Weniger offene stellen – Der Kampf gegen Kündigung wird härter

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Der Arbeitsmarkt kühlt sich spürbar ab: Die Zahl offener Stellen ist im Vergleich zum Vorjahr um 25 % gesunken. Für gekündigte Arbeitnehmer:innen bedeutet das: Die Konkurrenz um jede freie Stelle wächst – und die Chancen auf eine schnelle Anschlussbeschäftigung sinken. Besonders betroffen sind ältere Beschäftigte, Alleinerziehende und Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen.

In dieser Lage wird der rechtliche Kündigungsschutz wichtiger denn je. Wer gekündigt wird, sollte genau prüfen lassen, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt war – etwa ob die Sozialauswahl korrekt durchgeführt oder der Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt wurde.

Auch außenpolitische Entwicklungen wie die US-Zollpolitik erhöhen den Druck auf exportabhängige Branchen – und damit auf Arbeitsplätze.

Unser Rat: Lassen Sie jede Kündigung rechtlich überprüfen. Denn gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten lohnt sich der Kampf um den Arbeitsplatz – mit klaren Rechten und guter anwaltlicher Unterstützung.

Weniger offene Stellen: Gekündigte kämpfen heute härter um ihren Job

Laut jüngsten Erhebungen sinkt die Zahl der gemeldeten Stellenangebote in Deutschland deutlich. Nach den IAB-Stellenerhebungen gab es im 1. Quartal 2024 rund 1,57 Millionen offene Stellen – gut 10 % weniger als ein Jahr zuvor. Saisonal kam es zwar im Herbst 2024 zu einem leichten Anstieg: Für das 4. Quartal 2024 weist das IAB 1,40 Millionen offene Stellen aus, etwa 10 % mehr als im Vorquartal, aber immer noch 19 % weniger als im Vorjahresquartal. Im 1. Quartal 2025 setzte sich der Rückgang fort: Die IAB-Stellenerhebung meldet 1,18 Millionen offene Stellen (−16 % gegenüber Q4/2024, −25 % gegenüber Q1/2024). Etwa 78 % dieser Stellen waren sofort vakant (also unbesetzt).

Entsprechend brach auch der über die Bundesagentur für Arbeit (BA) gemeldete Bedarf ein. So waren im März 2025 nur noch etwa 643.000 offene Arbeitsplätze über die Agenturen registriert – rund 64.000 weniger als ein Jahr zuvor. Parallel dazu stieg die Arbeitslosenzahl auf fast 3 Mio. (Arbeitslosenquote 6,4 % im März 2025). Das Verhältnis von Arbeitslosen zu offenen Stellen („Arbeitslosen-Stellen-Relation“) liegt mittlerweile bei etwa 251 Arbeitslosen auf 100 offene Stellen (bundesweit), 74 Personen mehr als noch vor einem Jahr. Vor allem in Ostdeutschland ist der Druck deutlich gestiegen: Dort kommen etwa 330 Arbeitslose auf 100 offene Stellen, im Westen 234.

Diese Daten – ermittelt vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und berichtet u. a. von der Bundesagentur – zeigen seit 2022 einen deutlichen Abwärtstrend. Von einem Höchststand von knapp 2 Millionen offenen Stellen Ende 2022 gingen die Zahlen schrittweise zurück (Abb. 1). Laut IAB sinken nun seit sieben Quartalen in Folge die gemeldeten Vakanzbestände.

Auswirkungen auf gekündigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

Sinkende Stellenangebote erschweren es gekündigten oder arbeitslosen Personen, schnell eine neue Anstellung zu finden. Mit jeder Verringerung der offenen Stellen steigt die Konkurrenz um jede freie Stelle; die gestiegene Arbeitslosen-Stellen-Relation zeigt, dass im Schnitt schon heute mehrere Arbeitslose auf jede vakante Position kommen. Die Folge ist längere Arbeitslosigkeit und steigende Vermittlungszeiten. So fällt beispielsweise die sogenannte „Frühjahrsbelebung“ 2025 schwach aus: Im März 2025 ging die Arbeitslosenzahl nur um 22.000 zurück (der geringste Rückgang seit 2009), die Quote blieb bei 6,4 %. Währenddessen meldet die BA weniger neue Stellenausschreibungen.

Für die Betroffenen bedeutet dies oft einen spürbaren wirtschaftlichen und psychischen Druck. Studien belegen, dass Jobverlust und Arbeitslosigkeit das Stressniveau deutlich erhöhen. Eine Analyse der Uni Erlangen-Nürnberg zeigt: Arbeitslose leiden deutlich häufiger unter psychischen Beschwerden als Erwerbstätige. Rund 34 % der Arbeitslosen berichten von Depressionen, Ängsten oder anderen psychischen Problemen, gegenüber nur 16 % der Erwerbstätigen. Die Forscher sehen den Grund darin, dass Arbeit neben Einkommen auch Struktur, soziale Einbindung und Selbstwert vermittelt. Bei vielen Arbeitnehmer:innen steigt daher in den ersten Monaten ohne Job das Stresslevel an.

