Aufhebungsvertrag im Arbeitsrecht: Alles was Sie wissen müssen.
Ein Aufhebungsvertrag (auch Auflösungsvertrag genannt) ist ein gängiges Mittel, um ein Arbeitsverhältnis aufeinander abgestimmt zu beenden. Arbeitgeber wie Arbeitnehmer können so flexibel den Austrittstermin, eine Abfindungszahlung oder andere Konditionen verhandeln. Für Beschäftigte ist das wichtig, weil die gesetzliche Kündigung oft langwierige Fristen und viel Prozessrisiko bedeuten kann. Ein Aufhebungsvertrag vermeidet diese Risiken, birgt aber neue Fallstricke – etwa Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld oder den Verlust von Kündigungsschutz. Wir erklären hier umfassend, was ein Aufhebungsvertrag bedeutet, welche Regeln gelten und worauf Sie achten müssen. Am Ende weisen wir auf unsere weiterführende Beratung hin, die Ihnen bei der Beurteilung eines konkreten Angebots hilft.
Meta-Description (Einleitung): Was bedeutet ein Aufhebungsvertrag im Arbeitsrecht, welche Regeln gelten, und was sollten Arbeitnehmer dabei beachten? Verständliche Einführung für Beschäftigte.
Kurzdefinition und rechtliche Einordnung
Ein Aufhebungsvertrag ist ein schriftlicher Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Er ist kein einseitiges Kündigungsschreiben, sondern eine gegenseitige Vereinbarung. Die Parteien können dabei alle Bedingungen frei bestimmen. Rechtsvorschriften wie das Kündigungsschutzgesetz verbieten keine einvernehmliche Beendigung. Trotzdem muss ein Aufhebungsvertrag aus Gründen der Rechtssicherheit die Schriftform einhalten. Er stellt keine gesetzliche Leistung (wie eine reguläre Kündigung mit Sozialplan) dar, sondern beruht auf Vertragsfreiheit. Das bedeutet: Praktisch sind bei einem wirksamen Aufhebungsvertrag keine besonderen gesetzlichen Schutzvorschriften zu beachten, anders als bei einer Kündigung. Vereinfacht gesagt ist der Aufhebungsvertrag das „Wegkaufen“ des Arbeitsverhältnisses durch gegenseitige Zustimmung.
Unterschied zur Kündigung
Kurzfassung: Eine Kündigung ist einseitig, gesetzlich geregelt und benötigt Fristen; ein Aufhebungsvertrag ist freiwillig und flexibel.
Bei einer ordentlichen Kündigung spricht der Arbeitgeber (oder seltener der Arbeitnehmer) einseitig das Ende des Arbeitsverhältnisses aus und muss dabei gesetzliche Kündigungsfristen einhalten (§ 622 BGB). Dagegen basiert ein Aufhebungsvertrag auf gegenseitiger Einigung. Er kann jederzeit geschlossen werden, ohne dass Kündigungsfristen gelten. Wer unterschreibt, verliert den formellen Kündigungsschutz – etwa den besonderen Schutz schwangerer Frauen oder von Schwerbehinderten – denn er stimmt seiner „Entlassung“ selbst zu.
Ein weiterer Unterschied ist die Unterstützung durch den Betriebsrat: Bei einer Kündigung muss der Arbeitgeber den Betriebsrat anhören (§ 102 BetrVG). Bei einem Aufhebungsvertrag besteht diese Pflicht nicht. Das heißt: Betriebsrat und Gerichte prüfen nicht vorher die Gründe, und Arbeitnehmer können keine Einwände aus der Kündigungsschutzpraxis nutzen. Positiv gesehen ermöglicht ein Aufhebungsvertrag oft den sofortigen Stellenwechsel oder eine Abfindung, negative Aspekte sind das fehlende schutzrechtliche Auffangnetz und oft das schnelle Ende des Arbeitsverhältnisses mit vorübergehendem Einkommensausfall.
Voraussetzungen und Formvorschriften
Kurzfassung: Ein Aufhebungsvertrag kann jederzeit einvernehmlich geschlossen werden. Er erfordert zwingend Schriftform (§ 623 BGB). Anders als bei einer Kündigung sind keine Fristen einzuhalten, und bedingte Aufhebungsabreden sind unzulässig.
Damit ein Aufhebungsvertrag wirksam wird, müssen beide Parteien zustimmen – eine erzwungene Einigung gibt es nicht. Zudem verlangt § 623 BGB, dass der Vertrag schriftlich abgefasst und von beiden Seiten unterschrieben sein muss. Ein Handschlag oder eine mündliche Abmachung genügt nicht. Die Schriftform dient der Rechtssicherheit und erleichtert die spätere Durchsetzung der Vereinbarungen. Im Gegensatz zur Kündigung muss kein gesetzlicher Kündigungsschutz beachtet werden, doch dürfen keine Umgehungen statthaben – etwa dürfen Arbeitnehmer nicht per bedingtem Aufhebungsvertrag fristlos gegangen werden, um Schutzregeln zu umgehen (solche Klauseln sind rechtswidrig).
Da es sich um eine Formulierung einer Vereinbarung handelt, ist ein Aufhebungsvertrag in der Regel als Formularvertrag anzusehen (siehe aktuelle Rechtsprechung). Daher unterliegen seine Klauseln der Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB. Eine „Bedenkzeit“-Klausel aus Tarifverträgen kann dem Arbeitnehmer eine Frist einräumen. Eine pauschale Widerrufsklausel (Widerruf des Vertrages wie bei Verbraucherverträgen) ist jedoch unwirksam, da es kein Widerrufsrecht (§ 355 BGB) für Arbeitsverträge gibt. Auch darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht widerrechtlich unter Druck setzen – geschieht dies (z.B. mit einer unzulässigen Drohung), kann der Vertrag unter Umständen angefochten werden (siehe unten).
Beteiligung des Betriebsrats
Kurzfassung: Für einen Aufhebungsvertrag ist grundsätzlich keine Mitbestimmung des Betriebsrats erforderlich. Anders als bei einer Kündigung muss der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht hören.
Ob ein Betriebsrat vor Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu beteiligen ist, hängt von den Mitbestimmungsregeln des Betriebsverfassungsgesetzes ab. § 102 BetrVG fordert nur die Anhörung vor einer Kündigung, nicht vor einem Aufhebungsvertrag. Praktisch heißt das: Der Betriebsrat hat kein Vetorecht gegen einen vorgeschlagenen Aufhebungsvertrag und muss auch nicht per se zustimmen. Im Arbeitsverhältnis ändert sich also nichts an den üblichen Rechten – der Betriebsrat kann den Vorschlag kritisch begleiten, aber ein formelles Mitbestimmungsrecht besteht nicht.
