Zurück in den Job – mit BEM und dem Hamburger Modell

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Nach langer Krankheit: Was Arbeitnehmer jetzt wissen müssen

Ob Rücken, Psyche oder Corona-Folgen – wer länger als sechs Wochen krank ist, braucht oft mehr als einen Arzt, um wieder ins Berufsleben einzusteigen. Genau hier greifen zwei zentrale Instrumente: das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) und das sogenannte Hamburger Modell.

Seit 2004 ist das BEM Pflicht – für Arbeitgeber. Ziel ist es, Beschäftigte nach längerer Krankheit dabei zu unterstützen, den Arbeitsplatz zu erhalten und erneute Ausfälle zu vermeiden. Dazu arbeiten Arbeitgeber, Beschäftigte und z. B. der Betriebsrat gemeinsam an individuellen Lösungen. Das kann bedeuten, den Arbeitsplatz anzupassen oder externe Hilfen zu vermitteln. Wichtig: Die Teilnahme am BEM ist freiwillig, schützt aber im Ernstfall vor einer voreiligen Kündigung.

Ein häufiger Bestandteil des BEM ist das Hamburger Modell. Dabei erfolgt die Rückkehr in kleinen Schritten – etwa über sechs Wochen – bei fortbestehender Krankschreibung. Das Tempo bestimmt die Belastbarkeit des Mitarbeiters, nicht ein starrer Plan.

Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel und steigendem Krankenstand ist das BEM nicht nur sinnvoll, sondern notwendig. Es ermöglicht Gesundheit, Teilhabe und wirtschaftliche Stabilität – für beide Seiten.

Kurz und Knapp: Wer wieder in den Beruf einsteigen will, sollte das BEM als Chance verstehen – und aktiv mitgestalten.


Chancen und Risiken bei der Wiedereingliederung: Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

In Deutschland steigen die Krankenstände seit einiger Zeit deutlich an. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer waren allein im Jahr 2023 durchschnittlich 15,1 Arbeitstage krankgemeldet – und hinter diesem Durchschnitt verbergen sich viele Betroffene mit deutlich längeren Ausfallzeiten. Was passiert, wenn Beschäftigte monatelang krank sind? Für alle Seiten stellt sich die Frage, wie eine Wiedereingliederung gelingen kann oder ob am Ende sogar die krankheitsbedingte Kündigung droht. Genau hier setzt das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) an. Dieser vom Gesetz vorgeschriebene Prozess soll erkrankten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Weg zurück an den Arbeitsplatz ebnen und zugleich Arbeitgebern helfen, wertvolle Fachkräfte zu halten. Doch das BEM birgt neben großen Chancen auch einige Risiken und Fallstricke. Im Folgenden werden die rechtlichen Grundlagen und Ziele des BEM erläutert, Chancen und Risiken beleuchtet und praxisnahe Beispiele sowie häufige Fragen aus arbeitsrechtlicher Sicht beantwortet – sachlich, kompetent und im Interesse aller Beteiligten.

Rechtliche Grundlagen und Ziele des BEM (§ 167 Abs. 2 SGB IX)

Das Betriebliche Eingliederungsmanagement ist keine freiwillige Nettigkeit des Arbeitgebers, sondern eine gesetzliche Verpflichtung im deutschen Arbeitsrecht. § 167 Abs. 2 SGB IX schreibt vor, dass jeder Arbeitgeber ein BEM anbieten muss, wenn eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen (also mehr als 42 Tage) ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war. Diese Verpflichtung gilt unabhängig von der Betriebsgröße und erfasst alle Beschäftigtengruppen – von Voll- oder Teilzeitkräften über Auszubildende bis zu leitenden Angestellten. Ziel des BEM ist es, die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden und erneuter Erkrankung vorzubeugen, um den Arbeitsplatz möglichst langfristig zu erhalten. Kurz gesagt: Das BEM soll helfen, krankheitsbedingte Kündigungen nach Möglichkeit zu vermeiden.

Wichtig ist dabei, dass das Verfahren freiwillig ist: Arbeitgeber müssen ein BEM zwar ordnungsgemäß anbieten, aber die Teilnahme der betroffenen Person erfolgt nur mit deren Zustimmung. Niemand kann zur Wiedereingliederung gegen seinen Willen gezwungen werden. Allerdings liegt im Interesse der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers, diese Möglichkeit zu nutzen – denn ein abgelehntes BEM darf zwar nicht direkt zum Nachteil gereichen, nimmt aber die Chance, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Umgekehrt müssen Arbeitgeber kein Bußgeld fürchten, wenn sie ihrer BEM-Pflicht nicht nachkommen. Im Ernstfall – etwa vor dem Arbeitsgericht – kann ein fehlendes oder fehlerhaftes BEM jedoch gravierende Folgen haben: Es wird für den Arbeitgeber sehr schwierig, die Verhältnismäßigkeit einer Kündigung darzulegen, ohne zuvor ein BEM versucht zu haben. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts macht deutlich, dass ohne ein ordnungsgemäß durchgeführtes BEM die Unwirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung droht. Mit anderen Worten: Eine Kündigung wegen langer Krankheit ist häufig rechtlich angreifbar, wenn kein BEM angeboten wurde.

