In der Urlaubsplanung kommt es manchen Arbeitnehmer:innen plötzlich anders: Halskratzen, Husten oder Fieber machen den geplanten Urlaub zum Albtraum. Wer dann krankgeschrieben wird und trotzdem verreisen möchte, steht vor wichtigen Fragen. Grundsätzlich gilt: Reisen sind erlaubt, wenn die Genesung nicht gefährdet ist. Das heißt, Sie dürfen Ihren Urlaub antreten, sollten aber unbedingt Rücksprache mit dem Arzt halten und auf ausreichende Erholung achten. Wenn ein Urlaub helfen kann, z.B. eine Kur oder ein Tapetenwechsel bei psychischem Stress, ist dies im Sinne der Arbeitsunfähigkeit. Entscheidend ist stets der Erholungszweck: Eine Reise muss der Wiederherstellung Ihrer Arbeitsfähigkeit dienen.
Kurz und Knapp:
- Urlaub trotz Krankschreibung ist grundsätzlich möglich, solange der Urlaub der Genesung dient.
- Erhöhte Sorgfaltspflicht: Sie müssen darauf achten, dass die Reise Ihre Gesundheit nicht gefährdet. Rücksprache mit dem Arzt ist empfehlenswert.
- Risiken: Verreisen, obwohl es die Genesung gefährdet, kann arbeitsrechtliche Konsequenzen haben (z.B. fristlose Kündigung).
- Auslandsreisen: Bei längerer Arbeitsunfähigkeit (Krankengeldanspruch) ist Zustimmung der Krankenkasse nötig, ansonsten ruht der Anspruch auf Krankengeld.
- Urlaubstage: Krankheitstage werden nicht auf den Erholungsurlaub angerechnet (§ 9 BUrlG). Können Sie wegen Krankheit nicht verreisen, behalten Sie Ihren Urlaubsanspruch oder erhalten Urlaubsabgeltung, wenn das Arbeitsverhältnis endet.
- Aufenthaltsort: Sie müssen Ihren Arbeitgeber nicht über den genauen Aufenthaltsort informieren, außer etwa bei Auslandsaufenthalt zu Beginn der Krankschreibung.
Darf ich trotz Krankschreibung verreisen?
Ja, grundsätzlich dürfen Sie während einer Krankschreibung verreisen, sofern der Arzt dabei keine Einwände hat und die Reise Ihre Genesung nicht gefährdet. Entscheidend ist, dass der Erholungszweck im Vordergrund steht. Beispiele: Ein Arbeitnehmer, der an Burnout oder psychischer Erschöpfung leidet, kann durch einen ruhigen Urlaubspauschal oder eine Kur sogar schneller genesen. Das Bundeslandesarbeitsgericht Hamm hat etwa in einem Sylt-Urlaub-Fall klargestellt, dass der Urlaub den Beweiswert des ärztlichen Attests nicht automatisch infrage stellt. Anders ausgedrückt: Arbeitsunfähigkeit heißt nicht unbedingt „Bettruhe ohne Ausnahme“ – wenn der Urlaub der Genesung dient, ist er erlaubt.
Symbolbild: Eine Reisende zieht ihren Koffer durch den Flughafen – Urlaub trotz Krankheit. Dennoch gilt: Sie tragen die Verantwortung für Ihre Gesundheit. Der Fachanwalt Daniel Brügger weist auf eine „erhöhte Sorgfaltspflicht“ hin. Vor der Reise sollten Sie mit dem Arzt besprechen, ob die Reiseform und das Reiseziel zu Ihrer Krankheit passen. Flüge etwa sind bei akuter Herz- oder Lungenkrankheit problematisch; auch sehr anstrengende Aktivitäten (z.B. Langstreckenflüge, extreme Sportarten) sind tabu, wenn sie die Genesung gefährden. In manchen Fällen kann Reisen sogar ausdrücklich förderlich sein – etwa bei einem leichteren grippalen Infekt, der bei Erholung auf Kur oder See besser abklingt.
Was bedeutet die erhöhte Sorgfaltspflicht?