Allerdings gibt es eine Besonderheit: Gemäß § 82 Abs. 2 BetrVG kann ein einzelnes Betriebsratsmitglied auf Wunsch des betroffenen Arbeitnehmers zu Verhandlungen hinzugezogen werden. Kommt der Arbeitnehmer allein zum Gespräch und fühlt sich überrumpelt, kann er also ein Ratsmitglied hinzuholen lassen. In der Praxis kann es ratsam sein, den Betriebsrat zumindest darüber zu informieren oder um Rat zu fragen – vor allem wenn mehrere Mitarbeiter betroffen sind oder ein Sozialplan existiert. Fehlt jegliche Betriebsratsbeteiligung in einer Belegschaft mit Gremium, sollten Betroffene besonders wachsam sein, weil ihnen beim Aufhebungsvertrag wichtige Mitspracherechte entgehen.
Inhalte eines Aufhebungsvertrags
Kurzfassung: Die Vertragsparteien können den Inhalt frei gestalten: Typische Punkte sind der Beendigungszeitpunkt, eine Abfindung, Regelungen zu Restansprüchen (Lohn, Urlaub), Freistellung, Zeugnis oder Konkurrenzklauseln. Sehr wichtig ist, dass alle Abreden klar schriftlich fixiert sind.
Im Kern bestimmt ein Aufhebungsvertrag das Ende des Arbeitsverhältnisses (§ Beendigungstag). Er kann sofort oder mit Verspätung (sogar rückwirkend) wirksam werden. Die Parteien haben dabei große Gestaltungsfreiheit. Alle ausstehenden Lohn- und Urlaubsansprüche sollten geregelt oder ausbezahlt werden. Weitere übliche Inhalte sind:
- Abfindung: Häufig vereinbaren Arbeitgeber eine Abfindung als Ausgleich für die vorzeitige Beendigung. Hierzu gibt es keinen gesetzlichen Anspruch, aber oft einen verhandelbaren Bonus. Die Höhe orientiert sich z.B. an Betriebszugehörigkeit oder Tarifzuschussregeln.
- Zeugnis: Ein gutes qualifiziertes Arbeitszeugnis wird meist vertraglich zugesichert. Einen Rechtsanspruch darauf gibt es ohnehin, doch lässt sich im Aufhebungsvertrag ein wohlwollender Wortlaut festlegen. Wie Kanzlei-Experten erklären, „eine Chance … für ein qualifiziertes Zeugnis zu verhandeln“, die im normalen Kündigungsschreiben fehlt.
- Freistellung: Oft wird vereinbart, dass der Arbeitnehmer bis zum Vertragsende (oder einem bestimmten Datum) von der Arbeit freigestellt ist. Vereinbaren die Parteien dies explizit, besteht für den Arbeitnehmer Kündigungsschutz bis zum Austrittsdatum.
- Schlussrechnung: Offene Ansprüche (letzte Gehaltszahlung, Urlaubsgeld, Überstundenvergütung) werden im Vertrag endgültig bereinigt.
- Sonstige Vereinbarungen: Manchmal enthalten Aufhebungsverträge auch Vertraulichkeitsklauseln, Konkurrenzverbote (inklusive Ausgleichszahlung) oder einen wechselseitigen Verzicht auf Klage (Klageverzicht). Solche Standardklauseln müssen fair und transparent sein, da sie sonst unwirksam sein können.
Jedes Detail sollte klar formuliert sein – ein im Nachhinein strittiger Punkt (z.B. Höhe der Abfindung oder Freistellung) kann sonst teuer werden. Wie eingangs erwähnt, entfallen mit dem Vertragspflichten die normalen Kündigungsfristen und Schutzvorschriften. Das ermöglicht dem Arbeitnehmer etwa, sofort zu einem neuen Job zu wechseln, sollte aber gut abgewogen werden.
Vorteile und Risiken für Arbeitnehmer
Kurzfassung: Für den Arbeitnehmer kann ein Aufhebungsvertrag Zeitvorteile, eine Abfindung und ein besseres Arbeitszeugnis bringen. Gefährlich sind der Wegfall von Kündigungsschutz, mögliche Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld und die fehlende Rücktrittsmöglichkeit.
Vorteile: Ein Aufhebungsvertrag kann erheblich mehr Planungsspielraum bieten als eine herkömmliche Kündigung. Arbeitnehmer können das Austrittsdatum frei festlegen – etwa ihren Arbeitseintritt bei einer neuen Firma darauf abstimmen. Vor allem aber kann man in einem AWV eine Abfindung aushandeln, die bei einer bloßen Kündigung oft niedriger oder gar nicht gezahlt wird. Die Erfahrung zeigt: Wer früh mit dem Arbeitgeber verhandelt, kann „bei der Gelegenheit … eine Abfindung ausverhandelt werden“ und so einen finanziellen Puffer gewinnen. Außerdem lässt sich ein positives Arbeitszeugnis und eine vollständige Freistellung regeln, was im Falle einer Kündigung kaum beeinflussbar ist. Ein weiterer Vorteil zeigt sich, wenn eine Kündigung bevorsteht: Beim Aufhebungsvertrag muss kein Kündigungsgrund dokumentiert werden. Arbeitnehmer, denen wegen Fehlverhaltens gekündigt werden sollte, können so den Schaden für den Lebenslauf minimieren, indem kein negatives Kündigungsurteil vorliegt.
Risiken: Demgegenüber ist der Verlust sozialer Schutzrechte erheblich. Alle speziellen Kündigungsschutzvorschriften (etwa für Schwangere, Schwerbehinderte oder Betriebsratsmitglieder) gelten bei einem AWV nicht. Man „stimmt hier selbst seiner Entlassung zu“, wodurch diese Schutzrechte entfallen. Außerdem besteht beim AWV keine Kündigungsfrist: Arbeitnehmer können theoretisch von einem Tag auf den anderen vor die Tür gesetzt werden. Praktisch bedeutet das oft: Keine Übergangszeit für die Suche eines neuen Jobs, Gehaltsausfall und im schlimmsten Fall Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld. Die Arbeitsagentur verhängt nach § 159 SGB III für gewöhnlich eine 12-wöchige Sperrzeit, wenn der Arbeitnehmer freiwillig das Arbeitsverhältnis beendet. Erstere wird z.B. verhängt, weil man „die Arbeitslosigkeit selbst verschuldet hat“ – was bei eigenmächtiger Vertragskündigung oder AWV angenommen wird. Die Folge ist ein temporärer kompletter Wegfall des ALG-I-Bezugs.