Die gesetzliche Grundlage des BEM liegt im Sozialgesetzbuch IX, einem Regelwerk, das ursprünglich dem Schutz schwerbehinderter Menschen diente. Heute kommt das Verfahren jedoch allen länger erkrankten Beschäftigten zugute. Das Gesetz nennt ausdrücklich als Zweck, den Arbeitsplatz zu erhalten und zukünftige Erkrankungen zu vermeiden. Dazu soll der Arbeitgeber prüfen, welche milderen Mittel es gibt, bevor die ultima ratio Kündigung in Betracht gezogen wird. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement ist damit auch Teil des präventiven Arbeitsschutzes und Gesundheitsmanagements im Betrieb. Es fördert eine Unternehmenskultur, die nicht vorschnell auf Trennung setzt, sondern auf Integration und Prävention: Unternehmen handeln durch BEM zugleich fürsorglich gegenüber den Beschäftigten und langfristig kostenbewusst, indem sie Ausfallkosten sowie Rechtsstreitigkeiten vermeiden. Die Ziele des BEM liegen also sowohl im Interesse der Arbeitnehmer (Gesundheit und Joberhalt) als auch der Arbeitgeber (Produktivität und Rechts- sowie Planungssicherheit).

BEM und die Rolle des Betriebsrats

Neben dem individuellen Arbeitsverhältnis rückt das Betriebliche Eingliederungsmanagement auch kollektive Akteureauf den Plan – allen voran den Betriebsrat (sofern im Unternehmen vorhanden). Das Gesetz sieht vor, dass bei Einführung und Ausgestaltung eines BEM Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats berührt sein können. Konkret hat die Interessenvertretung der Arbeitnehmer nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein Initiativrecht, eine Betriebsvereinbarungzum BEM abzuschließen. In einer solchen Vereinbarung werden die Details des Verfahrens im Betrieb festgelegt – etwa zuständige Personen oder Stellen (BEM-Beauftragte), das genaue Verfahren der Einladung, Regelungen zum Datenschutz und zur Vertraulichkeit sowie mögliche Maßnahmenkataloge. Eine gut ausgearbeitete BEM-Betriebsvereinbarung sorgt für Transparenz und Rechtssicherheit: Alle Beteiligten wissen, woran sie sind, und typische Streitpunkte (z. B. zum Umgang mit Gesundheitsdaten oder zur Einbindung externer Stellen) sind vorab geklärt.

In der Praxis wird der Betriebsrat oft von Anfang an in das BEM-Verfahren einbezogen. Schon das Einladungsschreiben zum BEM geht in Kopie an den Betriebsrat, und ein Mitglied des Betriebsrats kann auf Wunsch der betroffenen Person am BEM-Gespräch teilnehmen. Wichtig: Die oder der Betroffene entscheidet selbst, wen sie oder er dabeihaben möchte. Seit 2021 besteht sogar die Möglichkeit, eine Vertrauensperson des eigenen Vertrauenszum BEM hinzuzuziehen – das kann ein Familienmitglied oder auch eine externe Person sein. Der Arbeitgeber muss auf dieses Recht hinweisen, andernfalls gilt das BEM als nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Bei schwerbehinderten Beschäftigten ist zudem die Schwerbehindertenvertretung einzubinden, und das Integrationsamt kann unterstützend hinzugezogen werden. All diese Akteure – Betriebsrat, Personalrat (im öffentlichen Dienst), Schwerbehindertenvertretung, Betriebsarzt, Fachkraft für Arbeitssicherheit und ggf. Reha-Träger – bilden in vielen Betrieben ein BEM-Team oder Integrationsteam, das den Prozess begleitet.

Für Arbeitgeber mag die Einbindung so vieler Stellen zunächst nach Aufwand klingen. Doch die Erfahrung zeigt: Ein kooperativ abgestimmtes Vorgehen erhöht die Erfolgschancen des BEM erheblich. Der Betriebsrat kann durch sein Wissen um die Arbeitsbedingungen und mögliche Einsatzalternativen im Betrieb wertvolle Beiträge leisten. Gleichzeitig achtet er darauf, dass die Rechte der Betroffenen – insbesondere der Datenschutz und die Freiwilligkeit– gewahrt bleiben. So wird das BEM zu einem transparenten Verfahren, dem Beschäftigte eher vertrauen. Schließlich sitzt im Betriebsrat auch die Belegschaft mit am Tisch: Gerade in sensiblen Fällen, etwa wenn es um Anpassungen des Arbeitsplatzes oder eine Versetzung geht, ist es wichtig, dass alle an einem Strang ziehen. Eine BEM-Betriebsvereinbarung kann hier als gemeinsam getragenes Regelwerk fungieren und Missverständnisse vermeiden. Arbeitgeber wiederum profitieren davon, dass durch klare betriebliche Regeln auch Formalfehler vermieden werden – etwa bei der Einladung zum BEM, die bestimmten Anforderungen genügen muss. Denn formale Patzer (z. B. unklare Informationen im Einladungsschreiben über Ziele oder Freiwilligkeit des BEM) wurden von Gerichten schon als Fehler gewertet, die eine anschließend ausgesprochene Kündigung unwirksam machten. Kurz: Der Betriebsrat ist kein Hemmschuh, sondern im Idealfall Mitgestalter eines fairen BEM-Prozesses, von dem beide Seiten profitieren.