Zusammenfassend leidet das “Klientel“ der Gekündigten doppelt: Ihre wirtschaftliche Situation verschlechtert sich (zunehmende Arbeitslosigkeit), während das psychische Belastungspensum steigt. Je niedriger das Angebot an freien Stellen, desto weniger Chancen auf eine zügige Rückkehr ins Erwerbsleben und desto höher sind finanzielle und persönliche Belastungen.

 

Juristische Rahmenbedingungen für gekündigte Arbeitnehmer

Allgemeiner Kündigungsschutz (KSchG)

Der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) greift grundsätzlich in Betrieben mit mehr als 10 Mitarbeitern (→§ 23 KSchG) und nach einer Betriebszugehörigkeit von mindestens sechs Monaten (§ 1 Abs. 1 KSchG). Gemäß § 1 KSchG ist jede arbeitgeberseitige Kündigung nur wirksam, wenn sie sozial gerechtfertigt ist. Das bedeutet: Die Kündigung muss einen rechtlich anerkannten Grund haben (personenbedingt, verhaltensbedingt oder betriebsbedingt). Bei einer betriebsbedingten Kündigung fordert § 1 Abs. 2 KSchG „dringende betriebliche Erfordernisse“ als Kündigungsgrund. Hiernach ist eine Kündigung nur zulässig, wenn der Wegfall des Arbeitsplatzes aus tatsächlichen, dringenden betrieblichen Gründen unvermeidbar ist. Im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes muss der Arbeitgeber zuvor alle zumutbaren Alternativen geprüft haben – etwa anderen geeigneten freien Arbeitsplatz anzubieten oder Umschulungsmaßnahmen zu ergreifen. Erst wenn “jede Weiterbeschäftigungsmöglichkeit” (räumlich und fachlich) entfällt, kann eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen werden. Die verfehlte Prüfung solcher Alternativen führt typischerweise zur Unwirksamkeit der Kündigung.

Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG)

Lässt sich eine Kündigung betriebsbedingt nicht vermeiden, schreibt § 1 Abs. 3 KSchG eine Sozialauswahl vor. Dabei muss der Arbeitgeber unter den “vergleichbaren” Arbeitnehmern (§ 1 Abs. 3 KSchG) diejenigen auswählen, die sozial am wenigsten schutzbedürftig sind. Zu den wesentlichen Sozialkriterien zählen laut § 1 Abs. 3 KSchG und Rechtsprechung die Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, Unterhaltspflichten (Familienstand) sowie eine etwaige Schwerbehinderung. In der Praxis wird dafür oft ein Punkteschema erstellt: Je länger die Betriebszugehörigkeit oder je älter ein Arbeitnehmer ist (bzw. je mehr Unterhaltspflichten oder eine Schwerbehinderung vorliegen), desto höher seine Punktzahl und damit desto eher bleibt er in einer Kündigungssituation im Betrieb. Fehlerhafte Sozialauswahl (z. B. falsche Bildung von Vergleichsgruppen oder unzureichende Berücksichtigung eines Kriteriums) führen nach h.M. zur Unwirksamkeit der Kündigung.

Betriebsrat und Mitbestimmung (§ 102 BetrVG)

Vor jeder Kündigung müssen Arbeitgeber gemäß § 102 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) den Betriebsrat anhören und über die Kündigungsabsicht informieren. Werden bei der Anhörung die Kündigungsgründe oder die Sozialauswahl nicht vollständig mitgeteilt, so kann der Betriebsrat innerhalb einer Woche widersprechen. Bleibt die Anhörung gar aus, ist die Kündigung gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG nichtig. Praxisfehler wie fehlende oder unzureichende Betriebsratsanhörung führen daher regelmäßig zur Unwirksamkeit der Kündigung. Darüber hinaus hat der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte, wenn es um generelle Auswahlrichtlinien oder Punkteschemata geht (§ 95 BetrVG), und Betriebsratsmitglieder genießen gemäß KSchG (§ 15) besonderen Kündigungsschutz.

Besondere Schutzvorschriften

Über den allgemeinen Kündigungsschutz hinaus bestehen Sonderregelungen für besonders schutzwürdige Gruppen. So gilt etwa ein strenger Kündigungsschutz für Schwangere und junge Mütter (§ 17 MuSchG, Kündigungsverbot während Schwangerschaft und bis vier Monate nach Geburt), für Eltern in Elternzeit (§ 18 BEEG), für Schwerbehinderte (§ 168 SGB IX, Kündigung nur mit Zustimmung des Integrationsamts) sowie für Auszubildende und Wehr- oder Zivildienstleistende. Auch Betriebsrats- und Jugendvertreter-Mitglieder sind durch § 15 KSchG bzw. § 103 BetrVG (Zustimmungspflicht) besonders geschützt. In allen diesen Fällen kann eine ordentliche Kündigung meist nur in Ausnahmefällen und oftmals nur mit vorheriger behördlicher Genehmigung ausgesprochen werden.

