§ 551 ff. ZPO). Wir beleuchten strategische Überlegungen, prozessuale Risiken und Vorteile und geben Einblicke in die Rechtsprechung des BAG. Anhand praktischer Beispiele (betriebsbedingte, personenbedingte und verhaltensbedingte Kündigungen) verdeutlichen wir, wann eine Sprungrevision im Kündigungsfall in Betracht kommt – und wann nicht. Zum Abschluss beantworten wir häufige Fragen (FAQ) rund um die Sprungrevision, bevor wir Sie herzlich einladen, bei weiterem Beratungsbedarf Kontakt mit uns aufzunehmen.

Voraussetzungen der Sprungrevision nach § 76 ArbGG

Kurzfassung: Ohne Zustimmung der Gegenseite keine Sprungrevision. Das Arbeitsgericht darf eine Sprungrevision nur zulassen, wenn der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung hat – typischerweise in Tarif- oder Kollektivfragen. Gesetzlich ist dies in § 76 ArbGG geregelt. Die unterlegene Partei muss einen Antrag stellen und die Einwilligung des Gegners vorlegen. Normale Kündigungsschutzfälle erfüllen diese Voraussetzungen meist nicht, da sie selten über den Einzelfall hinausweisen.

Einwilligung beider Parteien – der Gegner muss zustimmen

Die wohl größte Hürde der Sprungrevision ist die erforderliche beiderseitige Einwilligung. Konkret bedeutet das: Sowohl die klagende als auch die beklagte Partei müssen mit dem Überspringen der Berufungsinstanz einverstanden sein. Die Zustimmung des Prozessgegners muss ausdrücklich und schriftlich erfolgen und eindeutig erkennen lassen, dass sie sich auf die Einlegung der Sprungrevision bezieht (nicht nur auf deren Zulassung). Praktisch reicht es nicht, wenn der Gegner nur „keinen Einspruch“ hat – er muss aktiv zustimmen. Diese Erklärung ist dem Gericht vorzulegen, im Original und unterschrieben.

Warum dieses Erfordernis? Die Sprungrevision nimmt der unterlegenen Partei die reguläre Überprüfung durch das Landesarbeitsgericht. Um diesen Einschnitt in den Instanzenzug fair zu gestalten, darf der Gegner nicht übergangen werden. Ohne Zustimmung der Gegenseite ist eine Sprungrevision unzulässig. In der Praxis ist dies ein häufiges Ausschlusskriterium, denn die obsiegende Partei hat selten ein Interesse, dem Verfahrenssprung zuzustimmen (mehr dazu im Abschnitt Strategische Überlegungen).

Beispiel: Ein Arbeitnehmer gewinnt vor dem Arbeitsgericht seine Kündigungsschutzklage. Der Arbeitgeber möchte direkt zum BAG „springen“, um eine Grundsatzfrage zu klären. Der Arbeitnehmer kann dies verhindern, indem er die Zustimmung verweigert – dann bleibt nur die normale Berufung.

Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache – nur bei wichtigen Fragen

Neben der beiderseitigen Einwilligung verlangt das Gesetz, dass der Fall „grundsätzliche Bedeutung“ hat. Das heißt, es muss eine rechtsgrundsätzliche Frage aufgeworfen sein, die über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist – etwa weil sie die Rechtsordnung allgemein oder eine Vielzahl von Fällen betrifft. § 76 Abs. 2 ArbGG enthält dazu eine Liste privilegierter Fallgruppen, in denen eine Sprungrevision zugelassen werden kann:

  • Tarifstreitigkeiten: z. B. zwischen Tarifvertragsparteien (Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden) über Bestand oder Auslegung eines Tarifvertrags. Solche Fälle berühren kollektive Interessen und haben meist grundsätzliche Bedeutung.
  • Tarifauslegung mit überregionaler Wirkung: Streit über die Auslegung eines Tarifvertrags, der in mehr als einem Bundesland gilt. Hier besteht das Interesse, eine einheitliche höchstrichterliche Linie zu schaffen.
  • Arbeitskampf und Koalitionsfreiheit: Streitigkeiten im Kontext von Arbeitskämpfen (Streiks, Aussperrungen) oder zur Gewerkschaftsfreiheit. Beispielsweise Fragen zur Zulässigkeit bestimmter Streikmaßnahmen oder Maßnahmen gegen Gewerkschaftsmitglieder fallen darunter.