Während der Krankschreibung müssen Sie alles vermeiden, was Ihre Heilung verzögert. Reisen gilt als privatvergnüglicher Ausflug und kann erlaubt sein, solange dadurch kein „verschärfter Gesundheitszustand“ eintritt. Beispiele für erlaubte Tätigkeiten könnten leichte Spaziergänge oder kulturelle Besuche sein. Krankheitsbedingte Tätigkeiten (z.B. Arbeit und Erholung) müssen strikt getrennt sein: Ein Bauarbeiter kann trotz Krankschreibung spazieren gehen, aber nicht am Abend körperlich schweren Sport treiben oder spät nachts feiern gehen – der Fokus bleibt auf Erholung. Typische Missverständnisse: Viele glauben, schon ein einfacher Flug oder Restaurantbesuch bräche automatisch die Krankschreibung – das ist falsch, solange Sie sich ernsthaft erholen. Wie ein Urteil des LAG Hamm zeigt, kann selbst ein Sylt-Urlaub die ärztliche Bescheinigung unberührt lassen. Wichtig ist jedoch immer: Feiern, Wandern, Besorgungen oder Ähnliches dürfen nicht in Konflikt mit Ihrer Genesung stehen.
Welche Risiken und Konsequenzen drohen bei Verstößen?
Wenn Sie während der Krankschreibung Urlaub machen, drohen vor allem arbeitsrechtliche Sanktionen, falls Ihre Reise nicht mit der Heilung vereinbar war. Im schlimmsten Fall steht eine fristlose Kündigung im Raum. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat klargestellt: Wer wegen ernsthafter Krankheit arbeitsunfähig ist und trotzdem zum Beispiel Skiurlaub macht, kann gekündigt werden (BAG, 2 AZR 53/05). Ähnlich kann es Ihnen gehen, wenn Sie trotz Lungenentzündung und ärztlich verordnetem Bettruhebesuch ein Fußballspiel mitreisen. Allerdings: Nach dem LAG Hamm setzte in solchen Fällen den Urlaubsreise an, wird der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht automatisch zerstört.
Gehen Sie das Risiko sorgfältig ein: Verlieren Sie Ihre Genesungspflicht aus den Augen, kann der Arbeitgeber die Fristlose prüfen lassen. Eine fristlose Kündigung setzt immer voraus, dass Sie sich in schwerwiegender Weise vertragswidrig verhalten haben (z.B. Vertrauen missbraucht). Reisen in genehmigter Abwesenheit sind jedoch gerade nicht immer schwerwiegend: Sind Sie tatsächlich ernstlich krank und hilft die Reise Ihrer Gesundung, warnt Fachanwalt Brügger: Sehen Sie keinen Vorteil in Ihrem Urlaub für den Heilungsprozess, kann das die Vertrauensbasis schädigen. Zudem kann der Arbeitgeber im Zweifelsfall eine Überprüfung verlangen: Zeigen Sie sich deutlich genesen (z.B. aktives Sporttreiben trotz Krankschreibung), kann das Misstrauen wecken – achten Sie daher auf Diskretion.
Weitere Sanktionen: Lohnfortzahlung und Krankengeld bleiben in der Regel bestehen, solange die Krankschreibung ordnungsgemäß fortbesteht. Sollten Sie jedoch eine eindeutige ärztliche Weisung missachten, kann der Arzt sogar die Bescheinigung zurücknehmen. Auch kann der Arbeitgeber geprüft in Erwägung ziehen, Ihr Krankengeld zu kürzen oder eine fristlose Kündigung zu versuchen (wegen groben Ungehorsams oder vertrauensmissbrauch). Kleine Betriebe mit unter zehn Beschäftigten haben zudem nur geringen Kündigungsschutz nach § 1 KSchG – dort können solche Konflikte schneller zu einer Kündigung führen.
Was muss ich bei Auslandsreisen beachten?
Bei Reisen ins Ausland gelten zunächst dieselben Grundsätze: Der Erholungszweck muss gewahrt bleiben. Zusätzlich kommt das Sozialversicherungsrecht ins Spiel. Reist Ihr Aufenthalt länger als sechs Wochen (anspruch auf Krankengeld nach Entgeltfortzahlung) ins Ausland, kann das Krankengeld ruhen. Nach § 16 SGB V ruht der Krankengeldanspruch, solange Sie im Ausland sind, es sei denn, Sie haben vorgeblich zuvor eine Zustimmung Ihrer Krankenkasse eingeholt. Wichtig: Innerhalb der EU/EWR besteht faktisch ein Anspruch auf Zustimmung (BSG, B 3 KR 23/18 R). Das Bundessozialgericht entschied, dass Krankenversicherer Reisen in EU-Staaten zustimmen müssen. Außerhalb der EU können Sie es versuchen, müssen aber mit einem Ruhetreten des Krankengeldes rechnen.