Typische Fehler und Fallkonstellationen bei betriebsbedingter Kündigung

Häufige Rechtsverstöße der Arbeitgeber liegen in fehlenden Alternativprüfungen und Fehlern bei der Sozialauswahl. So wird oft versäumt, dem gekündigten Arbeitnehmer einen anderen freien Arbeitsplatz im Betrieb oder Konzern anzubieten. Nach ständiger Rechtsprechung muss aber geprüft werden, ob der Arbeitnehmer nach Einarbeitung eine andere zumutbare Stelle besetzen könnte. Versäumnisse dabei machen eine Kündigung unwirksam. Ebenfalls häufig sind irrtümliche Vergleiche in der Sozialauswahl (z. B. Zusammenlegung heterogener Mitarbeitergruppen). Das LAG Düsseldorf entschied jüngst, dass eine betriebsbedingte Kündigung unwirksam ist, wenn der Arbeitgeber die Vergleichsgruppen falsch gebildet hatte.

Weitere klassische Fehler: Der Betriebsrat wird vor der Kündigung nicht korrekt informiert (§102 BetrVG). Wird die Anhörung nicht frist- und inhaltsgerecht durchgeführt, ist die Kündigung nichtig. Auch werden oft die Kriterien der Sozialauswahl (Betriebszugehörigkeit, Alter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung) nicht korrekt berücksichtigt. Schließlich kann die Missachtung besonderer Schutzvorschriften (z. B. Kündigung trotz bestehendem Mutterschutz oder Behinderung) zum vollständigen Scheitern einer Kündigung führen. Die Kombination dieser Fehler führt regelmäßig dazu, dass Kündigungsschutzklagen erfolgreich sind, weil die Sozialauswahl oder Verfahrensanforderungen (Anhörung, Anhörung, Auswahlrichtlinien) nicht eingehalten wurden.

Außenpolitische Entwicklungen: US-Zollpolitik unter Donald Trump

Extern wirkende Faktoren können die wirtschaftliche Lage deutscher Unternehmen beeinflussen. Insbesondere die US-Handelspolitik unter Präsident Trump hat – zumindest in der Vergangenheit – deutsche Exporte beeinträchtigt. Studien und Experten warnen, dass angekündigte Strafzölle auf deutsche Produkte erhebliche Arbeitsplatzeinbußen bringen könnten. So ging Bundesagentur-Chefin Andrea Nahles bereits 2018 davon aus, dass Trumps Zollpolitik bis zu 90.000 Jobs pro Jahr in Deutschland kosten könnte (Studie des IAB, Tarif von 25 % untersuchend). Ein aktueller Bericht des IMK (Institut für Makroökonomie) kommt sogar zu einer Schätzung von bis zu 300.000 verlorenen Arbeitsplätzen, falls hohe US-Zölle voll umgesetzt und Gegenzölle der EU folgen sollten. Diese Zahlen reflektieren die große Bedeutung des US-Markts für die deutsche Exportwirtschaft. Deutschland erzielte 2024 über die Hälfte des gesamten Handelsüberschusses der EU mit den USA.

In der Praxis kann solche außenpolitische Unsicherheit zu Investitionszurückhaltung führen. Wenn deutsche Unternehmen fürchten, dass Abnehmer in den USA wegfallen oder zusätzliche Kosten durch Zölle entstehen, dämpft das ihre Bereitschaft, Arbeitskräfte einzustellen oder neue Stellen zu schaffen. Nahles betont, dass die „erratische Handelspolitik der USA“ „die Unternehmen daran hindert, Investitionen zu tätigen, Menschen einzustellen und auszubilden“. In der Konsequenz verschärfen protektionistische Maßnahmen wie Zölle auf Autos, Stahl oder andere Industriegüter mittelbar die Lage am heimischen Arbeitsmarkt. Der dadurch sinkende Absatz kann zu Stellenabbau in exportorientierten Branchen führen.

Fazit: Der deutsche Arbeitsmarkt steht aktuell vor Herausforderungen: Während die Zahl offener Stellen deutlich zurückgeht, nehmen Arbeitslosigkeit und Konkurrenz um freie Jobs zu. Arbeitnehmer, die von einer betriebsbedingten Kündigung betroffen sind, müssen daher umso mehr auf ihren Kündigungsschutz achten. Sie profitieren von den strengen Anforderungen des KSchG an dringende betriebliche Gründe und korrekte Sozialauswahl. Nur wenn der Arbeitgeber nachweist, dass keine anderen Stellen verfügbar waren und die Sozialauswahl ordnungsgemäß erfolgte, kann eine Kündigung Bestand haben. Andernfalls sind Klagen vor dem Arbeitsgericht aussichtsreich. Betriebsrätespielen bei jeder Kündigung eine wichtige Rolle (§ 102 BetrVG), und besondere Gruppen (Schwangere, Schwerbehinderte, Eltern etc.) genießen zusätzlichen Schutz. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage und globaler Handelsspannungen ist juristische Sorgfalt umso wichtiger – sowohl für Arbeitgeber als auch für gekündigte Arbeitnehmer, um Rechte durchzusetzen.

 

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