Kündigungsschutzverfahren im Arbeitsrecht: Alles was Sie wissen müssen.
Kündigungsschutzverfahren (KSchV): Ein Kündigungsschutzverfahren ist ein gerichtliches Verfahren nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG), in dem ein Arbeitsgericht überprüft, ob eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung rechtlich zulässig und sozial gerechtfertigt ist. Geregelt ist es vor allem in den §§ 4–7 und § 23 KSchG. Es greift bei Kündigungen in Betrieben mit mehr als zehn Arbeitnehmern und ab einer Beschäftigungsdauer von über sechs Monaten. Das Verfahren richtet sich an betroffene Arbeitnehmer, die sich gegen eine Kündigung wehren wollen.
Ein Kündigungsschutzverfahren dient Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern dazu, eine erhaltene Kündigung gerichtlich überprüfen zu lassen. Erhält ein Beschäftigter eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung, kann er binnen drei Wochen nach Zugang Klage beim Arbeitsgericht erheben. Versäumt er diese Frist, gilt die Kündigung in der Regel als wirksam. Das Verfahren schafft Sicherheit, indem es klärt, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist (§ 1 KSchG) oder Fehler enthält. Betroffene fühlen sich oft unsicher und benötigen verlässliche Informationen: Wie muss man vorgehen, welche Fristen gelten, und welche Erfolgsaussichten gibt es? Diese Fragen beantwortet das Kündigungsschutzverfahren. Es zeigt auf, ob das Arbeitsverhältnis bestehen bleibt oder ob eine Entschädigung (Abfindung) gezahlt wird. (Meta-Description: Kündigungsschutzverfahren klärt, ob eine Kündigung rechtmäßig und sozial gerechtfertigt ist. Arbeitnehmer haben drei Wochen Zeit, um Klage einzureichen und ihre Rechte zu verteidigen.)
Voraussetzungen für ein Kündigungsschutzverfahren
Überblick: Ein Arbeitnehmer kann nur dann ein Kündigungsschutzverfahren einleiten, wenn bestimmte gesetzliche Voraussetzungen vorliegen. Dazu gehören insbesondere eine bestimmte Betriebsgröße und eine Mindestdauer des Arbeitsverhältnisses. Außerdem muss die Kündigung formell korrekt sein und ggf. Besonderheiten (z.B. Betriebsratsanhörung, schriftliche Form) beachten.
- Beschäftigungsdauer: Das Arbeitsverhältnis muss länger als sechs Monate bestanden haben. Nur nach dieser Wartezeit greift das KSchG.
- Betriebsgröße: Der Arbeitgeber muss in der Regel mehr als zehn (mindestens elf) Mitarbeiter beschäftigen. In Kleinbetrieben (zehn oder weniger) findet das allgemeine KSchG keine Anwendung. Ausnahmen können Tarifverträge vorsehen.
- Schriftform der Kündigung: Die Kündigung muss schriftlich erfolgen. Mündliche Kündigungen oder digitale Formen (E-Mail, SMS, Fax o.ä.) sind unwirksam. Fehlt beispielsweise die eigenhändige Unterschrift des Arbeitgebers, genügt dies schon als Formfehler.
- Betriebsrat: In Betrieben mit Betriebsrat muss dieser vor jeder Kündigung angehört werden (§ 102 BetrVG). Eine ohne Anhörung ausgesprochene Kündigung ist von vornherein unwirksam.
- Fristgerechte Zustellung: Die Kündigung muss dem Arbeitnehmer ordnungsgemäß zugegangen sein. Der Arbeitgeber sollte den Zugang nachweisen können, sonst kann die Kündigung unanfechtbar sein (d.h. als nicht wirksam gelten).
- Besonderer Schutz: Manche Arbeitnehmer genießen Sonderkündigungsschutz (z.B. Schwangere, Eltern in Elternzeit, Schwerbehinderte, Betriebsratsmitglieder – siehe unten). Beim Vorliegen solcher Merkmale ist gesondert zu prüfen, ob alle erforderlichen behördlichen Genehmigungen eingeholt wurden.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann der Arbeitnehmer durch Kündigungsschutzklage das Arbeitsgericht anrufen. Andernfalls scheidet der gängige Kündigungsschutz aus (beispielsweise bei Kurzzeitbeschäftigung unter sechs Monaten oder in Kleinbetrieben). Dann kann der Arbeitnehmer ggf. nur noch andere Rechtswege (z.B. Kündigungsschutz nach anderen Gesetzen) prüfen.
Ablauf des Verfahrens
Kurzüberblick: Im Kündigungsschutzverfahren prüft das Arbeitsgericht, ob die Kündigung wirksam ist. Entscheidend sind fristgerechte Klageeinreichung, eine Güteverhandlung und ggf. eine Kammerverhandlung. Kommt es zu keinem Vergleich, fällt das Gericht nach mündlicher Verhandlung (Kammertermin) sein Urteil.
- Klagefrist: Der Arbeitnehmer muss binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage erheben. Versäumt er diese Frist (§ 4 KSchG), gilt die Kündigung als wirksam. Deshalb ist schnelle Beratung wichtig.
- Einreichung der Klage: Die Kündigungsschutzklage wird beim zuständigen Arbeitsgericht schriftlich eingereicht. In der Klage muss der Arbeitnehmer begründen, warum die Kündigung unwirksam ist (z.B. fehlende Sozialgerechtigkeit). Während der Klageverhandlung muss er – oft nur pauschal – angeben, weshalb er weiterbeschäftigt werden möchte.
- Güteverhandlung: Innerhalb etwa zwei Wochen nach Klageeingang lädt das Gericht zu einer Güteverhandlung ein. Dieser Termin dient der gütlichen Einigung. Hier sitzt nur der Berufsrichter (ohne ehrenamtliche Richter) der Kammer und erörtert mit den Parteien die Möglichkeit eines Vergleichs. Anträge werden üblicherweise nicht gestellt. Oft wird in dieser Runde die Chance genutzt, eine Abfindung oder Aufhebungsvereinbarung auszuhandeln. Führt die Güteverhandlung nicht zu einer Einigung, wird ein späterer Kammertermin anberaumt.