Praktische Tipps: Informieren Sie Ihre Krankenkasse, bevor Sie ins Ausland gehen. Bei einer geplanten Kur oder Reha kann die Kasse meist zustimmen. Beachten Sie auch die Erreichbarkeit – im Urlaub sollten Sie für eventuelle Rückkehr zur Behandlung erreichbar sein. Medizinische Versorgung ist in der EU mit der Krankenversicherungskarte gewährleistet, in Nicht-EU-Ländern sollten Sie eine Krankenversicherung (Reisekrankenversicherung) abschließen. Fällt eine Frist für Heilmittel (z.B. Physiotherapie) an, müssen Sie sicherstellen, dass das während der Reise nicht verschoben wird oder zumindest sofort fortgesetzt wird, sobald wie möglich zurück.
Aufenthalt im EU-Ausland
Nutzen Sie europäische Sozialversicherungsregelungen: Mit der Europäischen Krankenversicherungskarte (EHIC)haben Sie zumindest im Notfall Anspruch auf medizinische Basisversorgung in EU-Staaten. Eine formelle Genehmigung für Ihren Urlaubsaufenthalt im EU-Ausland ist jedoch notwendig, wenn Sie Krankengeld beziehen wollen.
Muss ich meinen Arbeitgeber über meinen Aufenthaltsort informieren?
Generell nicht – weder Chef noch Krankenkasse haben einen Anspruch darauf, dass Sie Ihren aktuellen Standort offenlegen. Datenschutz und ärztliche Schweigepflicht schützen Sie hier: Sie müssen lediglich Ihre Arbeitsunfähigkeit anzeigen und auf Verlangen ein ärztliches Attest vorlegen. Anders ist es, wenn Sie sich bereits im Ausland krankgemeldet haben: Dann gelten besondere Regeln. Einreisen Sie beispielsweise im Urlaub zu Ihrer Arbeitsunfähigkeit, müssen Sie nach § 5 EFZG sofort einen Arzt aufsuchen und das Attest auf dem gewöhnlichen Weg nachreichen.
Praktische Hinweise: Wenn Sie verreisen, sollten Sie dem Arbeitgeber mitteilen, wann Sie zurück sein werden, damit eine Vertretung organisiert werden kann – aber ohne Angabe des Urlaubsziels oder Details. Der Chef darf nicht nach privaten Reisezielen oder Aktivitäten fragen. Das BSG bestätigte: Sie müssen keine Urlaubspläne offenbaren. Als Betriebsratsmitglied hilft es weiter, Mitarbeitern diese Rechte zu erklären und auf Vertraulichkeit zu achten. Sollten dennoch Zweifel am Urlaubsort oder der Erkrankung aufkommen, kann der Arbeitgeber eine genaue Urlaubsanmeldung verlangen, nicht aber privates Fernbleiben sanktionieren.
Was passiert mit meinem Urlaub, wenn ich krankheitsbedingt nicht verreisen kann?
Steht Ihnen Urlaub zu und Sie sind während des Ferienzeitraums krankgeschrieben, bleibt Ihr Urlaubsanspruch voll erhalten. Nach § 9 BUrlG zählen Krankheitstage nicht zum Erholungsurlaub. Das bedeutet konkret: Ihr Chef muss Ihnen diese Urlaubstage später gewähren. Dies deckt auch Fälle ab, in denen die Erkrankung vor oder während des geplanten Urlaubs beginnt.
Bei einem Beendigungsfall (Kündigung oder Aufhebungsvertrag) haben Sie Anspruch auf Urlaubsabgeltung für noch nicht genommenen Urlaub. Im eingangs erwähnten Chemnitzer Fall (4 Sa 17/23) hatte die Klägerin 16 Krankheits-Urlaubstage nicht nutzen können. Das LAG entschied: Ihre restlichen Urlaubstage müssen ausgezahlt werden, selbst wenn sie während der Kündigungsfrist freigestellt war. Denn entscheidend war: Sie war bereits krank bevor die Freistellung erklärt wurde und hatte daher keine Arbeitspflicht – die Freistellung rechnete also nicht als Urlaub ab.
