Arbeitsgericht im Arbeitsrecht: Alles was Sie wissen müssen.

Arbeitsgericht – Zuständigkeit, Ablauf des Verfahrens und Tipps für Arbeitnehmer

Ein Arbeitsgericht ist ein spezialisiertes Gericht, das Konflikte aus dem Arbeitsleben entscheidet. Kommt es also zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Streit – etwa wegen einer Kündigung, ausstehendem Lohn oder einer Versetzung – ist in erster Instanz immer das Arbeitsgericht zuständig. In Deutschland gibt es eigene Gerichte für Arbeitssachen, getrennt von den normalen Zivilgerichten. Hier erfahren Sie alles Wichtige zum Arbeitsgericht: Welche Streitigkeiten dort verhandelt werden, wie ein Verfahren abläuft, wer die Kosten trägt und worauf Arbeitnehmer besonders achten sollten.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Zuständigkeit: Arbeitsgerichte entscheiden alle Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis (individualrechtliche Konflikte) sowie zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber (kollektivrechtliche Konflikte). Gesetzlich geregelt in §§ 2, 2a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG).

  • Instanzen: Die erste Instanz ist das lokale Arbeitsgericht. Unzufriedene Parteien können in zweiter Instanz Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) einlegen (Voraussetzung: Streitwert über 600 € oder Zulassung). Dritte Instanz ist das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt.

  • Verfahrensablauf: Jedes Verfahren startet mit einer Güteverhandlung (Einzelrichter versucht Einigung). Scheitert diese, folgt der Kammertermin vor einem Berufsrichter + 2 Laienrichtern. Besonderheit: Im Betriebsrat-Verfahren ermittelt das Gericht den Sachverhalt selbst von Amts wegen; im klassischen Streit Arbeitnehmer vs. Arbeitgeber müssen die Parteien die Fakten vortragen.

  • Kosten & Anwalt: Kein Anwaltszwang in 1. Instanz: Sie können sich selbst vertreten. Jede Partei trägt in erster Instanz ihre eigenen Anwaltskosten selbst, egal wer gewinnt (§ 12a ArbGG). Ein eventueller Vergleich ist gebührenfrei (keine Gerichtskosten).

  • Wichtiger Tipp: Bei Kündigungen unbedingt Frist beachten! Innerhalb von 3 Wochen nach Erhalt der Kündigung muss Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingereicht werden (§ 4 Kündigungsschutzgesetz). Verpassen Sie diese Frist, ist die Kündigung in der Regel unanfechtbar wirksam.

Zuständigkeit der Arbeitsgerichte

Das Arbeitsgericht (Abkürzung: ArbG) ist das erstinstanzliche Gericht für arbeitsrechtliche Streitigkeiten. Es gehört zur besonderen Arbeitsgerichtsbarkeit, die parallel zur ordentlichen Gerichtsbarkeit (Amts- und Landgerichte) besteht. Wofür ist das Arbeitsgericht zuständig? Im Individualarbeitsrecht verhandelt das ArbG alle bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die aus dem Arbeitsverhältnis entstehen. Typische Fälle sind:

  • Kündigung und Kündigungsschutzklage: Anfechtung einer Kündigung, Wiedereinstellung, Abfindungen etc.

  • Lohn- und Gehaltsforderungen: Eingeklagter ausstehender Lohn, Überstundenvergütung, Urlaubsabgeltung.

  • Zeugnisstreitigkeiten: Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis oder Berichtigung eines Zeugnisinhalts.

  • Abmahnungen und Vertragsstreit: Entfernung ungerechtfertigter Abmahnungen aus der Personalakte, Durchsetzung oder Abwehr von Vertragsklauseln (Wettbewerbsverbot, Rückzahlungsklauseln etc.).

  • Diskriminierung und Gleichbehandlung: Schadenersatz oder Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), z.B. wegen Benachteiligung aufgrund des Geschlechts, Alters, der Herkunft oder einer Behinderung (§ 15 AGG). Solche Diskriminierungsklagen werden vor dem Arbeitsgericht geführt; ein Arbeitnehmer kann z.B. wegen einer unwirksamen Benachteiligung eine Entschädigung erstreiten.

  • Mutterschutz und Elternzeit: Streitfragen rund um Mutterschutzrechte (z.B. Kündigungsschutz bei Schwangerschaft nach § 17 MuSchG – eine Kündigung gegenüber einer schwangeren Arbeitnehmerin ist grundsätzlich unzulässig) oder Rechte in der Elternzeit.