- Kammerverhandlung: Im Kammertermin verhandelt die Dreierkammer (ein Berufsrichter, zwei ehrenamtliche Richter) den Fall. Zunächst wird erneut versucht, einen Vergleich zu schließen. Gelingt auch das nicht, wird die Sach- und Rechtslage erörtert. Dabei gelten oft vereinfachte Regeln: Der Arbeitnehmer muss im Streit darlegen, dass seine Weiterbeschäftigung möglich wäre, der Arbeitgeber trägt aber die volle Darlegungs- und Beweislast für alle Kündigungsgründe. Zu diesem Punkt: Im KSchV muss der Arbeitgeber sämtliche tatsächlichen Umstände, die zur Kündigung führten, darlegen und beweisen.
- Entscheidung: Nach Abschluss der Verhandlung fällt das Gericht sein Urteil. Wird die Kündigung für wirksamerklärt, endet das Arbeitsverhältnis mit dem vereinbarten Beendigungsdatum. Wird die Kündigung für unwirksambefunden, lebt das Arbeitsverhältnis weiter. In diesem Fall stellt das Gericht auf Antrag fest, dass durch die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet wurde.
- Folgen im Fall der Unwirksamkeit: Wenn die Kündigung unwirksam ist, muss der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fortsetzen. Ist eine Weiterbeschäftigung dem Arbeitnehmer aber nicht zuzumuten (z.B. wegen gestörter Zusammenarbeit), löst das Gericht das Arbeitsverhältnis auf. Dann verurteilt es den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung. Auch im Berufungsverfahren oder bei einer Einigung (Vergleich) kann eine Abfindung geregelt werden.
- Weiterer Rechtsweg: Gegen das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts kann jede Partei innerhalb eines Monats Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) einlegen. Im Anschluss an die zweite Instanz kann ggf. eine Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) möglich sein, wenn grundsätzliche Rechtsfragen berührt sind.
Am Ende steht also entweder die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses oder – wenn das Gericht die Kündigung bestätigt – das Ende des Beschäftigungsverhältnisses. Eine außergerichtliche Einigung kann bereits vorher in Form eines Vergleichs (häufig mit Abfindung) erfolgen. Beispiele für wichtige Zwischenschritte (Fristen, Termine) sind unten in den FAQs erläutert.
Unterschiedliche Kündigungsarten
Kurzüberblick: Das Kündigungsschutzgericht unterscheidet drei Hauptgründe für Kündigungen – verhaltens-, personen- und betriebsbedingt – wie in § 1 KSchG festgelegt. Jeder Typ hat eigene Voraussetzungen, die der Arbeitgeber beweisen muss.
- Verhaltensbedingte Kündigung: Sie erfolgt aufgrund von Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers, etwa wiederholtes unentschuldigtes Fehlen, Verletzung von Anweisungen oder Diebstahl. In der Regel muss der Arbeitnehmer zuvor verhaltensbedingt abgemahnt worden sein. Ohne Abmahnung ist eine verhaltensbedingte Kündigung oft unwirksam. Der Arbeitnehmer kann sich im Verfahren darauf berufen, dass ein milderes Mittel (z.B. Abmahnung) nicht ausgeschöpft wurde.
- Personenbedingte Kündigung: Gründe liegen in der Person des Arbeitnehmers. Typisch sind Langzeiterkrankungen (mit dauerhafter Leistungsminderung), der Verlust einer wichtigen Erlaubnis (z.B. Führerschein) oder private Hinderungsgründe (lange Haftstrafe). Entscheidend ist eine negative Gesundheitsprognose, d.h. der Arzt muss bescheinigen, dass keine baldige Besserung zu erwarten ist. Fehlt diese Prognose, kann die Kündigung unwirksam sein (der Arbeitgeber hat dies zu beweisen).
- Betriebsbedingte Kündigung: Sie tritt ein bei wirtschaftlichen oder organisatorischen Notwendigkeiten, etwa bei Standortschließungen, Rationalisierungen oder anhaltendem Auftragsrückgang. Hier muss der Arbeitgeber darlegen, dass der Arbeitsplatz entfallen ist und keine andere zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit existiert. Zudem ist eine korrekt durchgeführte Sozialauswahl erforderlich: Der Arbeitgeber muss die am stärksten schutzbedürftigen Mitarbeiter (nach Betriebszugehörigkeit, Alter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung) erhalten, anderenfalls ist die Kündigung unwirksam.
- Außerordentliche (fristlose) Kündigung: Sie erfolgt bei besonders schweren Verstößen und muss innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntwerden des Kündigungsgrunds ausgesprochen werden (§ 626 Abs. 2 BGB). Wird die Zwei-Wochen-Frist überschritten, ist auch eine fristlose Kündigung unwirksam.
Jede Kündigungsart setzt andere Maßstäbe: Das Gericht prüft, welcher Grund hier vorliegt und ob alle Anforderungen (z. B. Abmahnung, negative Prognose, Sozialauswahl, Frist) erfüllt sind. Bei fehlender Voraussetzung erklärt es die Kündigung für unwirksam.
Besonderer Kündigungsschutz
Kurzüberblick: Für bestimmte Arbeitnehmergruppen gelten verschärfte Regeln: Schwangere, Eltern in Elternzeit, schwerbehinderte Personen und Betriebsräte genießen einen Sonderkündigungsschutz. Eine Kündigung ist nur mit behördlicher oder betrieblicher Zustimmung möglich.
- Betriebsratsmitglieder und Jugend- und Auszubildendenvertreter: Betriebsratsmitglieder unterliegen einem sehr hohen Schutz. Sie können grundsätzlich nur mit Zustimmung des Gesamtbetriebsrats bzw. des Wahlvorstands gekündigt werden. Fehlt diese Zustimmung, ist die Kündigung von vornherein unwirksam.
- Schwangere und Eltern in Elternzeit: Schwangere und Arbeitnehmer in Elternzeit dürfen nur in Ausnahmefällen gekündigt werden. Der Arbeitgeber muss vor Ausspruch der Kündigung die Zustimmung der zuständigen Behörde (Mutterschutzbehörde oder Familienkasse) einholen. Die Behörde darf nur zustimmen, wenn der Kündigungsgrund unabhängig von Schwangerschaft oder Elternzeit ist (z.B. Diebstahl). Wird eine schwangere Beschäftigte dennoch ohne Genehmigung gekündigt oder erfährt sie erst nach Zugang der Kündigung von ihrer Schwangerschaft, so hält das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Klagefrist ausnahmsweise auf.