Außerhalb dieser Sonderkonstellationen wird eine Sprungrevision nicht zugelassen. Normale Kündigungsschutzklagen – etwa individualrechtliche Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ohne Bezug zu Tarifverträgen oder Grundrechten – erfüllen das Kriterium der grundsätzlichen Bedeutung in der Regel nicht. Selbst wenn im Kündigungsfall eine neue Rechtsfrage auftaucht (z. B. zur Auslegung des Kündigungsschutzgesetzes), muss sie zugleich in eine der obigen Kategorien fallen, damit § 76 ArbGG greift.

Wichtig: Das Bundesarbeitsgericht prüft von Amts wegen, ob die Sprungrevision gesetzlich zulässig war. Handelt es sich nicht um einen Streit nach § 76 Abs. 2 Nr. 1–3 ArbGG (also keiner der genannten Falltypen), ist das BAG nicht an die Zulassung gebunden und kann die Revision als unzulässig verwerfen. Für die Parteien bedeutet das: Wurde die Sprungrevision irrtümlich in einem nicht-privilegierten Fall zugelassen, droht beim BAG ein „Ausscheiden“ mangels Zulässigkeit – und das erstinstanzliche Urteil bliebe dann endgültig. Dies unterstreicht, dass wirklich nur Grundsatzfälle über die Sprungrevision nach Erfurt gelangen.

Antrag und Zulassungsentscheidung des Arbeitsgerichts

Die Sprungrevision passiert nicht automatisch – die unterlegene Partei muss sie beantragen. Es gibt zwei Wege der Zulassung:

  • Im Urteil selbst: Stellt eine Partei bereits in der mündlichen Verhandlung den Antrag, kann das Arbeitsgericht die Sprungrevision direkt im Urteil zulassen. In diesem Fall steht am Ende des Urteils ein Ausspruch wie „Die Sprungrevision wird zugelassen“. Die unterlegene Partei hat dann die Wahl: Berufung oder Sprungrevision. Entscheidet sie sich für die Sprungrevision, muss sie fristgerecht Revision beim BAG einlegen und dabei die Zustimmungserklärung des Gegners in Original beifügen. Lässt sie die Frist verstreichen, kann sie stattdessen innerhalb der Berufungsfrist normal Berufung einlegen.
  • Nachträgliche Zulassung per Beschluss: Hat das Arbeitsgericht im Urteil keine Sprungrevision zugelassen, kann die unterlegene Partei innerhalb einer Notfrist von 1 Monat nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich beim Arbeitsgericht die Zulassung der Revision beantragen. Dieser Antrag muss die Original-Einwilligungserklärung des Gegners enthalten. Das Arbeitsgericht prüft dann im Beschlusswege, ob die Voraussetzungen vorliegen. Lehnt es den Antrag ab, ist diese Ablehnung unanfechtbar – aber: Die Berufungsfrist beginnt mit Zustellung des Ablehnungsbeschlusses neu zu laufen. Die unterlegene Partei verliert durch den erfolglosen Sprungrevisionsantrag also nicht das Recht, doch noch Berufung einzulegen. Lässt hingegen das Arbeitsgericht die Revision per Beschluss zu (weil beide Seiten einverstanden sind und Grundsatzbedeutung bejaht wird), dann beginnt mit Zustellung dieser Entscheidung die Revisionsfrist zu laufen.

Zusammengefasst müssen für die Zulassung einer Sprungrevision zwei Bedingungen erfüllt sein: (1) Der Gegner stimmt schriftlich zu, und (2) das Arbeitsgericht erklärt sich – auf Antrag – bereit, die Revision zuzulassen. Ist eine davon nicht erfüllt, bleibt nur der normale Rechtsweg (Berufung zum LAG).

Verfahrensablauf und formelle Anforderungen einer Sprungrevision

Ablauf einer Sprungrevision Schritt für Schritt: Die unterlegene Partei stellt innerhalb 1 Monat nach Urteil einen Antrag beim Arbeitsgericht und legt die Zustimmung des Gegners vor. Lässt das Gericht die Sprungrevision zu, muss der Verlierer direkt Revision beim BAG einlegen. Dabei gelten die gleichen Fristen und Formvorschriften wie bei einer normalen Revision (gemäß ZPO) – insbesondere schriftliche Revisionsschrift und Revisionsbegründung durch einen prozessbevollmächtigten Anwalt. Neue Tatsachen können vor dem BAG nicht eingeführt werden. Wird die Sprungrevision abgelehnt, geht es im normalen Berufungsverfahren weiter.