  • Mobbing und Schadensersatz: Klagen wegen Mobbings am Arbeitsplatz oder auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen aus dem Arbeitsvertrag (§§ 280 ff. BGB).

Neben diesen individuellen Streitigkeiten entscheidet das Arbeitsgericht auch über kollektive Arbeitssachen. Das betrifft insbesondere Konflikte zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Beispiele: Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, Streit über einen Sozialplan, Betriebsratswahlen etc. Auch Tarifkonflikte zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden (Tarifvertragsparteien) können vor die Arbeitsgerichte gelangen.

Örtliche Zuständigkeit: Welches konkrete Arbeitsgericht einen Fall verhandelt, richtet sich i.d.R. nach dem Arbeitsort oder dem Sitz des beklagten Unternehmens. Meist ist das Arbeitsgericht am Standort der Firma zuständig (§ 48 Abs.1a ArbGG regelt die Gerichtsstände). In Zeiten von Homeoffice kann das relevant werden: Arbeitet jemand überwiegend von zu Hause in einer anderen Stadt, kann unter Umständen das Gericht seines Wohnorts zuständig sein. Im Zweifel berät dazu ein Anwalt oder die Rechtsantragsstelle des Gerichts.

Zusammengefasst: Immer wenn es um Streitigkeiten “Arbeitnehmer gegen Arbeitgeber” geht, ist das Arbeitsgericht Ihre Anlaufstelle. Beamte und öffentlicher Dienst beachten: Für Beamtenrecht gibt es eigene Verwaltungsgerichte – das ArbG ist nur für Arbeitnehmer nach privatem Arbeitsrecht zuständig.

Aufbau der Arbeitsgerichtsbarkeit – Instanzenweg

Die Gerichte für Arbeitssachen sind hierarchisch in drei Stufen organisiert:

  1. Arbeitsgericht (ArbG)1. Instanz: Hier beginnt das Verfahren. Deutschlandweit gibt es zahlreiche Arbeitsgerichte (oft auf Ebene größerer Städte oder Kreise).

  2. Landesarbeitsgericht (LAG)2. Instanz (Berufung): Jedes Bundesland hat ein oder mehrere LAGs (insgesamt 18 in Deutschland). Wer mit einem Urteil des Arbeitsgerichts unzufrieden ist, kann – unter bestimmten Voraussetzungen – beim zuständigen LAG Berufung einlegen. Das LAG prüft den Fall dann neu. Voraussetzung: Das Arbeitsgericht muss die Berufung zulassen oder der Streitwert muss über 600 € liegen. In Kündigungsschutz- und Lohnstreitigkeiten ist diese Wertgrenze praktisch meist überschritten. Das LAG kann das erstinstanzliche Urteil bestätigen, abändern oder aufheben.

  3. Bundesarbeitsgericht (BAG)3. Instanz (Revision): Das Bundesarbeitsgericht mit Sitz in Erfurt ist das höchste deutsche Arbeitsgericht und letzte Instanz. Es entscheidet nur Grundsatzfälle. Eine Revision zum BAG ist nur möglich, wenn das LAG sie im Urteil zugelassen hat oder wenn das BAG sie auf Beschwerde hin zulässt (Nichtzulassungsbeschwerde, § 72a ArbGG). Das passiert z.B., wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist oder unterschiedliche Urteile harmonisiert werden müssen. Ohne Zulassung kommt man nicht vors BAG. Ausnahme: In seltenen Fällen kann es eine Sprungrevision direkt vom Arbeitsgericht zum BAG geben, doch das ist die Ausnahme und erfordert besondere Konstellationen.

Für die meisten Arbeitnehmer endet der Rechtsweg spätestens beim LAG, da das BAG nur ausgewählte Fälle annimmt. Wichtig zu wissen: In der Berufungsinstanz (LAG) und erst recht in der Revision herrscht in der Regel Anwaltszwang. Spätestens ab der 2. Instanz muss man sich also von einem Anwalt oder einer bevollmächtigten Gewerkschaft vertreten lassen – allein auftreten wie vor dem Arbeitsgericht geht dann nicht mehr.

Zusammensetzung des Arbeitsgerichts – Berufsrichter und Ehrenamtliche

Eine Besonderheit der Arbeitsgerichte ist die Beteiligung von ehrenamtlichen Richtern (Laienrichter). Jede Kammer am Arbeitsgericht ist mit drei Personen besetzt: ein Berufsrichter (Vorsitzender) und zwei Laienrichter. Letztere kommen je zur Hälfte aus den Kreisen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber. Diese Laien sind keine Juristen, sondern erfahrene Praktiker (z.B. Gewerkschafter, Betriebsräte oder Arbeitgebervertreter), die die Arbeitswelt kennen.