- Schwerbehinderte Personen: Auch schwerbehinderte Arbeitnehmer oder ihnen Gleichgestellte dürfen nur mit Zustimmung des Integrationsamts gekündigt werden. Fehlt diese Zustimmung, wird die Kündigung in der Regel als verstoßerheblich gewertet. Laut einem BAG-Urteil kann ein fehlendes Integrationsamt-Votum eine diskriminierende Kündigung vermuten lassen (§ 22 AGG). Anschließend muss der Arbeitgeber im Verfahren beweisen, dass die Kündigung nicht auf der Behinderung beruhte.
In all diesen Fällen ist das Verfahren wie üblich das Kündigungsschutzverfahren, jedoch mit der Besonderheit, dass vor der Klageerhebung zusätzlich die erforderlichen Genehmigungen vorliegen müssen. Erfolgt eine Kündigung ohne Zustimmung oder behördliche Erlaubnis, so ist sie automatisch unwirksam.
Rolle des Betriebsrats im Verfahren
Kurzüberblick: Der Betriebsrat muss bei jeder Kündigung (§ 102 BetrVG) angehört werden. Im Schutzverfahren hat er kein eigenes Klagerecht, kann aber Betroffene beraten und begleiten. Wenn er wirksam widerspricht, sichert das einen Weiterbeschäftigungsanspruch bis zur Entscheidung.
Vor jeder Kündigung ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, den Betriebsrat anzuhören und über die Kündigungsgründe zu informieren. Versäumt er das, ist die Kündigung formell unwirksam. Der Betriebsrat kann Bedenken äußern und formell Widerspruch (§ 102 Abs. 3, 5 BetrVG) gegen eine Kündigung einlegen. Ein Widerspruch macht die Kündigung nicht automatisch hinfällig, verschafft dem Arbeitnehmer aber das Recht, bis zum Ende des Verfahrens weiterbeschäftigt zu werden.
Im Kündigungsschutzprozess selbst kann der Betriebsrat als „Unterstützer“ des klagenden Mitarbeiters auftreten. Das Verfahren ist allerdings ein Privatklageverfahren des Arbeitnehmers: Der Betroffene muss die Klage erheben, der Betriebsrat kann ihn nur beraten und bei Gericht vertreten (z.B. als Nebenintervenient nach § 7 KSchG). Er darf nicht eigenständig klagen. Dennoch ist seine Rolle wichtig: Durch konstruktive Mitarbeit kann der Betriebsrat die Position des Gekündigten stärken. Er kann etwa zusätzliche Informationen einbringen oder bei Verhandlungen und Güteverfahren vermitteln. In der Praxis leistet der Betriebsrat also Aufklärungs- und Beratungsarbeit, sorgt aber nicht für die rechtliche Entscheidung.
Gerichtliche Prüfung: Maßstäbe, Darlegungs- und Beweislast
Kurzüberblick: Im Kündigungsschutzverfahren entscheidet das Gericht anhand der Kriterien des § 1 KSchG, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Dabei trägt der Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast für alle tatsächlichen Kündigungsgründe. Das Gericht prüft, ob die vorgebrachten Gründe dem Kündigungsschutzgesetz entsprechen und abwägt, ob die Kündigung notwendig war (z.B. ultima ratio bei betriebsbedingten Kündigungen).
Rechtlich gilt: Nach § 1 KSchG muss die Arbeitgeberkündigung sozial gerechtfertigt sein, also auf personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Gründen basieren. Das Arbeitsgericht fragt, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Der Arbeitnehmer als Kläger muss begründen, warum die Kündigung ungerechtfertigt ist. Der Arbeitgeber muss dafür detailliert die Gründe darlegen und beweisen. Beispielsweise muss er bei betriebsbedingter Kündigung darlegen, warum ein Arbeitsplatz weggefallen ist und dass er eine ordnungsgemäße Sozialauswahl vorgenommen hat. Bei verhaltensbedingter Kündigung muss er zum Beispiel den Pflichtverstoß konkret benennen und darlegen, dass Abmahnungen ergangen sind. Im Verfahren setzt das Gericht an, ob der Arbeitgeber vernünftige Gründe hatte und ob mildere Mittel möglich gewesen wären.
Kurz gesagt: Der Richter überprüft, ob die Kündigung den Anforderungen des KSchG entspricht. Weist er nach, dass dies nicht der Fall ist (z.B. fehlende Abmahnung oder fehlerhafte Sozialauswahl), wird die Kündigung als sozial ungerechtfertigt bewertet. War sie dagegen rechtmäßig, weist das Gericht die Klage ab (Kündigung bleibt wirksam). Wichtig ist dabei, dass der Arbeitgeber die volle Last für seine Entscheidung trägt: Er muss bei strittigen Punkten darlegen und ggf. Beweise vorlegen.
Typische Fehler des Arbeitgebers
Kurzüberblick: Arbeitgeber machen häufig formale oder materielle Fehler, die eine Kündigung unwirksam werden lassen. Typische Fehler sind etwa fehlende Schriftform oder Unterschrift, das Ignorieren des Betriebsrats, Fehler bei der Sozialauswahl oder fehlende Abmahnungen bei einer verhaltensbedingten Kündigung.
- Schriftform-Verstöße: Eine Kündigung muss schriftlich auf Papier erfolgen. Jede andere Form (Fax, E-Mail, SMS, mündlich) genügt nicht. Wird per E-Mail oder SMS gekündigt, fehlt es an der gesetzlich vorgeschriebenen „Schriftform“, und der Arbeitnehmer kann gerichtlich feststellen lassen, dass das Arbeitsverhältnis weiterbesteht. Fehlt zudem eine ordnungsgemäße Unterschrift, ist die Kündigung ebenfalls von Anfang an unwirksam.
- Betriebsratsanhörung: Wie oben erwähnt, muss der Betriebsrat vor jeder Kündigung angehört werden. Unterlässt der Arbeitgeber dies oder hört den Betriebsrat unvollständig an, ist die Kündigung formal ungültig. Das Arbeitsgericht verwirft die Kündigung dann, ohne weitere Prüfung.
