Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts: Evangelischer Kirchenkreis nicht als öffentlicher Arbeitgeber eingestuft
Das Bundesarbeitsgericht hat in einem wegweisenden Urteil entschieden, dass eine kirchliche Körperschaft des öffentlichen Rechts, konkret ein Kirchenkreis der Evangelischen Kirche im Rheinland, nicht als öffentlicher Arbeitgeber gilt. Diese Entscheidung hat weitreichende Implikationen für das Bewerbungsverfahren schwerbehinderter Personen bei kirchlichen Einrichtungen.
Der Hintergrund des Falles
Im Zentrum des Falles stand ein schwerbehinderter Bewerber, der sich um eine Stelle in der Verwaltung eines evangelischen Kirchenkreises beworben hatte. Trotz Offenlegung seiner Schwerbehinderung im Bewerbungsprozess wurde er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, woraufhin seine Bewerbung erfolglos blieb. Der Bewerber sah darin eine Diskriminierung aufgrund seiner Schwerbehinderung und berief sich dabei auf § 165 Satz 3 SGB IX, der eine grundsätzliche Einladungspflicht zu einem Vorstellungsgespräch für schwerbehinderte Bewerber bei öffentlichen Arbeitgebern vorsieht.
Die rechtliche Auseinandersetzung
Der Kläger argumentierte, dass der Kirchenkreis als Körperschaft des öffentlichen Rechts nach § 154 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX als öffentlicher Arbeitgeber gelte und somit zur Einladung schwerbehinderter Bewerber verpflichtet sei. Er forderte daher eine Entschädigung wegen der unterlassenen Einladung und somit vermeintlichen Diskriminierung. Der beklagte Kirchenkreis wies diese Forderung zurück, da er sich nicht als öffentlicher Arbeitgeber sieht. Die Vorinstanzen wiesen die Klage bereits ab.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Das Bundesarbeitsgericht bestätigte in seiner Entscheidung die Auffassung der Vorinstanzen und des beklagten Kirchenkreises. Der Senat urteilte, dass der Kläger keine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung nachweisen konnte. Entscheidend war hierbei, dass eine kirchliche Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht den öffentlichen Arbeitgebern zugeordnet wird, die nach § 165 Satz 3 SGB IX zu einer Einladung schwerbehinderter Bewerber verpflichtet sind. Laut Gericht betrifft die Einladungspflicht nur solche Körperschaften des öffentlichen Rechts, die staatliche Aufgaben wahrnehmen. Kirchliche Körperschaften erfüllen hingegen primär kirchliche Aufgaben und unterstützen mit ihrem Status die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Religionsgesellschaften.
Bedeutung des Urteils
Dieses Urteil hat wichtige Konsequenzen für die Praxis der Anstellung schwerbehinderter Personen bei kirchlichen Einrichtungen. Es stellt klar, dass kirchliche Körperschaften des öffentlichen Rechts in Bezug auf die Einladungspflicht schwerbehinderter Bewerber zu Vorstellungsgesprächen privaten Arbeitgebern gleichgestellt sind und somit nicht unter die speziellen Regelungen für öffentliche Arbeitgeber fallen. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung verschiedener Arbeitgebergruppen im Kontext des Schwerbehindertenrechts.
Praktiker-Hinweis
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts unterstreicht die besondere Stellung kirchlicher Körperschaften im deutschen Arbeitsrecht. Sie betont die Grenzen der Anwendbarkeit bestimmter rechtlicher Verpflichtungen, die ansonsten für öffentliche Arbeitgeber gelten, und wirft ein Licht auf die Komplexität der Regelungen zum Schutz schwerbehinderter Bewerber. Dieses Urteil ist ein wichtiger Beitrag zum Verständnis des Zusammenspiels zwischen Arbeitsrecht und dem Schutz von Menschen mit Behinderungen, insbesondere im Bereich der kirchlichen Beschäftigung.
Für Arbeitgeber, Arbeitnehmer sowie Rechtsberater bietet dieses Urteil wertvolle Einblicke in die rechtlichen Rahmenbedingungen des Bewerbungsprozesses und die Notwendigkeit, die spezifischen Gegebenheiten jedes Arbeitgebers zu berücksichtigen. Die Kanzlei Pöppel Rechtsanwälte steht Ihnen gerne beratend zur Seite, um Sie in arbeitsrechtlichen Fragen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Schwerbehindertenrecht, kompetent zu unterstützen.
Hier die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts im Wortlaut:
25.01.2024 – 2/24 – Evangelischer Kirchenkreis ist kein öffentlicher Arbeitgeber
Der schwerbehinderte Kläger hatte sich um eine Stelle in der Verwaltung eines Kirchenkreises der Evangelischen Kirche im Rheinland beworben. Trotz Offenlegung seiner Schwerbehinderung wurde er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Seine Bewerbung blieb erfolglos. Nach Ansicht des Klägers wurde er im Auswahlverfahren wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert. Dies indiziere die unterbliebene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Hierzu sei der Kirchenkreis nach § 165 Satz 3 SGB IX verpflichtet gewesen. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts gelte er gemäß § 154 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX als öffentlicher Arbeitgeber. Mit seiner Klage hat der Kläger deshalb die Zahlung einer Entschädigung verlangt. Der beklagte Kirchenkreis hat dies abgelehnt. Er sei kein öffentlicher Arbeitgeber. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung dargelegt. Eine solche kann nicht aufgrund der unterbliebenen Einladung zu einem Vorstellungsgespräch vermutet werden. Hierzu war der beklagte Kirchenkreis nicht verpflichtet. Die Einladungspflicht nach § 165 Satz 3 SGB IX besteht zwar gemäß § 154 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX ua. für Körperschaften des öffentlichen Rechts. Dies betrifft aber nach dem allgemeinen verwaltungsrechtlichen Begriffsverständnis nur Körperschaften, die staatliche Aufgaben wahrnehmen. Kirchliche Körperschaften des öffentlichen Rechts dienen demgegenüber primär der Erfüllung kirchlicher Aufgaben. Der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts soll dabei die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Religionsgesellschaft unterstützen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Einladungspflicht auf kirchliche Körperschaften des öffentlichen Rechts erstrecken wollte. Insoweit stehen sie den ebenfalls staatsfernen privaten Arbeitgebern gleich.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Januar 2024 – 8 AZR 318/22 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Juli 2022 – 5 Sa 10/22 –
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