Warum Laienrichter? Das soll gewährleisten, dass Entscheidungen praxisnah und ausgewogen sind – die Sicht der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber fließt in die Urteilsfindung mit ein. Alle drei Kammermitglieder haben gleiches Stimmrecht: Der Richter und beide Beisitzer entscheiden gemeinsam. Bei Abstimmungen kann es also z.B. 2:1 Mehrheiten geben. Es ist aber unüblich, dass die Ehrenamtlichen komplett anderer Meinung sind als der Berufsrichter; meist einigt sich die Kammer nach Beratung.

In einfachen Fällen kann der Berufsrichter übrigens auch allein entscheiden (z.B. wenn ein Versäumnisurteil ergeht, weil eine Partei nicht erscheint, oder in bestimmten Beschlussverfahren). Der Regelfall ist jedoch die Entscheidung durch die Kammer.

Für Sie als Kläger oder Beklagter bedeutet die Kammerbesetzung: Sie sitzen im Kammertermin drei Personen gegenüber. Lassen Sie sich davon nicht einschüchtern – die Laienrichter sind in der Regel parteiisch unabhängig und am sachgerechten Ausgleich interessiert. In der Güteverhandlung (siehe nächster Abschnitt) sind die Laienrichter nicht anwesend; dort verhandelt nur der Vorsitzende mit den Parteien.

Ablauf des Verfahrens vor dem Arbeitsgericht

Wie läuft eine Klage vor dem Arbeitsgericht ab? Das Verfahren teilt sich grob in zwei Phasen: Gütetermin und Kammertermin (Haupttermin).

  • Klageerhebung: Am Anfang steht die Klage. Diese kann schriftlich beim Arbeitsgericht eingereicht oder persönlich bei der Rechtsantragsstelle des Gerichts zu Protokoll gegeben werden. Tipp: Wenn Sie keine anwaltliche Hilfe haben, können Sie einfach zum Gericht gehen; dort hilft man Ihnen, die Klage formal aufzusetzen. Wichtig ist, dass die Klage innerhalb relevanter Fristen eingeht (bei Kündigung z.B. 3 Wochen). Nach Eingang der Klageschrift setzt das Gericht einen Termin an und stellt die Klage der Gegenseite zu.

  • Gütetermin (Güteverhandlung): Dies ist der erste Termin, meist schon wenige Wochen nach Klageeingang. Er findet vor dem Vorsitzenden Einzelrichter statt, ohne die ehrenamtlichen Richter. Der Gütetermin ist relativ formlos: Der Richter schildert kurz den Fall, fragt beide Seiten nach ihren Positionen und versucht eine einvernehmliche Einigung (Vergleich) herbeizuführen. Ziel: Zeit und Kosten sparen, den Konflikt schnell beilegen. Viele Verfahren (schätzungsweise rund 60% in Kündigungssachen) enden bereits im Gütetermin mit einem Vergleich – etwa einer Abfindungszahlung gegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Vorteil: Ein Vergleich beendet den Streit sofort und beide Seiten haben Planungssicherheit; zudem fallen keine Gerichtskosten an, wenn im Gütetermin abgeschlossen wird. Wenn Einigung gelingt, protokolliert der Richter den Vergleich, und der Rechtsstreit ist erledigt. Wenn nicht, bestimmt das Gericht einen zweiten Termin.

  • Kammertermin (Haupttermin): Scheitert die Güteverhandlung, geht es in die Hauptverhandlung vor der Kammer. Vor dem Kammertermin reichen beide Seiten meist noch Schriftsätze ein, um ihre Argumente und Beweise darzulegen (sog. vorbereitendes Verfahren). Im Kammertermin selbst verhandeln die Parteien vor der vollen Kammer (Berufsrichter + 2 Laienrichter) mündlich. Es werden Beweise erhoben, Zeugen vernommen (falls nötig) und rechtliche Argumente erörtert. Am Ende zieht sich die Kammer zur Beratung zurück und verkündet anschließend ein Urteil, wenn keine Einigung mehr erfolgt. Manchmal kommt es selbst im Kammertermin noch zu einem Vergleich – das ist jederzeit möglich, solange kein Urteil verkündet ist.