Schritt-für-Schritt-Ablauf einer Sprungrevision

Damit klar wird, wie eine Sprungrevision praktisch abläuft, skizzieren wir den typischen Verfahrensverlauf in einzelnen Schritten:

  1. Erstinstanzliches Urteil am Arbeitsgericht: Der Kündigungsschutzprozess endet in erster Instanz mit einem Urteil. Eine Partei ist unterlegen und erwägt, Rechtsmittel einzulegen.
  2. Einigung beider Parteien: Beide Seiten stimmen im Ausnahmefall überein, dass die Sache ohne Berufung vom BAG geprüft werden soll. Die obsiegende Seite willigt schriftlich in die Sprungrevision ein.
  3. Antrag auf Sprungrevision (Notfrist 1 Monat): Die unterlegene Partei stellt innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einen schriftlichen Antrag an das Arbeitsgericht, die Revision zuzulassen. Dem Antrag muss die Original-Zustimmungserklärung des Gegners beiliegen.
  4. Entscheidung des Arbeitsgerichts: Das Arbeitsgericht prüft den Antrag. Je nach Fallkonstellation erlässt es einen Beschluss, der die Sprungrevision zulässt oder ablehnt. Alternativ wurde die Revision schon im Urteil zugelassen (dann entfällt dieser Schritt). Ablehnung: Bei einer Ablehnung startet die normale Berufungsfrist neu – die unterlegene Partei kann jetzt fristgerecht Berufung beim LAG einlegen. Zulassung: Bei Zulassung (im Urteil oder per Beschluss) geht es mit Schritt 5 weiter.
  5. Revisionseinlegung beim Bundesarbeitsgericht: Hat das Arbeitsgericht die Sprungrevision zugelassen, muss die unterlegene Partei nun innerhalb der Revisionsfrist Revision beim BAG einlegen. Die Frist beträgt regelmäßig 1 Monat ab Zustellung des zulassenden Urteils/Beschlusses (analog § 551 ZPO). Die Revisionsschrift ist von einem zugelassenen Prozessvertreter (Anwalt mit Postulationsfähigkeit vor dem BAG oder Gewerkschafts-/Arbeitgeberverband) beim BAG einzureichen. Wichtig: Die schriftliche Zustimmung des Gegners muss der Revisionsschrift beigefügt sein, falls sie nicht schon dem Antrag beilag. Mit Einlegung der Revision und Vorlage der Zustimmung gilt die Berufung als wirksam zurückgenommen – man hat sich also endgültig für die Sprungrevision entschieden.
  6. Revisionsbegründung: Wie im normalen Revisionsverfahren muss die revisionseinlegende Partei ihr Revisionsbegehren schriftlich begründen (analog § 551 Abs. 2 ZPO). Die Frist dafür beträgt in der Regel 2 Monate ab Zustellung des erstinstanzlichen Urteils in vollständiger Form (oft gewährt das BAG auf Antrag eine Fristverlängerung). In der Revisionsbegründung sind die Revisionsgründe auszuführen, d. h. es muss dargelegt werden, warum das Urteil des Arbeitsgerichts rechtsfehlerhaft ist. Neue Tatsachen oder Beweise dürfen nicht vorgebracht werden – das BAG prüft nur die Rechtsanwendung auf Basis des bereits festgestellten Sachverhalts. Verfahrensfehler (etwa Fehler des erstinstanzlichen Gerichts im Prozessablauf) können bei der Sprungrevision nicht als Revisionsgrund geltend gemacht werden. Dieses Verbot von Verfahrensrügen ist eine Besonderheit der Sprungrevision (§ 76 Abs. 4 ArbGG).
  7. Schriftsatzaustausch: Die Gegenseite erhält die Revisionsbegründung und kann darauf erwidern (Revisionsgegenschrift). In der Regel werden in diesem Stadium schriftliche Argumente ausgetauscht. Beide Seiten müssen durch entsprechend zugelassene Vertreter vertreten sein (vor dem BAG herrscht Anwaltszwang, § 11 Abs. 4 ArbGG).
  8. Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts: Das BAG prüft die Angelegenheit in rechtlicher Hinsicht. Meist findet eine mündliche Verhandlung vor dem zuständigen Senat (drei Berufsrichter und zwei ehrenamtliche Richter) in Erfurt statt. Anschließend ergeht das Urteil des BAG. Mögliche Ausgänge:
    • Zurückweisung der Revision: Das BAG hält das erstinstanzliche Urteil für richtig (oder jedenfalls für nicht rechtsfehlerhaft) und weist die Sprungrevision zurück. Damit ist das Verfahren abgeschlossen; das Urteil des Arbeitsgerichts wird rechtskräftig.
    • Aufhebung und Entscheidung in der Sache: Stellt das BAG einen Rechtsfehler fest, kann es – falls die Sache entscheidungsreif ist – direkt ein Endurteil fällen. Beispiel: Das BAG hebt das Urteil auf und stellt fest, dass die Kündigung unwirksam war, oder weist die Klage ab. Damit wurde der Streit endgültig vom BAG entschieden.
    • Aufhebung und Zurückverweisung: Oft ist es so, dass zwar ein Rechtsfehler vorliegt, aber noch Tatfragen ungeklärt sind, die das BAG nicht selbst ermitteln darf. In diesem Fall hebt das BAG das erstinstanzliche Urteil auf und verweist den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück. Besonders ist hier: Das BAG kann nach eigenem Ermessen entweder zurück an das ursprünglich entscheidende Arbeitsgericht oder an das zuständige LAG verweisen. Verweist es an das LAG (was häufig geschieht), wird dort ein normales Berufungsverfahren durchgeführt – allerdings mit der Maßgabe, die Rechtsauffassung des BAG zu berücksichtigen. Die Sprungrevision mündet dann letztlich doch in einer zweiten Instanz beim LAG.
  9. Weitere Rechtsmittel: Gegen ein BAG-Urteil gibt es im Normalfall keine weitere Instanz mehr – das BAG ist die oberste rechtsprechende Instanz im Arbeitsrecht. Theoretisch käme nur noch eine Verfassungsbeschwerde beim BVerfG in Betracht, wenn Grundrechte verletzt sein könnten, was aber außerhalb des normalen Rechtswegs liegt.