Hinzu kommt: Einmal unterzeichneter Aufhebungsvertrag lässt sich kaum wieder revidieren – es gibt in der Praxis “kein Zurück”. Einziger Ausweg ist oft nur die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung (siehe unten) oder der Rücktritt bei Nichterfüllung (z.B. wenn die Abfindung nicht gezahlt wird). Ohne solch gravierende Umstände läuft man Gefahr, dauerhaft auf dem Abschluss sitzen zu bleiben. Insgesamt überwiegen also oft die Nachteile für Arbeitnehmer – wie Anwälte betonen: Ein Aufhebungsvertrag sei „fast nie für den Arbeitnehmer vorteilhaft“, es sei denn, er hat längst eine neue Stelle in der Tasche.
Rücktritt, Widerruf und Anfechtung
Kurzfassung: Nach Unterzeichnung sind Aufhebungsverträge grundsätzlich bindend und nicht widerrufbar. Ausnahmen bestehen nur bei schwerwiegenden Mängeln: arglistiger Täuschung, widerrechtlicher Drohung oder unklarer Vertragsgrundlagen. In manchen Fällen kann ein Rücktrittsrecht bestehen (z.B. bei Nichtzahlung der Abfindung).
Ist ein Aufhebungsvertrag erst einmal unterschrieben, gibt es kein einfaches Rücktrittsrecht wie bei Haustürgeschäften oder im Fernabsatz. Das BAG hat ausdrücklich klargestellt, dass § 355 BGB nicht anwendbar ist – Arbeitnehmer können also nicht einfach binnen Wochen den Vertrag „widerrufen“. Eine Ausnahme stellt höchstens ein tariflicher Widerrufsvorbehalt (z.B. 3 Tage Bedenkzeit nach Tarifvertrag) dar, sofern dieser beim Vertragsschluss nicht abgeändert wurde. In der Regel bleibt aber der Vertrag gültig.
Anfechtung: Rechtsgrundlage ist hier § 123 BGB. Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch widerrechtliche Drohung (etwa unberechtigte Kündigungsdrohung) oder durch arglistige Täuschung zum Abschluss gedrängt, kann der Arbeitnehmer den Vertrag anfechten. BAG und Gerichte sind hier streng: Beispielsweise können fingierte Behauptungen oder ungerechtfertigte Druckszenarien (§ 123 BGB) den Vertrag nichtig machen. Auch ein Irrtum über Vertragsinhalt (§ 119 BGB) käme in Frage, wenn z.B. wichtige Vertragsbestandteile unklar waren.
Rücktritt: Neben der Anfechtung kann manchmal ein Rücktrittsrecht greifen. Ein klassisches Beispiel ist, wenn der Arbeitgeber vertraglich eine Abfindung oder Ausgleichszahlung zusagt und dann nicht zahlt. Nach § 323 BGB kann der Arbeitnehmer dann vom Vertrag zurücktreten (unter Voraussetzung angemessener Nachfristsetzung). Achtung: In der Insolvenz des Arbeitgebers ist ein Rücktritt meist ausgeschlossen. Auch eine Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) kann zum Rücktritt berechtigen, wenn sich zentrale Umstände grundlegend ändern.
Widerruf: Ein gesetzlichen Widerrufsrecht (wie bei Kaufverträgen oder Haustürgeschäften) gibt es bei Arbeitsverträgen nicht. Verträge zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern werden wie normale privatrechtliche Vereinbarungen behandelt – es gilt also: keine allgemeine Rücktrittsmöglichkeit ohne wichtigen Grund.
Tipps zur Verhandlung
Kurzfassung: Gehen Sie gut vorbereitet in Verhandlungen. Holen Sie rechtzeitig Rat ein und machen Sie Ihre Wünsche klar. Bitten Sie um Anwaltshilfe, legen Sie realistische Abfindungsforderungen fest und schützen Sie sich etwa durch einen angemessenen Austrittszeitpunkt.
Wenn Ihnen ein Aufhebungsvertrag angeboten wird, sollten Sie ihn niemals unüberlegt sofort unterschreiben. Informieren Sie sich zuerst genau über Ihre Rechte und prüfen Sie das Angebot mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht. Experten raten, den AWV „stets von einem Fachanwalt … überprüfen“ zu lassen, denn er ist „fast nie für den Arbeitnehmer vorteilhaft“. Eine erste kostenlose Ersteinschätzung nutzen Sie idealerweise noch vor der Unterschrift.
Inhaltlich gilt: Verhandeln Sie nur auf Augenhöhe. Machen Sie Ihre Bedürfnisse klar, z.B. nachfolgendes Gehaltssichern oder eine höhere Abfindung. Prüfen Sie jede Klausel sorgfältig – insbesondere, ob Sie umfassend über Konsequenzen aufgeklärt wurden oder ob es unzulässigen Druck gab. Bitten Sie darum, das offizielle Austrittsdatum möglichst in die Zukunft zu legen, um Ihre Gehaltszahlung fortzuführen. Wie Pöppel-Rechtsexperten empfehlen, verschieben Sie den Vertragsende-Termin zumindest bis zum Ablauf der gewohnten Kündigungsfrist; so bleiben Sie länger bezahlt und mindern Sperrzeiten-Risiken.
Nutzen Sie außerdem Unterstützungsangebote: Ein Betriebsratsmitglied oder die Gewerkschaft kann Sie beraten. Besteht eine Rechtsschutzversicherung, prüfen Sie, ob sie Beratungskosten für AWV-Verhandlungen übernimmt. Außerdem kann ein schnelles neues Stellenangebot Ihre Verhandlungsmacht stärken. Bleiben Sie sachlich und dokumentieren Sie alles Schriftlich.
Beispiele aus der Praxis
Beispiel 1 (kurz): Frau A. ist seit vielen Jahren in Vollzeit angestellt und hat eine neue Stelle gefunden. Da in ihrem Vertrag aber eine 3-monatige Kündigungsfrist steht, verhandelt sie einen Aufhebungsvertrag. Im AWV vereinbart ihr Chef, dass sie sofort freigestellt wird und eine Abfindung von zwei Monatsgehältern erhält. Dadurch kann Frau A. direkt beim neuen Arbeitgeber anfangen. Nachteilig ist: Sie bekommt eine 12-wöchige Sperrzeit beim Arbeitslosengeld, weil sie die Arbeitslosigkeit freiwillig herbeiführte. Wäre sie gekündigt worden, wäre die Sperrzeit ähnlich – jedoch hätte eine Kündigung noch Schutz durch KSchG geboten, was im AWV entfällt.