- Sozialauswahl und betriebsbedingte Fehler: Bei betriebsbedingter Kündigung muss der Arbeitgeber betriebsbedingte Gründe nachweisen und eine korrekte Sozialauswahl treffen. Fehlt diese oder ist sie fehlerhaft (zum Beispiel wurde ein schutzwürdiger Mitarbeiter gekündigt, während ein weniger schutzwürdiger blieb), ist die Kündigung unwirksam. Ebenso macht es Probleme, wenn freie Stellen im Unternehmen nicht beachtet oder falsch beurteilt wurden.
- Verhaltensbedingte Kündigung ohne Abmahnung: Bei einer verhaltensbedingten Kündigung muss in der Regel mindestens eine Abmahnung vorausgegangen sein. Wird der Arbeitnehmer ohne vorherige Abmahnung gekündigt, ist dies oft ein Fehler des Arbeitgebers. Ohne Abmahnung fehlt der vorherige Hinweis auf das Fehlverhalten, und das Gericht kann die Kündigung für unverhältnismäßig halten.
- Überschreiten von Fristen: Bei fristlosen Kündigungen muss der Kündigungsgrund dem Arbeitgeber binnen zwei Wochen bekannt gemacht werden. Wird diese Frist versäumt, ist auch die fristlose Kündigung unwirksam.
- Nichtbeachtung des besonderen Schutzes: Kündigt der Arbeitgeber trotzdem einen schwerbehinderten Mitarbeiter, ein Betriebsratsmitglied oder eine schwangere Arbeitnehmerin, ohne die nötigen Genehmigungen eingeholt zu haben, macht er einen gravierenden Fehler. Eine fehlende Zustimmung der Behörde (z.B. Integrationsamt oder Mutterschutzbehörde) führt automatisch zur Unwirksamkeit der Kündigung.
Diese und weitere formelle Fehler (z.B. fehlender Empfänger, unklare Bezeichnung des Arbeitsverhältnisses) führen im Prozess meist dazu, dass die Kündigung als unwirksam eingestuft wird und der Arbeitgeber keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses erreichen kann. Arbeitnehmer sollten mögliche Fehler genau prüfen oder prüfen lassen, um ihr Recht auf Weiterbeschäftigung zu sichern.
Mögliche Ergebnisse und Rechtsfolgen
Kurzüberblick: Das Kündigungsschutzverfahren endet mit der gerichtlichen Entscheidung oder einem Vergleich. Das Gericht kann die Kündigung bestätigen oder für unwirksam erklären. Im letzteren Fall muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer weiterbeschäftigen oder ihm eine Abfindung zahlen. Bei einer Einigung wird häufig eine Abfindung festgelegt.
- Klage abgewiesen: Hält das Gericht die Kündigung für rechtmäßig, wird die Klage abgewiesen. Die Kündigung ist dann wirksam und das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der Kündigungsfrist. Ein Anspruch auf Abfindung besteht grundsätzlich nicht, es sei denn, die Parteien hatten vorher einen solchen Anspruch vereinbart oder das Gericht ordnet bei Unzumutbarkeit (siehe unten) eine Abfindung an.
- Klage angenommen – Kündigung unwirksam: Stellt das Gericht fest, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt war (bzw. unwirksam), erfolgt eine Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst wurde. Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer wieder eingestellt werden. Das Arbeitsverhältnis besteht fort zu den bisherigen Bedingungen.
- Weiterbeschäftigung vs. Abfindung: In der Praxis einigen sich die Parteien oft. Kann der Arbeitnehmer nicht vernünftig weiterbeschäftigt werden (z.B. weil das Vertrauensverhältnis zerstört ist), beantragt er einen Untergang des Arbeitsverhältnisses mit Abfindung. Das Gericht kann das Arbeitsverhältnis dann im Urteil auflösen und eine angemessene Abfindung zusprechen. Die Höhe der Abfindung richtet sich nach den Umständen (gewöhnlich bis zu einem halben Monatsgehalt pro Jahr der Beschäftigung, je nach Verhandlung).
- Vergleich und Aufhebungsvertrag: Neben der gerichtlichen Entscheidung ist ein Vergleich ein typisches Ergebnis. Hierbei einigt man sich in der Güte- oder Kammerverhandlung oft auf eine Abfindung gegen Verzicht auf Klage oder gegen Zustimmung zur Kündigung. Alternativ kann auch vor oder während des Prozesses ein privater Aufhebungsvertrag geschlossen werden (s. verwandte Themen).
- Kosten und Fristen beachten: Jeder Beteiligte trägt in der Regel seine eigenen Anwaltskosten. Es entstehen Gerichts- und Anwaltskosten meist nur, wenn das Gericht die Klage oder Klageabweisung erklärt (sog. Endurteil); anfallende Kosten werden nach den gesetzlichen Sätzen erst nach dem Urteil fällig. Verfahrensgebühren oder Gerichtskosten können anfallen, falls Berufung eingelegt wird.
Zusammenfassend führt ein Kündigungsschutzverfahren entweder zur Feststellung des Weiterbestehens des Arbeitsverhältnisses oder beendet das Verhältnis endgültig. Im Erfolg für den Arbeitnehmer steht üblicherweise die Weiterbeschäftigung oder – falls eine Weiterarbeit unzumutbar ist – eine gerichtliche Auflösung mit Abfindungszahlung im Raum. Arbeitnehmer sollten die möglichen Folgen vor einer Klageerhebung mit einem Experten durchsprechen und sich gegebenenfalls anwaltlich vertreten lassen.
Wichtige Urteile und aktuelle Rechtsprechung
Kurzüberblick: Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und der Landesarbeitsgerichte entwickelt die Regeln des Kündigungsschutzes laufend weiter. In jüngerer Zeit wurden Fälle wie die folgenden entschieden:
- Schwangere Arbeitnehmerin (BAG, 03.04.2025 – 2 AZR 156/24): Eine Frau erfuhr erst nach Ablauf der Klagefrist von ihrer Schwangerschaft. Das BAG entschied, dass ihre verspätete Kündigungsschutzklage „schuldlos verspätet“ dennoch angenommen werden kann. Das Bundesarbeitsgericht stärkte damit den Schutz Schwangerer: Wurde die Schwangerschaft zum Kündigungszeitpunkt bereits begonnen, so hält die Frist aus § 4 KSchG (§ 5 Abs. 1 Satz 2) aus.