Praxis-Tipp: Notieren Sie sich Krankmeldungen und das ausgefallene Urlaubdatum. Bestehen Sie gegenüber dem Arbeitgeber auf der Nachgewährung oder Abgeltung des Urlaubs. Laut BAG und Gesetz verfällt Urlaub durch Krankheit nicht automatisch am Jahresende. Sie können Ihre Urlaubstage ins nächste Jahr übertragen oder bei Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses in Geld abgelten lassen. Achten Sie auf Fristen: Grundsätzlich verfällt gesetzlicher Mindesturlaub 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres, wenn er nicht genommen werden konnte (Urteil BAG 9 AZR 134/22).
Urlaubsabgeltung bei Kündigung
Wird das Arbeitsverhältnis beendet, weil Sie (z.B. krankheitsbedingt) kündigen oder gekündigt werden, haben Sie Anspruch auf ausstehende Urlaubsvergütung. Dies gilt auch, wenn Sie die freien Tage aufgrund einer Krankschreibung nicht nehmen konnten. Das LAG Chemnitz nahm genau diesen Umstand an und gewährte die Abgeltung.
Urlaub während Dauermedizin (z.B. Depressionen)
Auch bei psychischen Erkrankungen gibt es keine Sonderregel für Urlaubsreisen: Jeder Fall ist individuell zu bewerten. Grundsätzlich kann Urlaub bei Depressionen erholsam sein (etwa an der See oder in den Bergen) und deswegen erlaubt sein. Wichtiger ist hier die Konsultation eines Facharztes: Ein Psychotherapeut oder Psychiater kann abwägen, ob der geplante Urlaub zur Stabilisierung beiträgt oder eher die Therapie behindert.
Besondere Hinweise für Betriebsräte
Auch für Betriebsräte ist dieses Thema wichtig: Sie können Kollegen unterstützen und beraten, wenn Konflikte auftreten. Der Betriebsrat darf Gesundheitsdaten seiner Mitglieder nicht ausspähen – auch nicht, wenn es um Urlaub während Krankheit geht. Helfen Sie Betroffenen, ihre Rechte zu verstehen, z.B. dass sie sich nicht rechtfertigen müssen, solange die Krankschreibung rechtmäßig ist. Sollte der Arbeitgeber pauschale Anweisungen erteilen (etwa „Kein Arbeitgeber zahlt Lohn bei Urlaub im Krankheitsfall“), kann der Betriebsrat korrigierend eingreifen und darauf hinweisen, dass hier Gesetz und Rechtsprechung gelten (z.B. § 9 BUrlG, BAG-Urteile).
Zugleich muss der Betriebsrat den Gesundheitsaspekt berücksichtigen: Wenn ein Mitarbeiter in geplanter Krankheit verreisen möchte, kann der Rat ihn auf mögliche Risiken hinweisen und evtl. mit einem Arzttermin unterstützen. Im Konfliktfall (verdächtige Urlaubsreisen trotz Krankheit) kann der Betriebsrat vermitteln – hierbei gelten die üblichen Mitbestimmungsrechte nicht (Urlaubsplanung obliegt allein dem Arbeitgeber), aber vermittelnde Gespräche können helfen, Fehlinterpretationen zu vermeiden. Generell gilt: Vertraulichkeit wahren und im Zweifel juristischen Rat einholen.
Fazit und Handlungsempfehlung
Ob Reise während der Krankschreibung erlaubt ist, hängt vom Einzelfall ab. Grundsätzlich gilt: Erholung vor Arbeitspflicht und ärztliche Weisungen beachten. Wenn Urlaub die Genesung fördert und der Arzt einverstanden ist, ist das Reisen nicht per se verboten. Informieren Sie sich aber rechtzeitig: Klären Sie vor Antritt mit einem Arzt, ob Ihre Pläne passen. Nehmen Sie Rücksicht auf Ihre Gesundheit – meiden Sie Anstrengungen, die eine mögliche Besserung gefährden. Kommt es doch zu einem Konflikt (z.B. Kündigungsandrohung), stehen Ihnen juristische Möglichkeiten offen: Ihr Urlaubsanspruch bleibt bestehen oder kann ausgezahlt werden.
Wenn Sie unsicher sind, ob in Ihrem Fall alles mit rechten Dingen zuging, beraten wir Sie gerne – bundesweit und unverbindlich. Die Kanzlei Pöppel steht Arbeitnehmer:innen und Betriebsräten mit arbeitsrechtlicher Kompetenz zur Seite. Kontaktieren Sie uns, damit Sie ruhigen Gewissens wieder Erholung finden können.
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