  • Urteil: Das Urteil des Arbeitsgerichts schließt die erste Instanz ab, sofern keine Einigung erzielt wurde. Es besteht aus Tenor, Tatbestand und Entscheidungsgründen und wird den Parteien zugestellt. Wichtig: Ist eine Partei unzufrieden, kann sie binnen einer Monat Berufung einlegen (Details siehe nächster Abschnitt Rechtsmittel). Tut sie das nicht, wird das Urteil rechtskräftig.

Besonderheiten: In Beschlussverfahren (Konflikte zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber) gibt es anstelle von Klage und Urteil einen Antrag und einen Beschluss. Der Ablauf ähnelt dem oben geschilderten, aber die gerichtliche Rolle ist aktiver: Das Gericht kann eigenständig Ermittlungen anstellen und z.B. Unterlagen anfordern oder selbst Gutachten einholen. Zudem ist gegen Beschlüsse stets die Beschwerde zum LAG möglich (vergleichbar der Berufung) – hier gibt es keine Wertgrenze, jede Beschwerde im Beschlussverfahren wird vom LAG angenommen. Die weitere Instanz nach dem LAG-Beschluss ist die beschränkte Rechtsbeschwerde zum BAG, sofern zugelassen.

Dauer des Verfahrens: Arbeitsgerichtsverfahren sollen laut Gesetz zügig sein (Beschleunigungsgrundsatz). In der Praxis hängt die Dauer aber stark von der Auslastung des Gerichts ab. Viele Verfahren werden in 3-6 Monaten erledigt (gerade wenn im Gütetermin ein Vergleich erzielt wird). Komplexe Fälle oder solche, die bis zum Urteil gehen, können auch ein Jahr und länger dauern, insbesondere wenn Zeugen gehört werden müssen oder Gutachten einzuholen sind. Berufungsverfahren vor dem LAG dauern oft nochmals ein halbes bis ganzes Jahr obendrauf. Als Faustregel gilt: Je höher die Instanz, desto länger zieht es sich. Dennoch sind Arbeitsgerichte im Vergleich zu manch anderem Zivilgericht relativ schnell, da z.B. Kündigungsschutzklagen vorrangig terminiert werden (schließlich hängt für Arbeitnehmer die Existenz am Ausgang).

Rechte und Pflichten vor dem Arbeitsgericht (für Arbeitnehmer und Arbeitgeber)

Kein Anwaltszwang in erster Instanz: Vor dem Arbeitsgericht dürfen Sie sich selbst vertreten. Das heißt, Sie können persönlich Klage einreichen und Ihren Fall vortragen, ohne einen Rechtsanwalt einschalten zu müssen. Dies soll den Zugang zum Recht erleichtern. Dennoch ist es oft sinnvoll, sich beraten oder vertreten zu lassen – gerade Arbeitgeber treten fast immer mit Anwalt auf. Auch Arbeitnehmer können einen Anwalt oder z.B. einen Gewerkschaftssekretär (falls Mitglied einer Gewerkschaft) bevollmächtigen. Tipp: Wenn Sie rechtsschutzversichert sind oder Mitglied in einer Gewerkschaft, nutzen Sie diese Möglichkeit zur kompetenten Vertretung. Andernfalls können Sie zunächst auch alleine zur Rechtsantragsstelle gehen; sollte der Fall komplex werden, ist es nie zu spät, doch noch einen Anwalt hinzuzuziehen.

Kostenregelung: In erster Instanz trägt jede Partei ihre Anwaltskosten selbst, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens. Das bedeutet: selbst wenn Sie gewinnen, erstattet Ihnen die Gegenseite nicht die Kosten Ihres eigenen Anwalts. Umgekehrt müssen Sie bei einer Niederlage aber auch nicht die Anwaltskosten der Gegenseite zahlen – das ist ein wichtiges Risiko, das im Arbeitsrecht nicht besteht, anders als z.B. vor dem Landgericht. Diese besondere Kostenregel ist in § 12a ArbGG verankert und soll vor allem Arbeitnehmer nicht abschrecken, ihre Rechte einzuklagen. Gerichtskosten (Gerichtsgebühren) entstehen beim Arbeitsgericht erst am Ende des Verfahrens und auch nur, wenn es zu einem Urteil kommt. Kommt es zu einem Vergleich, entfallen die Gerichtsgebühren vollständig. Kostenvorschüssen – wie man sie aus Zivilprozessen kennt – braucht man beim Arbeitsgericht nicht einzuzahlen; die Klage wird auch ohne vorherige Zahlung angenommen und verhandelt. Insgesamt ist das Verfahren also kostengünstig angelegt (lediglich die eigenen Anwaltskosten müssen gestemmt werden).