Beispiel 2 (ausführlich): Herr B. arbeitet in einem mittelständischen Unternehmen und steht wegen betriebsbedingter Veränderungen unter Druck. Sein Arbeitgeber vermutet, dass bald Personalanpassungen nötig sind, hat aber (noch) keine fristgerechte Kündigung ausgesprochen. Im Gespräch bietet der Personalleiter Herrn B. einen Aufhebungsvertrag an, um Unsicherheit abzuwenden. Der Vertrag sieht vor: Das Arbeitsverhältnis endet in zwei Wochen, Herr B. erhält eine Abfindung in Höhe von 1,5 Bruttomonatsgehältern sowie ein wohlwollendes Arbeitszeugnis. Herr B. soll seine Resturlaubstage sofort ausgezahlt bekommen und ab nächster Woche freigestellt sein. Da Herr B. sich Sorgen um seine Familie macht und schnell eine neue Stelle braucht, unterschreibt er den Vertrag. Erst danach erfährt er, dass der Arbeitgeber eigentlich gar keine Eile hatte (es gab keine akute Kündigungsdrohung) und dass der Betriebsrat nicht einmal informiert wurde. Nun beginnt Herr B. als arbeitslos gemeldeter Person die Agentur über seine Abfindung informieren zu müssen. Wegen seiner einvernehmlichen Vertragsbeendigung verhängt die Behörde eine Sperrzeit von 12 Wochen (SGB III §159). Herr B. kann den Vertrag wegen der starken Nötigung (Androhung einer angenommenen Kündigung) anfechten, doch ohne rechtlichen Beistand zögert er und lässt den AWV zunächst gelten. Sein Nachteil ist, dass er auf den Kündigungsschutz verzichtet hat und nun eine Lücke im Lebenslauf erklären muss. Hätte Herr B. vor Unterzeichnung einen Anwalt eingeschaltet, wäre möglicherweise eine höhere Abfindung oder ein späteres Enddatum ausgehandelt worden.
Aktuelle Rechtsprechung
Kurzfassung: Gerichte haben zum Aufhebungsvertrag wichtige Grundsätze entwickelt: Nach dem BAG ist ein AWV kein Vertrag mit Widerrufsrecht. Zudem prüfen Richter Standardklauseln auf ihre Fairness. Beispielsweise hielt das BAG 2016 bestimmte »Klageverzicht«-Klauseln für unwirksam, wenn der AWV unter illegalem Druck zustande kam. 2024 entschied das BAG zudem, dass Aufhebungsverträge als Formularverträge gelten, deren Klauseln nach den AGB-Regeln auszulegen sind.
- Kein Widerruf: Das BAG stellte (6 AZR 75/18, 2019) klar, dass Arbeitnehmer §355 BGB nicht auf Arbeitsverträge anwenden können. Ein einmal unterschriebener Aufhebungsvertrag kann also nicht einfach wie ein Kaufvertrag widerrufen werden.
- Fairnessgebot: Beim Abschluss gelten die üblichen AGB-Kontrolle. In einem Leitsatz (6 AZR 82/14, 2016) betonte das BAG, dass Klauseln zum Verzicht auf eine Klage sittenwidrig sein können, wenn der Arbeitgeber mit ungerechtfertigter Kündigung gedroht hat. Dies verdeutlicht: Wenn ein Aufhebungsvertrag unter „widerrechtlicher Drohung“ zustande kam, kann er unwirksam sein.
- Formularvertragsgrundsatz: Sehr aktuell (3 AZR 40/24, 2024) entschied das BAG, dass ein Aufhebungsvertrag als Formularvertrag zu behandeln ist. Damit unterliegt er den §§ 305 ff. BGB: Unklare oder überraschende Klauseln sind unwirksam. Dieses Urteil stärkt Arbeitnehmerrechte, da Gerichte Standard-Formulierungen besonders kritisch prüfen.
Daneben finden sich in der Rechtsprechung zahlreiche Einzelfallentscheidungen etwa zu Berechnung von Abfindungen, Rangfolgen im Insolvenzfall und zur Verteilung von Freistellungszeiten. Wer einen konkreten Aufhebungsvertrag prüft, sollte daher aktuelle Urteile beachten – wir helfen mit unseren Musterklauseln und Einzelfallanalysen.
Relevante Rechtsnormen
Wichtige Gesetze und Vorschriften rund um den Aufhebungsvertrag sind:
- § 623 BGB – verlangt die Schriftform für Aufhebungsverträge (Sonst sind sie unwirksam).
- § 1a KSchG – regelt den Schutzumfang und das Kriterium der Betriebsgröße (hier: Kündigungsschutz erst nach 6 Monaten). Dieser Paragraf gilt nur für reguläre Kündigungen; ein Aufhebungsvertrag kann ihn faktisch umgehen.
- § 159 SGB III – regelt die Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I; sie greift bei Eigenkündigung oder Aufhebungsvertrag ohne wichtigen Grund.
- §§ 119, 123 BGB – ermöglichen die Anfechtung eines Vertrages bei Irrtum (§119) oder widerrechtlicher Drohung (§123).
- § 102 BetrVG – verpflichtet den Arbeitgeber, den Betriebsrat vor jeder Kündigung anzuhören. Diese Pflicht gilt nicht beim Aufhebungsvertrag.
- §§ 134, 138 BGB – setzen Grenzen: Ein sittenwidrig mit übermäßigem Druck erzwungener AWV ist nichtig.
- §§ 305 ff. BGB (AGB-Regelungen) – Anwendung ab dem BAG-Urteil 2024: Aufhebungsverträge gelten als Formularverträge und unterliegen daher der Inhaltskontrolle.
Daneben können Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen zusätzliche Regeln enthalten (z.B. Betätigung eines Widerrufsrechts oder Sozialplan-Abfindungen). Auch das allgemeine Arbeitsgesetz (ArbGG) sollte beachtet werden, falls der Vertrag vor Gericht streitig wird.
FAQ zum Aufhebungsvertrag
Frage 1: Was ist der Unterschied zwischen einem Aufhebungsvertrag und einer Kündigung?
Einleitung: Arbeitnehmer fragen sich oft, ob ein Aufhebungsvertrag für sie besser ist als eine formelle Kündigung. Beide enden das Arbeitsverhältnis, doch sie funktionieren ganz verschieden. In diesem Abschnitt klären wir den Unterschied kompakt.