Dieser Ablauf zeigt, dass eine Sprungrevision zwar das Berufungsverfahren überspringt, aber keineswegs immer direkt zum Ende des Verfahrens führt. Insbesondere eine Zurückverweisung an das LAG kann eintreten, wenn in erster Instanz nicht alle Tatsachen geklärt wurden. Die Beteiligten sollten sich bewusst sein, dass sie mit der Sprungrevision gewissermaßen aufs Ganze gehen: Es gibt keinen zweiten Tatsacheninstanz-Zwischenstopp, sondern der Fall landet „mit einem Sprung“ beim obersten Gericht – mit allen prozessualen Konsequenzen.

Strategische Überlegungen: Vorteile, Nachteile und Risiken einer Sprungrevision

Kurzfassung: Eine Sprungrevision kann das Verfahren beschleunigen und direkt für Rechtsklarheit sorgen – allerdings nur in echten Grundsatzfällen. Vorteil: Man spart die zweite Instanz und erreicht schneller ein Präzedenzurteil des BAG (z. B. interessant für Fälle mit Signalwirkung). Nachteile/Risiken: Das Verfahren ist anspruchsvoll und selten zulässig; die gegnerische Zustimmung ist unsicher, und bei offenen Tatsachenfragen droht am Ende doch eine Zurückverweisung, was Zeit kostet. Zudem verzichtet man auf die Berufungsinstanz, in der man Fehler erster Instanz korrigieren könnte. Sprungrevisionen sind in der Praxis sehr ungewöhnlich und werden von Experten eher abgeraten, außer in speziellen Ausnahmefällen.

Sprungrevision in der Praxis bei Kündigungen

In Kündigungsschutzverfahren ist die Sprungrevision eine extreme Rarität. Typischerweise werden Kündigungsfälle vor dem Landesarbeitsgericht aufgearbeitet – die Sprungrevision kommt nur bei besonderen Konstellationen in Betracht, etwa wenn der Fall eine tarifrechtliche oder kollektive Dimension hat. Nachfolgend betrachten wir die drei Haupt-Kündigungsarten: betriebsbedingte, personenbedingte und verhaltensbedingte Kündigung – und beleuchten, ob und wie in solchen Fällen eine Sprungrevision eine Rolle spielen kann. Die Quintessenz: Nur wenn eine Kündigung über den Einzelfall hinausgehende Grundsatzfragen aufwirft, ziehen die Parteien überhaupt eine Sprungrevision in Erwägung.

Unterschiede zur normalen Revision und zur Berufung

Die Sprungrevision unterscheidet sich sowohl von der Berufung (zweite Instanz) als auch von der regulären Revision (dritte Instanz nach durchlaufenem LAG-Verfahren). Gegenüber der Berufung entfällt die zweite Tatsachenprüfung – das ist ein großer Nachteil, wenn es um strittige Fakten geht. Gegenüber der normalen Revision fehlt der „Filter“ des LAG: Normalerweise lässt erst das LAG die Revision zu oder man muss Nichtzulassungsbeschwerde einlegen; bei der Sprungrevision entscheidet direkt das ArbG über den Sprung. Außerdem können in der Sprungrevision keine Verfahrensmängel gerügt werden, was in einer normalen Revision durchaus möglich wäre.