- Schwerbehinderte (BAG, 10.11.2022): Das BAG hat klargestellt, dass das Fehlen der Zustimmung des Integrationsamts zu einer Kündigung eines Schwerbehinderten ein Indiz für eine wegen der Behinderung motivierte Kündigung ist. Konkret kann dies nach § 22 AGG eine Diskriminierung vermuten lassen. Arbeitgeber müssen nun besonders sorgfältig ihre Kündigungsgründe darlegen, wenn keine behördliche Genehmigung vorliegt.
- Schwangerschaftsberechnung (BAG, 01.02.2023): In einer Entscheidung betonte das BAG, dass bei nachträglich festgestellter Schwangerschaft das Datum der Schwangerschaft so festzusetzen ist, als ob sie bereits beim Zugang der Kündigung bestanden hätte. Eine zuvor gängige Berechnungsmethode des Landesarbeitsgerichts wurde verworfen.
- Sozialauswahl (LAG Düsseldorf, 23.01.2024): Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf erklärte eine betriebsbedingte Kündigung für unwirksam, weil der Arbeitgeber die Sozialauswahl falsch gebildet hatte. Der betroffene Arbeitnehmer konnte sich so erfolgreich gegen die Kündigung wehren.
- Vergleichszulässigkeit: Viele Gerichte bejahen die Zulässigkeit eines gerichtlichen Vergleichs auch im Bereich des Kündigungsschutzes. Oft wird dabei der Kläger – insbesondere bei betriebsbedingten Kündigungen – zu einer (gegen eine Abfindung) Verzicht auf Weiterbeschäftigung bewegt. Das BAG hat wiederholt klar gestellt, dass Arbeitnehmer nicht auf ihr Recht auf Weiterbeschäftigung verzichten dürfen, ohne einen fairen Ausgleich (Abfindung) zu erhalten.
Aktuelle Urteile zeigen also: Der Kündigungsschutz wird kontinuierlich präzisiert. In den meisten Fällen schützen die Gerichte den Arbeitnehmer, wenn formelle Fehler oder Fehlanreihungen vorliegen. Es lohnt sich, wichtige Entscheidungen zu verfolgen, da sie Auswirkungen auf die Bewertung typischer Kündigungsgründe haben.
FAQ – Häufige Fragen zum Kündigungsschutzverfahren
1. Wann greift das Kündigungsschutzverfahren und wer ist geschützt?
Problem: Viele Arbeitnehmer fragen sich: „Bin ich überhaupt geschützt, oder darf mich mein Arbeitgeber einfach kündigen?“ In Kleinbetrieben oder bei kurzem Arbeitsverhältnis gilt oft kein allgemeiner Kündigungsschutz.
Analyse: Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) kommt erst zur Anwendung, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Generell müssen Sie länger als sechs Monate im Betrieb gearbeitet haben und in einem Betrieb mit mehr als zehn Mitarbeitern beschäftigt sein. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, greift das Kündigungsschutzverfahren. Ausgenommen sind bestimmte Personengruppen (z.B. leitende Angestellte) oder wenn im Arbeits- oder Tarifvertrag ausdrücklich etwas anderes geregelt ist. Liegen die Voraussetzungen vor und erhalten Sie eine Kündigung, kann nur noch das Arbeitsgericht über deren Wirksamkeit entscheiden.
Rechtliche Einordnung: § 23 KSchG bestimmt die genannten Voraussetzungen (Betriebsgröße, Beschäftigungsdauer). Ohne KSchG greift nur das allgemeine Zivilrecht – dann kann unter anderem die Kündigungsschutzklage nicht erhoben werden.
Fallbeispiel 1: Anna arbeitet seit sieben Monaten in einem Kleinunternehmen mit acht Beschäftigten. Ihr Arbeitgeber kündigt ihr. Da die Betriebsgröße unter der Schwelle von elf Mitarbeitern liegt, findet das KSchG keine Anwendung. Anna kann keine Kündigungsschutzklage erheben. Stattdessen könnte sie allenfalls einen weitergehenden arbeitsrechtlichen Rat einholen (z.B. wegen möglicher Kündigungsgründe oder Ansprüche aus Tarifverträgen). Ein formeller Kündigungsschutzprozess ist in ihrem Fall ausgeschlossen.
Fallbeispiel 2: Herr Müller ist seit zwei Jahren bei einem Logistikunternehmen angestellt, in dem 25 Mitarbeiter tätig sind. Sein Arbeitgeber möchte Personal abbauen und kündigt Herrn Müller betriebsbedingt zum Monatsende. Herr Müller ist überrascht und nicht einverstanden, da er persönlich nicht aufgeben möchte und seine familiäre Situation die Kündigung sehr hart treffen würde. Er hört, dass er „Kündigungsschutz“ genießen könne, fragt sich aber, ob das in seinem Fall wirklich gilt.
Zunächst prüft er die Voraussetzungen des KSchG: Er ist länger als sechs Monate beschäftigt (zwei Jahre) und es gibt mehr als zehn Beschäftigte. Damit ist das Verfahren grundsätzlich möglich. Herr Müller informiert sich – eventuell bei seinem Betriebsrat oder einem Anwalt – darüber, wie er gegen die Kündigung vorgehen kann. Er erfährt, dass er innerhalb von drei Wochen Klage erheben muss. Herr Müller erklärt, dass er unter diesen Bedingungen einen Rechtsanwalt beauftragt, der die Kündigungsschutzklage vorbereitet. Er ist also durch das Kündigungsschutzgesetz geschützt und geht den Klageweg ein, um die Wirksamkeit seiner Kündigung prüfen zu lassen.
Fazit: Entscheidend ist, ob die Voraussetzungen des KSchG vorliegen. Nur dann kann das Kündigungsschutzverfahren eingelegt werden. Arbeitnehmer sollten bei Zweifeln prüfen, ob ihr Arbeitgeber die Grenzen einhält.