Analyse: Bei einer Kündigung wird das Arbeitsverhältnis einseitig beendet – meist durch den Arbeitgeber mit gewissen Gründen. Dabei gilt gesetzlicher Kündigungsschutz und längere Fristen. Der Arbeitnehmer kann eine Kündigung vor Gericht anfechten. Ein Aufhebungsvertrag hingegen ist eine gegenseitige Vereinbarung: Beide Parteien einigen sich auf das Ende zu einem bestimmten Termin. Während bei der Kündigung die üblichen Sozialschutzvorschriften greifen, entfallen diese beim Aufhebungsvertrag, weil der Arbeitnehmer seine Zustimmung gibt. Dafür kann der AWV flexibler sein: Es gibt keine einzuhaltende Kündigungsfrist, Sie können sofort gehen und beispielsweise eine Abfindung vereinbaren.
Rechtliche Einordnung: Rechtlich unterliegt die Kündigung strengen Regelungen (Kündigungsschutzgesetz, § 102 BetrVG etc.). Der Aufhebungsvertrag ist ein privatrechtlicher Vertrag ohne eigene Schutznormen. Entscheidend ist: Kündigung = einseitiger, gesetzlich geregelter Akt. Aufhebungsvertrag = beidseitige Übereinkunft, die nur die Schriftform (§ 623 BGB) vorschreibt. Bei Kündigung gerät ggf. die Wirksamkeit wegen Fristfehlern oder Sozialauswahl ins Gerede. Beim AWV geht es dagegen um die Wirksamkeit als Vertrag (§§ 119,123 BGB bei Anfechtung).
Beispiel 1: Arbeitnehmer X kündigt seinen Job aus gesundheitlichen Gründen – er nutzt die reguläre Kündigungsfrist und erhält weiterhin Krankengeld. Mit seinem Chef vereinbart er weder Abfindung noch sofortiges Ausscheiden. Arbeitnehmer Y hingegen schließt mit dem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag ab, um vorzeitig nach einer neuen Stelle zu suchen. Er erhält eine Abfindung und sofortige Freistellung. Bei Y entfällt der Kündigungsschutz, und er muss das Arbeitslosengeld neu melden.
Beispiel 2: Stellen Sie sich vor, Frau M. ist Mitarbeiterin in einer Verwaltung. Sie bekommt ein Angebot für eine neue Stelle mit kürzerer Frist. Statt formell zu kündigen, bittet sie um einen Aufhebungsvertrag. Der Arbeitgeber ist einverstanden: Das Arbeitsverhältnis endet sofort, Frau M. erhält eine Abfindung. Vorteil: Frau M. kann direkt zu ihrer neuen Tätigkeit wechseln, ohne die Kündigungsfrist abzuwarten. Nachteilig ist: Mit dem Aufhebungsvertrag verzichtet sie auf Kündigungsschutz – mögliche Ansprüche gegen eine ungerechtfertigte Kündigung kann sie später nicht mehr geltend machen. Außerdem meldet sie sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos, weil es de facto keiner Kündigung bedarf. Eine Sperrzeit nach § 159 SGB III tritt ein, da die Agentur annimmt, sie habe ihre Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt. Hätte Frau M. gekündigt, hätte sie länger Gehalt bekommen (bis Fristende) und könnte eventuell weiterarbeiten, falls ihre Kündigungsschutzklage Erfolg hätte. So zeigt das Beispiel: Kündigung bietet mehr Schutz, ein Aufhebungsvertrag mehr Flexibilität.
Fazit: Eine Kündigung ist für Arbeitnehmer formal und rechtlich sicherer – sie wird einseitig ausgesprochen und ermöglicht den Schutz eines Arbeitsgerichts. Der Aufhebungsvertrag ist dagegen eine freiwillige Gestaltungslösung, die Arbeitnehmern schnelle Freiheiten (z.B. sofortige Ablösung, Abfindung) bietet, aber den Verzicht auf Kündigungsschutz und oft auch ALG-Leistungspflicht bedeutet. Arbeitnehmer müssen also abwägen, ob sie kurzfristige Vorteile (flexibler Ausstieg, Abfindung) dem Wegfall sozialer Absicherung vorziehen. In jedem Fall sollte vor Vertragsabschluss geprüft werden, welche Folgen der Verzicht auf Kündigungsschutz und Kündigungsfrist hat.
Frage 2: Wer muss beim Aufhebungsvertrag mitentscheiden – Brauche ich die Zustimmung des Betriebsrats?
Einleitung: Viele Beschäftigte fragen sich, ob der Betriebsrat in die Aufhebungsverhandlung einbezogen werden muss. Anders als bei Kündigungen besteht hier oft Unsicherheit. Dieser Abschnitt klärt, welche Mitbestimmungsrechte der Betriebsrat hat und welche nicht.
Analyse: Nach den Mitbestimmungsregeln des Betriebsverfassungsgesetzes (§ 102 BetrVG) muss der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Kündigung anhören. Ein Aufhebungsvertrag ist jedoch keine Kündigung, sondern eine freiwillige Vereinbarung. Daher ist der Betriebsrat grundsätzlich nicht zu beteiligen. Eine offizielle Zustimmung gibt es nicht – der Betriebsrat kann einen AWV nicht verhindern. Ein Arbeitnehmer kann aber gemäß § 82 BetrVG verlangen, dass ein Betriebsratsmitglied zu Verhandlungen hinzugezogen wird. Das heißt: Wenn Sie das möchten, kann ein Kollege aus dem Betriebsrat dabei sein – der Arbeitgeber ist jedoch nicht verpflichtet, dies von sich aus anzubieten. Wichtig ist, dass ohne Betriebsratsanhörung mögliche Einwände (etwa zu den Arbeitsbedingungen) nicht geäußert werden. In der Praxis sollten Arbeitnehmer ihren Betriebsrat aber informieren und um Rat fragen – vor allem wenn mehrere Mitarbeiter betroffen sind oder ein Sozialplan vorliegt.
Rechtliche Einordnung: Formal wird in § 102 BetrVG nur die Anhörung bei Kündigungen geregelt; für einen Aufhebungsvertrag gibt es keine entsprechende Bestimmung. Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim AWV ins Leere läuft – er hat nur die Rolle eines Beraters auf Wunsch.
Fallbeispiel 1: Herr K. arbeitet in einer Firma mit Betriebsrat. Er soll einen Aufhebungsvertrag unterschreiben. Der Betriebsrat wird diesmal nicht angehört – er ist beim AWV nicht zwingend mit im Boot. Ein Betriebsratskollege steht Herrn K. aber auf Wunsch beratend zur Seite. Im Unterschied dazu würde bei einer Kündigung der Betriebsrat zwingend angehört und könnte Einwände vorbringen. Durch den Wegfall dieses Mitspracherechts erfuhr Herr K. nicht von internen Absprachen, die vielleicht gegen ihn gerichtet waren.