Kurz gesagt: Die Sprungrevision ist ein Sonderweg mit Sonderregeln, der nur in Ausnahmefällen gangbar ist – wohingegen Berufung und normale Revision die Regelrechtsmittel im Kündigungsschutz sind.

Sprungrevision vs. Berufung (zweite Instanz)

Die Berufung zum Landesarbeitsgericht ist das Standard-Rechtsmittel gegen ein erstinstanzliches Urteil im Kündigungsschutzprozess. In der Berufung wird der Fall tatsächlich und rechtlich neu aufgerollt. Das LAG hört Zeugen selbst, lässt neue Beweise zu und kann eigene Feststellungen treffen. Es hat also eine umfassende Prüfungsbefugnis. Für Arbeitnehmer ist das besonders wichtig, wenn sie meinen, dass in erster Instanz Sachverhalte falsch gewürdigt wurden oder weitere Umstände zu berücksichtigen sind.

Demgegenüber ist die Sprungrevision kein „vollwertiger Ersatz“ für die Berufung. Sie lässt – wie jede Revision – keine neuen Tatsachen zu. Das bedeutet: Was im ArbG-Urteil festgestellt wurde, ist verbindlich, auch wenn es vielleicht lückenhaft oder fehlerhaft ist. Fehler in der Beweiswürdigung durch das Arbeitsgericht können nicht korrigiert werden, weil das BAG diese nicht überprüft (es sei denn, es läge ein extrem schwerer Verstoß gegen Denkgesetze vor, was selten geltend zu machen ist).

Ein weiterer Punkt: In der Berufung besteht zwar auch Anwaltspflicht, aber der Arbeitnehmer kann sich oft vom gleichen Anwalt vertreten lassen, der schon erstinstanzlich tätig war. Berufungsverhandlungen finden meist am Sitz des LAG (landesweit) statt, was logistisch überschaubar ist. Die Sprungrevision zwingt die Parteien hingegen direkt nach Erfurt vor das BAG, oft mit einem spezialisierten Anwalt. Das ist aufwändiger und teurer. Zudem hat die Berufung automatisch aufschiebende Wirkung – das heißt, bis zur Entscheidung des LAG bleibt z. B. eine Weiterbeschäftigungspflicht bei obsiegender erster Instanz in der Schwebe. Bei einer Sprungrevision gilt ebenfalls die aufschiebende Wirkung, doch sie entfällt ja, wenn das LAG-Verfahren gar nicht beschritten wird – es hängt dann allein vom BAG ab, wann ein rechtskräftiges Urteil vorliegt.

Man kann sagen: Die Sprungrevision ersetzt die Berufung nicht, sondern überspringt sie. Dieser Sprung ist nur sinnvoll, wenn man die Berufungsinstanz „nicht braucht“, also wenn keine offenen Tatsachenfragen existieren. Sobald doch welche auftreten, hätte die Berufung klare Vorteile (zweite Meinung, Fehlerkorrektur). Daher sollte man sich gut überlegen, ob man auf die Berufung verzichten will. In aller Regel wird ein Anwalt einem Arbeitnehmer raten, den Weg über das LAG zu gehen, es sei denn, es gibt einen wirklich zwingenden Grund für den Sprung.

Sprungrevision vs. reguläre Revision (dritte Instanz nach LAG)

Die normale Revision zum Bundesarbeitsgericht findet nur statt, wenn das LAG sie zugelassen hat oder das BAG auf Nichtzulassungsbeschwerde die Revision doch noch zulässt. Sie dient dazu, Grundsatzfragen zu klären und die Rechtseinheit zu wahren. Inhaltlich ist eine normale Revision der Sprungrevision ähnlich – beides sind Rechtsmittel in dritter Instanz, die keine neuen Tatsachen zulassen und nur Rechtsfehler überprüfen.

In Summe lässt sich sagen: Die Sprungrevision ist kein alternatives „Rechtsmittel light“, sondern ein Sonderfall der Revision mit speziellen Zugangsvoraussetzungen. Sie verkürzt den Instanzenweg, opfert dafür aber die zweite Instanz. Die normale Revision bleibt der übliche Weg, um eine BAG-Entscheidung herbeizuführen – mit dem Vorteil, dass das LAG bereits „vorgefiltert“ hat, ob der Fall eine solche Entscheidung verdient.