Prozesskostenhilfe (PKH): Wer kein Rechtschutz hat und sich einen Anwalt nicht leisten kann, muss trotzdem nicht auf sein Recht verzichten. Man kann beim Arbeitsgericht Prozesskostenhilfe beantragen. Wenn das Gericht PKH bewilligt (abhängig von Einkommen/Vermögen und Erfolgsaussicht der Klage), werden die Gerichtskosten übernommen und ggf. ein Anwalt kostenfrei zur Seite gestellt bzw. dessen Kosten erstattet. Dies gilt zumindest für die eigenen Anwaltskosten. Für die erste Instanz vor dem Arbeitsgericht hat PKH vor allem den Vorteil, dass man überhaupt einen Anwalt finanzieren kann, da es ja keine Kostenerstattung vom Gegner gibt.

Pflichten der Parteien – “Beibringungsgrundsatz”: Im Urteilsverfahren (Arbeitnehmer gegen Arbeitgeber) gilt wie in jedem Zivilprozess: Die Parteien müssen selbst alle erheblichen Tatsachen und Beweismittel vorbringen. Das Gericht entscheidet nur auf Basis dessen, was vorgetragen wurde. Daher sollten Sie sämtliche Unterlagen, E-Mails, Nachrichten usw., die Ihren Fall betreffen, dem Gericht vorlegen bzw. in den Schriftsätzen erwähnen. Haben Sie z.B. eine Kündigungsschutzklage erhoben wegen einer Kündigung, müssen Sie als Kläger darlegen, warum die Kündigung unwirksam sein könnte (etwa: fehlende Sozialauswahl, kein Kündigungsgrund, Verstoß gegen MuSchG/AGG, etc.), und idealerweise Beweise beifügen (Vertrag, Schriftverkehr, Zeugen benennen). Der Arbeitgeber muss seinerseits die Kündigungsgründe erläutern und rechtfertigen. Das Gericht moderiert und entscheidet am Ende, ermittelt aber nicht selbstständig in Ihrem Sinne – diese Aufgabe liegt bei Ihnen bzw. Ihrem Vertreter. (Anders im Beschlussverfahren: dort muss das Gericht den Sachverhalt erforschen, z.B. bei Betriebsratsfragen.)

Verhandlungs- und Erscheinenpflicht: Zu den Terminen (Güte- und Kammertermin) müssen geladene Parteien erscheinen. Sollte Ihnen etwas dazwischen kommen, beantragen Sie rechtzeitig Terminverlegung. Bleibt eine Partei unentschuldigt fern, kann ein Versäumnisurteil gegen sie ergehen. Als Kläger würde Ihre Klage z.B. abgewiesen werden, wenn Sie unentschuldigt nicht erscheinen (§ 56 ArbGG i.V.m. § 330 ZPO); als Beklagter könnten Sie bei Nicht-Erscheinen im Kammertermin verurteilt werden, ohne Ihre Argumente vorgebracht zu haben.

Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Arbeitsgerichts

Nicht immer sind beide Seiten mit dem Urteil des Arbeitsgerichts zufrieden. Daher gibt es Rechtsmittel, um die Entscheidung überprüfen zu lassen:

  • Berufung zum Landesarbeitsgericht (LAG): Die Berufung ist das Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Urteile des Arbeitsgerichts. Sie muss innerhalb von einem Monat nach Zustellung des vollständigen Urteils eingelegt und innerhalb weiterer zwei Monate begründet werden. Eine Berufung ist zulässig, wenn der Streitwert über 600 € liegt oder das Arbeitsgericht sie – bei geringeren Werten – ausdrücklich zugelassen hat. Kündigungsschutzklagen haben z.B. keinen bezifferten Streitwert, hier wird meist von Gesetzes wegen die Berufung zugelassen. Im Berufungsverfahren vor dem LAG wird der Fall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erneut aufgerollt. Neue Beweismittel können nur bedingt eingeführt werden (es gelten gewisse Präklusionsvorschriften – d.h. was man in 1. Instanz ohne Entschuldigung weggelassen hat, kann in 2. Instanz u.U. nicht mehr nachgereicht werden). Das LAG beendet das Berufungsverfahren wiederum mit einem Urteil. Hinweis: Vor dem LAG besteht Anwaltszwang – hier müssen Sie sich nun von einem Rechtsanwalt oder Gewerkschaftsvertreter vertreten lassen.

  • Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG): Gegen LAG-Urteile kann man unter engen Voraussetzungen Revision einlegen. Das BAG lässt eine Revision nur zu, wenn grundsätzliche Rechtsfragen berührt sind oder das LAG von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen ist (§ 72 ArbGG). Oft ist bereits im Urteil des LAG vermerkt, ob die Revision zugelassen wird oder nicht. Ohne Zulassung bleibt nur die Nichtzulassungsbeschwerde: Man beantragt beim BAG, die Revision doch noch zu öffnen (§ 72a ArbGG). Gelingt dies nicht, ist das LAG-Urteil endgültig. Gelingt es, findet vor dem BAG eine reine Rechtsprüfung statt (keine neuen Beweise, nur rechtliche Würdigung). Das BAG-Urteil setzt in der Regel den Schlusspunkt.

  • Beschwerde im Beschlussverfahren: Wie erwähnt, können Beschlüsse des Arbeitsgerichts immer mit der Beschwerde ans LAG angefochten werden. Das LAG entscheidet dann abschließend per Beschluss. Dagegen ist ggf. noch eine Rechtsbeschwerde ans BAG möglich, wenn zugelassen.

In der Praxis werden relativ wenige Fälle bis zum BAG durchgefochten – viele Streitigkeiten enden mit einem Vergleich oder spätestens nach der Berufung. Dennoch ist es gut zu wissen, dass es diese Instanzenwege gibt, um Fehlentscheidungen zu korrigieren oder wichtige Rechtsfragen höchstrichterlich klären zu lassen.

Beispiel: Kündigungsschutzklage – vom Gütetermin bis zum Vergleich

Um den Ablauf greifbarer zu machen, ein kurzes Praxisbeispiel:

Angenommen, Frau Müller erhält von ihrem Arbeitgeber eine Kündigung (betriebsbedingt, nach 5 Jahren Betriebszugehörigkeit). Sie hält die Kündigung für unwirksam, u.a. weil ein jüngerer Kollege behalten wurde, obwohl sie schutzwürdiger ist (möglicher Verstoß gegen das KSchG). Frau Müller entscheidet sich, vor dem Arbeitsgericht eine Kündigungsschutzklage einzureichen. Wichtig: Sie wahrt die 3-Wochen-Frist und reicht die Klage eine Woche nach Erhalt der Kündigung beim zuständigen Arbeitsgericht ein.

  • Im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht erscheint Frau Müller mit ihrem Anwalt; der Arbeitgeber wird durch einen Anwalt vertreten. Der Richter erklärt, Frau Müllers Kündigungsschutzklage sei zulässig und fragt, ob ein Vergleich möglich ist. Er deutet an, dass es Bedenken an der Sozialauswahl geben könnte (Frau Müllers Argument). Nach Diskussion einigen sich beide Seiten: Frau Müllers Arbeitsverhältnis endet zwar, aber der Arbeitgeber zahlt eine Abfindung von 10.000 €. Dieser Vergleich wird protokolliert. Der Rechtsstreit ist damit beendet, ohne dass es eines Urteils bedurfte. Frau Müller hat so in wenigen Wochen eine Lösung erzielt.

  • Alternative: Hätten sich beide Seiten nicht geeinigt, wäre einige Wochen später ein Kammertermin angesetzt worden. Dort hätte Frau Müller Beweis dafür angeboten, dass sie sozial schutzwürdiger ist (z.B. älter und länger im Betrieb als der Kollege). Der Arbeitgeber hätte vielleicht behauptet, der Kollege sei unentbehrlich wegen spezieller Qualifikation. Das Gericht müsste entscheiden, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt war. Angenommen, das Urteil fiele zugunsten von Frau Müller aus – das Arbeitsgericht hätte die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt, womit Frau Müller weiterbeschäftigt werden müsste (oder der Arbeitgeber bietet ihr dann eine Abfindung an, um das Arbeitsverhältnis doch zu beenden). Hätte Frau Müller verloren, hätte sie binnen 1 Monat Berufung einlegen können. Beide Seiten hätten in jedem Fall ihre jeweiligen Anwaltskosten selbst getragen, egal wie das Urteil ausging.

Dieses Beispiel zeigt: Das Arbeitsgericht bietet oft die Chance auf einen schnellen Vergleich, aber wenn nötig, trifft es auch eine Entscheidung. Für Arbeitnehmer ist es wichtig, sich frühzeitig zu informieren und Unterstützung zu suchen, damit Fristen eingehalten und Rechte gewahrt werden.