Fallbeispiel 2: Angenommen, Frau S. (Betriebsratsmitglied) soll das Werk verlassen. Ihr Arbeitgeber kündigt ab, doch sie lehnt die Kündigungsschutzklage ab und will zu einem neuen Job wechseln. Daher setzt sie auf einen Aufhebungsvertrag. Als Mitglied des Betriebsrats weiß sie, dass er bei Kündigungen angehört werden muss – beim AWV ist der Arbeitgeber dem jedoch nicht verpflichtet. Der Personalchef informiert den Betriebsrat deshalb nicht von sich aus. Frau S. fordert schließlich ein anderes Betriebsratsmitglied hinzu, weil § 82 BetrVG dies erlaubt. Während der Verhandlung sitzt nun ein Kollege daneben. Trotzdem erfährt Frau S. keine weiteren Betriebsratspositionen oder Gegenargumente zu ihrer Entlassung – der Betriebsrat verfügt beim AWV lediglich über Beratungsrechte, nicht über ein Entscheidungs- oder Vetorecht. Nach Vertragsabschluss kann der Betriebsrat den AWV nicht rückgängig machen. Fakt ist: Im Beispiel nutzt Frau S. zwar einen Betriebskollegen zur Beratung, hatte aber letztlich denselben Endpunkt wie ohne Betriebsratsbeteiligung – sie verlässt die Firma einvernehmlich.
Fazit: Bei einem Aufhebungsvertrag haben Sie als Arbeitnehmer grundsätzlich keine formale Beteiligung des Betriebsrats. Eine zwingende Zustimmung oder Anhörung gibt es nicht – anders als bei einer Kündigung. Das bedeutet jedoch nicht, dass Sie den Betriebsrat nicht einbinden sollten: Er kann Sie rechtlich beraten oder unterstützen, wenn Sie dies möchten. Besonders in verfahrenen Situationen oder bei Massenentlassungen kann ein Hinweis des Betriebsrats auf Arbeitsrechtliches helfen. Juristisch bleibt der AWV aber ein privates Arrangement zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer – der Betriebsrat spielt nur auf Ihren Wunsch hin eine Rolle.
Frage 3: Droht beim Arbeitslosengeld I immer eine Sperrzeit, wenn ich einen Aufhebungsvertrag unterschreibe?
Einleitung: Ein großes Risiko eines Aufhebungsvertrags ist die mögliche Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I. Viele Arbeitnehmer wissen nicht genau, wann sie Geldleistungen verlieren. Wir erklären, wann eine Sperrzeit nach § 159 SGB III eintritt und wann nicht.
Analyse: Grundsätzlich wird eine Sperrzeit verhängt, wenn Sie Ihre Arbeitslosigkeit selbst herbeiführen. Nach § 159 Abs. 1 SGB III wird eine zwölfwöchige Sperrzeit fällig, wenn Sie „ohne wichtigen Grund“ kündigen oder einen Aufhebungsvertrag abschließen. Mit anderen Worten: Entscheiden Sie sich freiwillig für die Beendigung, gilt dies meist als selbstverschuldet. Das Arbeitsamt geht davon aus, dass Sie ohne externen Grund arbeitslos geworden sind. Ausnahmen gibt es nur bei wichtigem Grund: Zum Beispiel wenn Ihnen sonst eine rechtswidrige Kündigung gedroht hat, Sie gemobbt werden, oder erhebliche Gründe im Gesundheitsbereich vorliegen. In solchen Fällen müssen Sie das der Agentur nachweisen. Möglich ist auch eine vorherige „Vorabgenehmigung“ der Arbeitsagentur: Sie können dort Ihr Vorhaben schildern und um Zustimmung zur Beendigung bitten, um die Sperrzeit zu vermeiden.
Rechtliche Einordnung: Gesetzlich zielt § 159 SGB III darauf ab, unüberlegte Eigenkündigungen zu sanktionieren. Der Bundesgerichtshof und BAG haben bestätigt, dass ein Aufhebungsvertrag regelmäßig wie eine Eigenkündigung behandelt wird, sofern keine besonderen Gründe vorliegen. Ein Sperrzeitanspruch beginnt mit dem Tag nach der im Vertrag festgelegten Beendigung. Das heißt: Sie erhalten erst nach Ablauf der 12 Wochen wieder ALG I.
Fallbeispiel 1: Angenommen, Herr L. schließt einen Aufhebungsvertrag, weil er einen neuen Job gefunden hat, ohne vorher eine Kündigung eingereicht zu haben. Er erhält sofort ein Ende-Arbeitsverhältnis. Bei der Arbeitsagentur meldet er sich arbeitslos. In der Regel wird nun § 159 SGB III angewandt: Da Herr L. seine Arbeitslosigkeit selbst herbeiführte, verhängt die Agentur eine Sperrzeit von 12 Wochen. Erst danach zahlt sie ALG I. Hätte er vorher die Genehmigung der Agentur eingeholt, hätte er sich die Sperre möglicherweise ersparen können.
Fallbeispiel 2: Frau N. befindet sich in einem toxischen Arbeitsverhältnis und kämpft mit Mobbing. Ihr Arzt bescheinigt eine psychische Erkrankung. Als der Chef ihr einen Aufhebungsvertrag anbietet, unterschreibt sie in der Hoffnung auf Besserung. Nach zwei Wochen meldet sie sich arbeitslos. Die Agentur setzt § 159 SGB III ein und verhängt zunächst eine Sperrzeit, da Frau N. zwar aus gesundheitlichen Gründen, aber eigentlich freiwillig ging. Frau N. legt Widerspruch ein und weist ausführlich ihre psychischen Beschwerden nach. Sie argumentiert, sie habe „wichtige Gründe“ gehabt. Nach Akteneinsicht erkennt die Arbeitsagentur, dass eine Verschlechterung der Lage im Betrieb drohte. Der Fall wird von einem Sozialgericht geprüft. Dort gelingt es, die Sperre teilweise zu mildern: Man vereinbart, dass nur sechs Wochen gesperrt werden, weil Frau N. glaubhaft machen konnte, dass ihr Gesundheitszustand akut war. Im Ergebnis erhält sie also ALG I früher als ursprünglich festgelegt. Dieses Beispiel zeigt: Eine Sperrzeit wegen eines Aufhebungsvertrags ist die Regel, kann aber in Einzelfällen nachträglich abgemildert werden, wenn Sie schlüssig darlegen, dass Sie ohne wichtigen Grund (ggf. Gesundheitsgründe oder Drohungen des Arbeitgebers) nicht gekündigt hätten.