2. Welche Fristen gelten und wie verläuft das Verfahren konkret?
Problem: Die Klagefrist von drei Wochen ist kurz. Viele fragen sich, was genau nach einer Kündigungsschreiben passieren muss. Welche Termine und Schritte sind wichtig?
Analyse: Nach Zugang der Kündigung haben Sie exakt drei Wochen Zeit, um Klage beim Arbeitsgericht einzureichen. Innerhalb dieser Frist reicht es, dass das Schreiben beim Gericht angekommen ist. Versäumen Sie die Frist, können Sie in der Regel nichts mehr erreichen – die Kündigung wird automatisch wirksam. Direkt nach Klageerhebung setzt das Gericht meist eine Güteverhandlung an (innerhalb etwa zwei Wochen). Bei diesem ersten Termin versucht der Richter, eine Einigung herbeizuführen (zum Beispiel mit einer Abfindung). Kommt es dort zu keiner Lösung, wird ein Kammertermin für die Hauptverhandlung festgelegt. In der Kammerverhandlung entscheidet eine dreiköpfige Kammer (Berufs- und zwei ehrenamtliche Richter) nach Vorbringen beider Seiten über die Kündigung. Danach erhalten Sie das schriftliche Urteil.
Rechtliche Einordnung: § 4 KSchG regelt die dreiwöchige Klagefrist. Diese ist „Ausschlussfrist“ – wer sie versäumt, verliert sein Recht. § 167 ZPO schreibt vor, dass die Klage „anhängig“ gemacht sein muss. § 102 BetrVG (siehe Hörerin oben) spielt nur bei der Anschlusspflicht mit ein. Fachleute empfehlen, möglichst früh anzufangen, zum Beispiel zuerst den Betriebsrat zu informieren und sich anwaltliche Hilfe zu suchen, um die Frist nicht aus Versehen zu verpassen.
Fallbeispiel 1: Sebastian erhält am 1. Juni eine ordentliche Kündigung. Er teilt seinem Betriebsrat sofort mit und prüft die Aussichten. Sebastian merkt, dass er nur bis zum 22. Juni Zeit hat (3 Wochen) – das Gericht zählt die Frist ab Zugang. Er reicht dann am 20. Juni die Kündigungsschutzklage ein. Etwa zwei Wochen später lädt das Gericht ihn zum Gütetermin ein. Sebastian weiß nun, dass er die Frist gewahrt und den Verfahrensstart geschafft hat.
Fallbeispiel 2: Maria arbeitet in einem mittelständischen Betrieb mit 30 Angestellten. Am 5. März bekommt sie eine unerwartete Kündigung zum 31. März. Sie wendet sich umgehend an den Betriebsrat, der sie berät und die Unterlagen prüft. Gemeinsam mit einer Fachanwältin wird festgestellt, dass der Kündigungsgrund unklar ist. Die Anwältin erklärt Maria den Ablauf: Innerhalb von drei Wochen – also bis zum 26. März – muss Klage eingereicht sein. Maria sammelt alle relevanten Unterlagen (Arbeitsvertrag, Kündigungsschreiben, Abmahnungen) und unterschreibt die Klageschrift. Noch in der letzten Fristwoche bringt ein Bote das Schreiben zum Arbeitsgericht.
Das Gericht hat gesetzlich zwei Wochen Zeit, Maria zu einem Güteverhandlungstermin einzuladen. Angenommen, Maria erhält den Termin am 5. April – ein paar Tage nach Ablauf der Kündigungsfrist. Beim Güte-Termin im Mai sitzt nur der Vorsitzende Richter vor der Kammer und versucht zu vermitteln. Maria ist nervös, bekommt aber erklärt, dass keine Verhandlung stattfindet, sondern zuerst eine Vergleichschance besteht. Da kein Vergleich zustande kommt, erhält Maria schließlich einen Termin für die Kammerverhandlung im Juli. Dort kann sie ihre Sicht erläutern und Zeugen benennen. Anfang August fällt dann das Urteil. Dank der Einhaltung der Fristen konnte Maria die sachliche Prüfung der Kündigung erreichen.
Fazit: Halten Sie die 3-Wochen-Frist unbedingt ein und seien Sie frühzeitig aktiv. Das Verfahren beginnt mit der Klage, geht über einen Gütetermin zum Kammertermin und endet mit einem Urteil. Jeder Schritt ist für den Erfolg entscheidend.
3. Verhaltens-, personen- oder betriebsbedingt – was ist der Unterschied?
Problem: Arbeitnehmer sind häufig unsicher, welcher Kündigungsgrund wirklich greift. Jeder Grund hat andere Anforderungen. Wann kann ich mich wehren?
Analyse: Wie im Haupttext erläutert, unterscheidet das KSchG drei Arten: verhaltensbedingte, personenbedingte und betriebsbedingte Kündigung. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung muss der Arbeitnehmer schuldhaft gegen Pflichten verstoßen haben. Hier muss meist eine Abmahnung vorangehen; hat der Arbeitgeber dies unterlassen, kann die Kündigung ungerechtfertigt sein. Eine personenbedingte Kündigung hängt etwa von Krankheit oder fehlender Eignung ab – der Arbeitnehmer muss also objektiv nicht mehr in der Lage sein, die Arbeit zu leisten. Ist seine gesundheitliche Prognose positiv, hält das Gericht die Kündigung oft für unverhältnismäßig. Eine betriebsbedingte Kündigung beruht auf betrieblichen Erfordernissen. Hier prüft das Gericht, ob der Arbeitsplatz tatsächlich entfiel und ob der Arbeitgeber eine ordnungsgemäße Sozialauswahl vorgenommen hat.
Rechtliche Einordnung: § 1 Abs. 2 KSchG nennt diese drei Fälle. Eine Kündigung ist sozial nur gerechtfertigt, wenn einer dieser Gründe vorliegt. Die Unterscheidung ist entscheidend für das Verfahren: Bei jeder Art muss der Arbeitgeber etwas anderes nachweisen. Verhaltensgründe erfordern z.B. ein verhältnismäßiges Fehlverhalten; personenbedingte erfordern eine negative Prognose; betriebsbedingte erfordern eine unternehmerische Entscheidung plus Sozialauswahl.