Häufige Fragen zum Arbeitsgericht (FAQ)

Wer kann Klage beim Arbeitsgericht erheben?
Jede Person, die in einem Arbeitsverhältnis steht oder stand (Arbeitnehmer, Azubi, Praktikant etc.), kann beim Arbeitsgericht klagen, wenn sich daraus Streit ergibt. Auch Arbeitgeber können umgekehrt klagen (z.B. auf Schadensersatz gegen Arbeitnehmer, kommt aber selten vor). Zudem können Gewerkschaften und Betriebsräte Verfahren einleiten (Gewerkschaften z.B. bei Tarifstreit, Betriebsräte im Beschlussverfahren). Nicht zuständig ist das Arbeitsgericht für Beamte, Soldaten oder reine Zivilkonflikte ohne Arbeitsverhältnis.

Muss ich einen Anwalt nehmen oder kann ich selbst auftreten?
In 1. Instanz dürfen Sie ohne Anwalt auftreten. Sie können Ihre Klage selbst einreichen und Ihren Standpunkt vor dem Richter selbst vertreten. Viele nutzen diese Möglichkeit zumindest im Gütetermin. Denken Sie aber daran: Die Gegenseite (der Arbeitgeber) ist meist juristisch beraten. Ein Anwalt kann Ihre Erfolgschancen erhöhen, da er das Verfahren und die Gesetze kennt. Spätestens für komplexere Fälle oder die 2. Instanz ist anwaltliche Vertretung ratsam. Tipp: Wenn Sie Gewerkschaftsmitglied sind, bekommen Sie kostenlos einen Juristen gestellt (Rechtsschutz der Gewerkschaft). Ansonsten prüfen Sie eine Rechtsschutzversicherung für Arbeitsrecht – sie übernimmt Anwalts- und Gerichtskosten je nach Police.

Welche Kosten kommen auf mich zu?
Für die Klage selbst verlangt das Gericht keinen Vorschuss. Sollte es zum Urteil kommen, fallen Gerichtskosten an, die nach Streitwert bemessen und meist moderat sind; bei Vergleich entfallen sie. Das teuerste sind meist die Anwaltskosten – und hier trägt jede Seite ihre eigenen Kosten in erster Instanz, egal wer gewinnt. Sie müssen also im schlimmsten Fall Ihren Anwalt bezahlen, auch wenn Sie recht bekommen, erhalten aber umgekehrt nichts erstattet, falls Sie gewinnen. In 2. Instanz (LAG) gilt das Kostenerstattungsprinzip teilweise wieder (Gerichtskosten und Zeugenauslagen etc. können dem Unterlegenen auferlegt werden, Anwaltskosten der 2. Instanz ebenfalls – allerdings bleiben die Kosten der 1. Instanz weiterhin jeweils bei den Parteien). Wenn Sie finanziell nicht in der Lage sind, den Prozess zu führen, können Sie Prozesskostenhilfe beantragen – dann übernimmt die Staatskasse je nach Bewilligung Ihre Anwalts- und Gerichtskosten (oder Sie müssen sie in Raten abzahlen).

Wie lange habe ich Zeit, Klage einzureichen (insbesondere bei Kündigung)?
Die Klagefrist bei einer Kündigung beträgt 3 Wochen ab Zugang der Kündigung. Diese Frist ist extrem wichtig – verpassen Sie sie, ist eine Kündigung normalerweise gültig, auch wenn sie eigentlich rechtswidrig war (§ 7 KSchG). Also unbedingt binnen 3 Wochen Kündigungsschutzklage einreichen! In anderen Fällen (z.B. Lohnklage) gibt es keine starren Klagefristen beim Arbeitsgericht, außer was in Arbeits- oder Tarifverträgen als Ausschlussfristen vereinbart ist. Informieren Sie sich daher frühzeitig. Im Zweifel: Lieber sofort klagen als zu spät. Das Gericht kann unverschuldete Fristversäumnisse ausnahmsweise zulassen (Wiedereinsetzung), aber darauf sollte man sich nicht verlassen.