Fazit: Ein Aufhebungsvertrag löst in aller Regel eine Arbeitslosengeld-Sperrzeit aus. Eine Sperrzeit beim ALG I ist die Norm, weil Sie freiwillig aus dem Beschäftigungsverhältnis ausscheiden. Nur wenn Sie einen wichtigen Grundnachweisen (zum Beispiel eine unzumutbare Situation, Krankheit, Mobbing oder eine durch Gericht anerkannte Behinderung), kann die Sperrzeit vermieden oder verkürzt werden. Daher sollten Sie – sobald ein Aufhebungsvertrag ins Spiel kommt – unbedingt bei der Agentur für Arbeit eine Vorabklärung machen oder sich rechtlich beraten lassen. Dies kann die finanziellen Folgen deutlich abschwächen.
Frage 4: Kann ich einen Aufhebungsvertrag nachträglich widerrufen oder anfechten?
Einleitung: Was tun, wenn Sie einen Aufhebungsvertrag bereits unterschrieben haben und später davon zurücktreten möchten? In manchen Fällen sind Anfechtung oder Rücktritt möglich. Wir stellen dar, welche Voraussetzungen dafür gelten und was praktisch denkbar ist.
Analyse: Einen unterschriebenen Arbeitsvertrag können Sie nicht einfach widerrufen wie beim Onlinekauf. Das BAG hat klargestellt, dass § 355 BGB kein Widerrufsrecht für Arbeitsverträge einräumt. Ein einfacher Rücktrittsgrund nach Gesetz (außerordentliche Kündigung oder Rücktritt gemäß § 323 BGB wegen Nichterfüllung) besteht also nicht ohne Weiteres. Allerdings gibt es Ausnahmen, wenn rechtliche Mängel vorliegen:
- Anfechtung (§ 123 BGB): Sie können den Vertrag anfechten, wenn er unter widerrechtlicher Drohung oder durch Täuschung zustande kam. Beispiele: Der Arbeitgeber hat Sie fälschlich über wichtige Fakten belogen oder mit einer unzulässigen Kündigung gedroht. Dann greift § 123 BGB. Ein Schwarzmalen mit unrichtiger Faktenlage oder das Schüren von Existenzängsten kann eine Anfechtung rechtfertigen. Die Frist dazu beginnt, sobald die Zwangslage vorbei ist – meist kurz nach Vertragsende. Beachten Sie aber: Sie müssen beweisen, dass die Drohung oder Täuschung widerrechtlich war.
- Anfechtung (§ 119 BGB): War Ihnen der Vertragsinhalt nicht klar (z.B. Sie dachten, Sie unterschreiben nur eine Bescheinigung), kann dies einen Irrtum darstellen. Allerdings ist das schwierig nachzuweisen; Sie müssten die Anfechtung unverzüglich erklären.
- Rücktritt (§ 323 BGB): Besteht zum Beispiel eine ausdrückliche Rücktrittsklausel im Vertrag (seltener) oder zahlt der Arbeitgeber die vereinbarte Abfindung nicht, können Sie zurücktreten. Vorher müssen Sie dem Arbeitgeber aber eine Frist zur Erfüllung setzen. Beispiel: Im Vertrag sind Ihnen 10.000 € Abfindung versprochen, der Arbeitgeber zahlt nicht. Sie setzen ihm eine Frist von 2 Wochen und erklären dann den Rücktritt, wenn er immer noch nicht zahlt. Wichtig: Bei Insolvenz des Arbeitgebers ist ein Rücktritt oft ausgeschlossen.
Rechtliche Einordnung: Generell gilt: Sie haften treu und glauben (“Treu und Glauben” nach § 242 BGB); ein einseitiger Widerruf nach Vertragsabschluss ist nicht vorgesehen. Nur die genannten zivilrechtlichen Ausnahmewege stehen offen. BAG und Gerichte bewerten jede Anfechtungs- oder Rücktrittsklage genau: Oft wird abgeglichen, ob die für den Arbeitnehmer unfaire Situation so gravierend war, dass der Vertrag objektiv unwirksam ist.
Fallbeispiel 1: Herr P. unterschreibt unter Stress einen Aufhebungsvertrag, obwohl sein Arbeitsverhältnis stabil war. Später stellt sich heraus, dass der Arbeitgeber falsche Gründe für die Beendigung vorgab. Herr P. lässt den Vertrag juristisch prüfen: Er erfährt, dass er wegen widerrechtlicher Drohung anfechten kann. Er reichte deshalb beim Arbeitsgericht eine Anfechtungsklage ein (§ 123 BGB). Da das Gericht feststellt, dass ihm keine rechtmäßige Kündigung angedroht werden durfte, wird der Aufhebungsvertrag für nichtig erklärt.
Fallbeispiel 2: Frau T. wurde ein Aufhebungsvertrag zur Unterschrift vorgelegt und war unsicher. Sie wird sich bewusst, dass sie eigentlich nicht kündigen will, sondern gekündigt werden will. Trotzdem unterzeichnet sie – unter Berufung auf Kündigungsdruck –, um Entlassungsklage zu vermeiden. Nachdem das Arbeitsverhältnis beendet ist, bedenkt sie, dass die Abfindungsgeldzahlung ausgeblieben ist. Ihr Anwalt berät: Zunächst könnte sie wegen der Nichterfüllung (nicht gezahlte Abfindung) nach § 323 BGB zurücktreten. Nach einer angemessenen Nachfrist erklärt sie dem Ex-Arbeitgeber den Rücktritt vom Vertrag. Parallel erwägt sie eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung: Sie war nicht über ihre Rechte aufgeklärt und wird in der Telefonberatung dazu gedrängt. Später stellt sich heraus, dass ihr Chef die Rücktrittsklausel als Druckmittel formulierte und eigentlich keine rechtliche Handhabe zur Kündigung hatte. Ihr Anwalt argumentiert, dass der Vertrag bereits „unwirksam zustande gekommen ist“. Am Ende wird der Aufhebungsvertrag sowohl angefochten als auch zurückgetreten, da beide Umstände (fehlende Abfindung und widerrechtliche Androhung) vorliegen. Das Arbeitsgericht entscheidet, dass das Arbeitsverhältnis weiterbestand und Frau T. Anspruch auf Nachzahlung der Bezüge sowie den Kündigungsschutz hat. Dieses Beispiel zeigt: Ein Widerruf im klassischen Sinn gibt es nicht, aber mit Anfechtung und Rücktritt kann man nachträglich den Vertragsrücktritt erreichen, wenn Fehler und Täuschung belegt sind.