Fallbeispiel 1: Florian unentschuldigt wiederholt verspätete sich zur Arbeit, trotz Ermahnung. Sein Arbeitgeber kündigte ihm verhaltensbedingt. Florian klagt: Er argumentiert, dass keine schriftliche Abmahnung vorlag. Das Arbeitsgericht stellt fest, dass möglicherweise keine ausreichende Vorwarnung erfolgte. Nach §§ 1 Abs. 2 KSchG ist eine vorherige Abmahnung bei leichte Pflichtverletzungen erforderlich. Fehlt diese, wird die verhaltensbedingte Kündigung oft für sozial ungerechtfertigt erklärt. Florian könnte also weiterbeschäftigt werden.
Fallbeispiel 2: Sabine arbeitet als Buchhalterin. Infolge einer schweren Krankheit erwartet ihr Arzt, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit in den nächsten Monaten wieder voll arbeitsfähig ist. Trotzdem kündigt der Arbeitgeber sie krankheitsbedingt. Sabine klagt auf Kündigungsschutz. In der Klage will sie zeigen, dass die Kündigung unverhältnismäßig war: Ihre Krankheit ist vorbei (positive Prognose), und Ersatz kann sie bei ihrer Leistungsfähigkeit gar nicht ersetzen.
Im Verfahren prüft das Gericht zunächst, ob überhaupt verhaltens- oder personenbedingte Gründe vorliegen. Der Arbeitgeber behauptet, es handele sich um eine personenbedingte Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit. Sabine beweist medizinische Gutachten, die ihre Genesung vorhersagen. Vor Gericht wird klar, dass der Arbeitgeber die negativen Prognose nicht hinreichend belegt hat. Laut § 1 Abs. 2 KSchG müsste er nachweisen, dass Sabines Krankheit dauerhaft die Arbeit verhindert. Da er dies nicht kann, wird die Kündigung als sozial ungerechtfertigt angesehen. Schließlich argumentiert das Gericht, dass der Arbeitsplatz für Sabine nicht aus betriebsbedingten Gründen wegfiel (der Arbeitsplatz für Buchhaltung blieb bestehen). Am Ende bleibt Sabine im Unternehmen (weiterbeschäftigt).
Fazit: Die Kündigungsart entscheidet, welche Argumente und Beweise nötig sind. Arbeitnehmer sollten im Verfahren darauf hinweisen, welcher Kündigungsgrund vorlag und ob formelle Voraussetzungen (Abmahnung, Prognose, Sozialauswahl) erfüllt wurden. Oft gewinnt der Arbeitnehmer, wenn dem Arbeitgeber ein wesentlicher Nachweis fehlt.
4. Welche Rolle spielt der Betriebsrat?
Problem: Arbeitnehmer und Betriebsräte fragen häufig: Wie unterstützt mich der Betriebsrat im Kündigungsschutzverfahren, und was muss der Arbeitgeber beachten?
Analyse: Wie oben erläutert, wird der Betriebsrat bei jeder Kündigung zwingend angehört. Im Schutzverfahren selbst ist der Betriebsrat jedoch keine eigene Prozesspartei. Er kann allerdings das Verfahren begleiten und den betroffenen Mitarbeiter beraten. Hauptaufgabe des Betriebsrats ist es, Versäumnisse des Arbeitgebers zu erkennen (z.B. fehlerhafte Anhörung) und den Arbeitnehmer darauf hinzuweisen. Legt der Betriebsrat formell Widerspruch gegen die Kündigung ein, so bleibt der Arbeitnehmer bis zur gerichtlichen Entscheidung weiterbeschäftigt. Dadurch wird oft der Druck auf den Arbeitgeber erhöht, einen Vergleich zu schließen.
Rechtliche Einordnung: § 102 BetrVG schreibt die Anhörung vor – eine Kündigung ohne diese ist rechtswidrig. Rechtlich kann der Betriebsrat das Verfahren nach § 7 KSchG beiwohnen (Nebenintervention), aber nur der Arbeitnehmer selbst klagt. Nach § 102 Abs. 5 BetrVG erhält der Arbeitnehmer bei begründetem Widerspruch des Betriebsrats einen Weiterbeschäftigungsanspruch.
Fallbeispiel 1: In einer Firma erhält eine Mitarbeiterin eine Kündigung. Der Betriebsrat merkt sofort, dass die Anhörung nicht vollständig war (der Arbeitgeber hatte zwar vor der Kündigung geladen, aber wichtige Gründe nicht genannt). Er erhebt daher rechtzeitig Widerspruch. Im anschließenden Kündigungsschutzprozess betont der Betriebsrat die fehlende Anhörung. Da der Betriebsrat wirksam widersprochen hat, muss die Mitarbeiterin laut § 102 Abs. 5 BetrVG bis zur Entscheidung weiterarbeiten. Der Arbeitgeber erkennt, dass die Kündigung Risiken birgt, und bietet schließlich einen Vergleich mit Abfindung an.
Fallbeispiel 2: Herr Schuster, stellvertretendes Betriebsratsmitglied, erhält die Nachricht, dass sein Arbeitsverhältnis beendet werden soll. Beim Gespräch mit dem Arbeitgeber ahnt er, dass es sich um eine möglicherweise unrechtmäßige Kündigung handeln könnte. Er lädt seine Rechtsabteilung ein und überlegt, welche Rechte sein Betriebsrat hat.
Zuerst vergewissert sich der Betriebsrat, ob er ordnungsgemäß angehört wurde. Vor Gericht stellt sich heraus, dass die Anhörung formal korrekt stattgefunden hat – der Arbeitgeber hatte alle erforderlichen Unterlagen geschickt. Trotzdem erhebt der Betriebsrat intern Bedenken gegen die Kündigung und fasst diese in einem Protokoll zusammen. Herr Schuster und sein Anwalt klären, dass nur er als betroffener Arbeitnehmer klagen kann; der Betriebsrat selbst klagt nicht mit. Der Betriebsrat kann aber den Klageweg unterstützen. Er gibt dem Arbeitsgericht eine Erklärung ab, in der er aus Sicht der Arbeitnehmer argumentiert und zusätzliche Belege bereitstellt (z.B. dass ein Nachfolger eingestellt wurde, obwohl Herr Schuster weiterarbeiten könnte).