Wie lange dauert ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht?
Das lässt sich nicht pauschal sagen. Viele Verfahren enden schnell durch Vergleich im Gütetermin (nach wenigen Wochen). Wenn es streitig wird: Ein erstinstanzliches Urteil kann in 3-6 Monaten ergehen, komplexe Verfahren dauern auch mal 1 Jahr oder länger. Wenn Sie oder die Gegenseite danach noch in Berufung gehen, kommen noch einmal einige Monate bis über ein Jahr hinzu. Kündigungsschutzprozesse gehen vergleichsweise zügig los (Gütetermin oft nach ~4-6 Wochen), aber bis zur endgültigen Rechtskraft kann es dauern. Das Arbeitsgericht ist bemüht, schnelle Termine anzuberaumen, doch personelle Überlastung kann Verzögerungen bringen. Sie können dazu beitragen, indem Sie Ihre Unterlagen vollständig einreichen und Fristen einhalten, so entstehen keine zusätzlichen Wartezeiten.

Was passiert, wenn ich vor dem Arbeitsgericht verliere?
Wenn Sie in erster Instanz verlieren, haben Sie die Möglichkeit der Berufung (sofern zulässig, siehe oben). Überlegen Sie mit Ihrem Anwalt, ob Aussicht auf Erfolg besteht. Finanziell tragen Sie in 1. Instanz nur Ihre eigenen Kosten (und nicht die des Gegners). Wichtig: Wenn es um Ihren Arbeitsplatz ging (z.B. Kündigungsschutzklage) und Sie verlieren, bedeutet das, dass die Kündigung wirksam bleibt – Sie verlieren also den Arbeitsplatz. Es kann dann sinnvoll sein, spätestens vor dem LAG einen Vergleich zu suchen (z.B. doch noch eine Abfindung zu erzielen, falls der Prozess riskant ist). Haben Sie gewonnen und der Arbeitgeber geht in Berufung, bleibt das Arbeitsverhältnis vorerst bestehen – Sie müssen aber im Berufungsverfahren erneut kämpfen.

Können auch Arbeitgeber klagen?
Ja, die Arbeitsgerichte stehen beiden Seiten offen. Arbeitgeber klagen z.B. gelegentlich auf Schadensersatz (etwa wenn ein Mitarbeiter vorsätzlich einen Schaden verursacht hat) oder auf Feststellung, dass bestimmte Ansprüche nicht bestehen. Auch Klagen gegen einen Streik (durch den Arbeitgeberverband gegen die Gewerkschaft) werden vor den Arbeitsgerichten ausgetragen. In der Praxis treten Arbeitgeber aber häufiger als Beklagte auf, während Arbeitnehmer häufiger klagen – auch weil Arbeitnehmer durch die Kostenregelung begünstigt sind (keine Kostenerstattungspflicht).

Was muss ich zum Gerichtstermin mitbringen?
Bringen Sie Ihren Personalausweis, die Klageunterlagen (eine Kopie Ihrer Klageschrift und die Erwiderung des Gegners) und Beweismittel im Original oder Kopie mit (Verträge, Briefe, Kündigungsschreiben, Atteste, Fotos – alles, was relevant sein könnte). Wenn Sie Zeugen benannt haben, sollten diese erreichbar sein; das Gericht lädt wichtige Zeugen offiziell vor, falls erforderlich. Kleiden Sie sich ordentlich, aber es gibt keinen strikten Dresscode. Erscheinen Sie pünktlich. Vor Gericht herrscht kein Formzwang in der Sprache – sprechen Sie ruhig in einfachen Worten, der Richter hilft meist, die rechtlich relevanten Punkte herauszuarbeiten.

Fazit

Das Arbeitsgericht ist die erste Adresse, um arbeitsrechtliche Streitigkeiten zu klären – vom ungerechtfertigten Rauswurf bis zur ausstehenden Gehaltszahlung. Es zeichnet sich durch bürgernahe Verfahren aus: keine Anwaltszwang in der ersten Runde, moderate Kosten und die Chance, schnell zu einer gütlichen Einigung zu gelangen. Für Arbeitnehmer ist wichtig zu wissen, dass sie ihr Recht ohne großes Kostenrisiko einfordern können. Fristen (vor allem die 3-Wochen-Frist bei Kündigungen) sollten unbedingt beachtet werden, damit keine Rechte verloren gehen. Insgesamt gilt: Scheuen Sie nicht den Gang zum Arbeitsgericht, falls nötig. Es handelt sich um speziell eingerichtete Gerichte, die täglich dafür sorgen, dass David gegen Goliath auf Augenhöhe verhandeln kann. Mit der richtigen Vorbereitung oder Unterstützung (etwa durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht) stehen die Chancen gut, vor dem Arbeitsgericht Ihr gutes Recht durchzusetzen.