Fazit: Ein Aufhebungsvertrag bindet normalerweise sofort, kann also nur in Ausnahmefällen rückgängig gemacht werden. Ein Widerruf im gesetzlichem Sinne ist nicht möglich (keine 14‑Tage-Regelung wie etwa beim Onlinekauf). Sie können jedoch den Vertrag anfechten, wenn er z.B. unter unzulässigem Druck zustande kam. Auch ein Rücktritt wegen Nichterfüllung (z.B. Nichtzahlung der Abfindung) ist denkbar. Beide Wege sind rechtlich anspruchsvoll und oft zeitkritisch – es ist ratsam, bei Zweifeln sofort juristischen Rat einzuholen. Nur in akuten Sonderfällen besteht eine reale Chance, den Aufhebungsvertrag nachträglich zu lösen.
Frage 5: Wie kann ich beim Aufhebungsvertrag eine Abfindung oder bessere Konditionen verhandeln?
Einleitung: Ein häufiges Anliegen ist die Aushandlung einer Abfindung oder sonstiger Zugeständnisse im Aufhebungsvertrag. Sie fragen sich: Wie hoch kann die Abfindung sein und was hilft mir dabei? Im Folgenden geben wir praktische Verhandlungstipps und klären häufige Fragen.
Analyse: Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf Abfindung bei einem Aufhebungsvertrag. Eine Abfindung ist eine freiwillige Zahlung des Arbeitgebers als Ausgleich. Um eine möglichst hohe Abfindung zu erzielen, sollten Sie gut vorbereitet verhandeln. Argumente können sein: lange Betriebszugehörigkeit, schwer vermittelbare persönliche Umstände oder ein hohes Konfliktrisiko bei einer Kündigungsschutzklage (diese Drohung kann die Gegenseite bereit machen, zu zahlen). Häufig wird als Richtwert „ein halbes Brutto pro Beschäftigungsjahr“ genannt – das ist keine Regel, sondern eine Faustformel aus Kündigungsschutzvergleichen. Wichtig ist vor allem, dass Sie den Wert Ihrer Position kennen. Eine Beratung durch einen Fachanwalt oder einen Betriebsrat kann helfen, realistische Beträge abzuschätzen.
Weitere Verhandlungsinhalte können sein: die Freistellung bis zum Austrittsdatum (inklusive Gehaltsfortzahlung), die Ausstellung eines positiven Arbeitszeugnisses, die Übernahme anfallender Umzugskosten oder – bei Führungskräften – ein Dienstwagen auf Abruf. Notieren Sie, was Ihnen persönlich wichtig ist, und bringen Sie dies diplomatisch ins Gespräch. Häufig lohnt es sich, zuerst eigene Wünsche zu äußern und dann nachzugeben.
Rechtliche Einordnung: Für die Verhandlungen selbst gibt es keine speziellen Gesetze – alle Abreden unterliegen der Vertragsfreiheit. Allerdings sollten Sie rechtsmissbräuchliche Forderungen vermeiden. Beispiel: Eine unbefristete Vertragsverlängerung an Bedingungen knüpfen, ist nichtig. Ebenso kann ein zu hoher Abfindungsanspruch bei Arbeitslosengeld herabgesetzt werden (Ruhen des ALG, § 159 SGB III). Über Abfindung und Arbeitslosengeld informiert Sie insbesondere die Agentur (eine hohe Abfindung kann dazu führen, dass ALG ruhen muss). Rechtlich bindend ist am Ende nur, was im Vertrag steht – halten Sie also alle Zusagen schriftlich fest.
Fallbeispiel 1: Herr R. ist 15 Jahre bei seinem Arbeitgeber und hat umfangreiche Betriebskenntnisse. Beim AWV-Verhandlungstermin legt er dar, dass er andernfalls eine lange Kündigungsschutzklage führen könnte. Außerdem möchte er die dreimonatige Kündigungsfrist nutzen. Er schlägt eine Abfindung von drei Monatsgehältern vor. Der Arbeitgeber zögert zunächst. Schließlich einigen sie sich auf zwei Brutto-Monatsgehälter. Damit erzielt Herr R. eine deutlich höhere Zahlung, als er ohne Verhandlung bekommen hätte. Er erhält zudem sein letztes Gehalt für einen weiteren Monat, obwohl der Vertrag früher endete.
Fallbeispiel 2: Frau G. ist Abteilungsleiterin in einem großen Konzern. Der Betriebsrat hat bereits einen Sozialplan verhandelt, in dem ihr eine bestimmte Abfindung zusteht. Als man ihr den Aufhebungsvertrag überreicht, weiß sie aus dem Betriebsratsbeschluss, dass ihr rechnerisch rund 30.000 € zustehen sollten. Sie vertraut nicht darauf, alles im Sozialplan abzudecken, und nimmt sofort ihren Fachanwalt mit. Gemeinsam prüfen sie den Entwurf: Die Abfindung wird nur mit 25.000 € beziffert, und für eine Vorruhestandsregelung fehlen Details. Herr Anwalt informiert sie, dass sie grundsätzlich einen Anspruch auf den höheren Betrag gemäß Sozialplan hat. Im Gespräch mit dem Arbeitgeber argumentiert Frau G., dass sie sonst eine Kündigungsschutzklage führen würde. Dank ihres fundierten Wissens und der anwaltlichen Begleitung kann sie die Abfindung auf 35.000 € erhöhen. Zudem vereinbart sie eine Zahlung für ihren Resturlaub und ein qualifiziertes Zwischenzeugnis. Der Arbeitgeber stimmt zu, da er eine Klage vermeiden möchte. Am Vertragsende erhält Frau G. das hohe Abfindungspaket, ihr Zeugnis und hat rechtzeitig ein positives Abschlussgespräch vorbereitet – und damit deutlich bessere Konditionen, als der ursprüngliche Entwurf vorsah.
Fazit: Die Höhe einer Abfindung im Aufhebungsvertrag ist Verhandlungssache – es gilt, Ihre Verhandlungsposition zu stärken. Notieren Sie sich Ihre Erwartungen (z.B. mehrere Monatsgehälter, Resturlaub, Zeugnis) und machen Sie konkrete Vorschläge. Stützen Sie sich dabei auf betriebliche oder tarifliche Vergleichswerte (z.B. Socialplan). Es ist ratsam, einen Fachanwalt oder Betriebsrat hinzuzuziehen: Diese können Ihre Argumente untermauern und vermeiden, dass Sie wichtige Punkte übersehen. Seien Sie bereit, im Gegenzug Kompromisse zu schließen, zum Beispiel einen späteren Austrittstermin oder eine längere Freistellung anzubieten. Mit sorgfältiger Vorbereitung und klarer Kommunikation erhöhen Sie Ihre Chancen auf ein zufriedenstellendes Ergebnis.
Kontakt und weitere Unterstützung
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