Während des Kündigungsschutzverfahrens nimmt Herr Schuster seinen Platz vor Gericht ein, und der Betriebsrat folgt ihm. Das Gericht hört den Betriebsrat als Zeugen: Der Betriebsrat weist darauf hin, dass soziale Belange von Herrn Schuster (Unterhaltspflichten, Lebensalter) in der Sozialauswahl zugunsten von Herrn Schuster ausfallen sollten. Dank dieser Hinweise erwirbt Herr Schuster im Prozess stärkeren Schutz: Das Gericht achtet besonders darauf, ob der Arbeitgeber korrekt die Sozialauswahl begründet hat. Als Ergebnis ziehen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmerin während der Güteverhandlung zurück, um einen Vergleich vorzubereiten.
Fazit: Der Betriebsrat sorgt für faire Verfahrensbedingungen und kann Einfluss nehmen, indem er Fehler der Gegenseite aufdeckt. Er ist Ratgeber und Begleiter, der dem Arbeitnehmer hilft, seine Rechte durchzusetzen. Er selbst wird nicht Kläger, steigert aber durch Widerspruch oder Argumente die Verhandlungsposition des Betroffenen.
5. Was kommt nach dem Urteil? (Weiterarbeit, Abfindung, Ende)
Problem: Arbeitnehmer möchten wissen, wie es nach dem Urteil weitergeht: Müssen sie weiterarbeiten? Bekommen sie Abfindung? Was passiert mit ihrem Arbeitslosengeld?
Analyse: Es gibt zwei grundsätzliche Urteile: Die Klage wird abgewiesen oder stattgegeben. Bei Abweisung bleibt das Arbeitsverhältnis beendet (Kündigung wirksam); das Ende ist dann besiegelt. Bei Stattgabe wird die Kündigung für unwirksam erklärt. Normalerweise muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wieder einstellen – der Arbeitnehmer bekommt Lohn nachgezahlt. Ist die Weiterbeschäftigung unzumutbar, etwa weil das Betriebsklima gestört ist oder eine andere Abteilung gefunden wurde, kommt es auf Antrag der Fortsetzungskündigung zur Auflösung mit Abfindung.
Abfindungen werden oft bereits im Prozess verhandelt. Sprechen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf eine Abfindung ein, kann dies in einem gerichtlichen Vergleich (oder in einem Aufhebungsvertrag) festgehalten werden. Der Arbeitnehmer verzichtet dann auf weitere Ansprüche (z.B. auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses) und erhält die vereinbarte Summe. Die Höhe orientiert sich typischerweise an Faktoren wie Dauer der Betriebszugehörigkeit (zum Beispiel ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Jahr). Nach einem Urteil erhält ein Arbeitnehmer nur eine Abfindung, wenn sie ausdrücklich ausgesprochen wurde.
Rechtliche Einordnung: Bei Auflösung gegen Abfindung folgt das Gericht § 9 KSchG: Es beendet das Arbeitsverhältnis auf Antrag und verurteilt den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung. Wird das Urteil rechtskräftig, kann der Arbeitnehmer – je nach weiterer Planung – Arbeitslosengeld beantragen, sobald das Arbeitsverhältnis tatsächlich aufgelöst wurde. Die Rechtsprechung des BAG gebietet, dass eine Einigung erst erfolgen sollte, wenn beide Seiten wissen, wie das Urteil ausfällt (um über einen fairen Vergleich zu verhandeln).
Fallbeispiel 1: Im Prozess stimmt das Gericht der Klage von Frau Becker zu – ihre verhaltensbedingte Kündigung wurde als unberechtigt erklärt. Das Arbeitsverhältnis besteht fort. Da Frau Becker nach fünf Jahren Betriebszugehörigkeit zügig wieder eingegliedert werden kann, ordnet das Gericht jedoch aufgrund ihrer persönlichen Situation eine Weiterbeschäftigung an. Sie muss also nicht im Job weitermachen, sondern erhält eine Abfindung gemäß § 9 KSchG. Herr Becker erhält das entsprechende Abfindungsangebot und vereinbart die Auszahlung mit dem Arbeitgeber.
Fallbeispiel 2: Im zweiten Beispiel klagt Herr Alt gegen eine betriebsbedingte Kündigung. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass die Sozialauswahl fehlerhaft war und die Kündigung unwirksam ist. Rechtlich bedeutet das, Herr Alt könnte sein früheres Büro wiederbesetzen. Allerdings ist die Beziehung zu seinem Vorgesetzten stark gestört; eine sachliche Zusammenarbeit erscheint schwierig.
Herr Alt beantragt daher im Urteil die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit Abfindung. Das Gericht akzeptiert seinen Antrag: Es löst das Arbeitsverhältnis auf § 9 KSchG und verurteilt den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung. Die Richter berücksichtigen Herrn Alts 7-jährige Betriebszugehörigkeit und legen die Abfindung auf zwei Monatsgehälter fest.
Vor oder während des Prozesses hatten die Parteien bereits Gesprächsbereitschaft gezeigt. Auf Anraten ihres Anwalts einigen sich Herr Alt und der Arbeitgeber schließlich auf einen Vergleich noch vor Urteilsverkündung: Herr Alt verzichtet auf sein Weiterbeschäftigungsrecht, bekommt aber eine höhere Abfindung (drei Monatsgehälter). Nach dem Urteilsspruch unterzeichnen beide den Vergleich. Damit endet das Arbeitsverhältnis endgültig zum vereinbarten Termin, und Herr Alt erhält die vereinbarte Entschädigung.
Fazit: Das Ergebnis eines Kündigungsschutzverfahrens entscheidet, ob das Arbeitsverhältnis weitergeführt wird oder endet. Bei Ungerechtfertigter Kündigung bekommt der Arbeitnehmer weiterhin Lohn oder (bei unzumutbarer Fortsetzung) eine Abfindung zugesprochen. Andernfalls bleibt die Kündigung wirksam. In jedem Fall sollten Arbeitnehmer das Urteil genau prüfen und im Falle einer ungünstigen Entscheidung über Einspruch oder weitere Schritte nachdenken. Beratungsangebote durch Anwälte oder Arbeitnehmervertretungen können hier sehr hilfreich sein.