Wie läuft ein BEM-Verfahren ab?

Bevor wir die Chancen und Risiken beleuchten, lohnt ein Blick auf den typischen Ablauf eines BEM. Auch wenn jede Wiedereingliederung individuelle Lösungen erfordert, lassen sich gewisse Schritte verallgemeinern:

  1. Auslöser und Einladung: Sobald die Sechs-Wochen-Grenze der Arbeitsunfähigkeit erreicht ist (innerhalb von 12 Monaten), wird der Arbeitgeber aktiv. Er informiert die betroffene Person schriftlich über die BEM-Maßnahme. Dieses Einladungsschreiben erläutert den Anlass (z. B. Fehlzeit von über 42 Tagen) und die Ziele des BEM, weist auf die Freiwilligkeit hin und klärt über Datenschutz auf. Die oder der Beschäftigte wird eingeladen, an einem Gespräch teilzunehmen, und kann bereits Ansprechpartner benennen (z. B. den Betriebsrat oder eine Vertrauensperson, wie oben beschrieben). Ein gut formuliertes Einladungsschreiben ist wichtig – es legt den Grundstein für das Vertrauen in den Prozess und muss juristischen Anforderungen genügen.
  2. Informationsgespräch: Auf Wunsch der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters findet oft zunächst ein freiwilliges Informationsgespräch statt. Dabei können offene Fragen geklärt werden: Was passiert im BEM? Welche Daten werden erhoben? Hier zeigt sich bereits, wie der Betrieb mit dem Thema umgeht – transparentes Vorgehen schafft Akzeptanz.
  3. BEM-Gespräch und Analyse: Kern des BEM ist ein persönliches Gespräch zwischen der betroffenen Person und dem Arbeitgeber bzw. dem BEM-Team. In diesem geschützten Rahmen werden die Ursachen der langen oder häufigen Erkrankungen besprochen, soweit die Person dazu Auskunft geben möchte. Wichtig: Niemand muss im BEM konkrete Diagnosen offenlegen, wenn er oder sie das nicht will. Es geht vor allem darum, gesundheitliche Einschränkungen am Arbeitsplatz zu identifizieren und gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Dabei können je nach Fall der Betriebsarzt, die Fachkraft für Arbeitssicherheit oder externe Berater hinzugezogen werden. Typische Fragen sind: Gibt es arbeitsbedingte Auslöser für die Erkrankung? Welche betrieblichen Anpassungen könnten die Rückkehr erleichtern? Dieser Teil ist ein ergebnisoffener Suchprozess – das heißt, es steht nicht von vornherein fest, was am Ende passieren soll. Alle Beteiligten arbeiten konstruktiv daran, den Arbeitsplatz zu erhalten, wenn irgend möglich.
  4. Maßnahmenplanung: Aus dem BEM-Gespräch resultiert idealerweise ein Maßnahmenplan. Er enthält konkrete Schritte, um die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen oder zu erhalten. Mögliche BEM-Maßnahmensind zum Beispiel:
    • Anpassung des Arbeitsplatzes (etwa ergonomische Büromöbel wie höhenverstellbare Tische oder spezielle technische Hilfsmittel),
    • Arbeitszeitmodifikationen, z. B. vorübergehend reduzierte Stunden oder flexible Arbeitszeiten zur Schonung der Gesundheit,
    • Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz im Betrieb, falls die bisherige Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausgeübt werden kann,
    • Stufenweise Wiedereingliederung (Hamburger Modell): Dabei handelt es sich um einen medizinisch begleiteten Prozess, bei dem der/die Beschäftigte nach einer langen Krankheit schrittweise mit zunächst geringer Stundenzahl wieder ins Arbeitsleben einsteigt. Dieses Modell wird vom behandelnden Arzt in Abstimmung mit der Krankenkasse vorgeschlagen und oft im BEM als eine Maßnahme genutzt,
    • Einschaltung externer Stellen zur Unterstützung, etwa Rehabilitationsträger (Rentenversicherung, Berufsgenossenschaft, Agentur für Arbeit), wenn Leistungen zur Teilhabe oder Umschulungen nötig sind,
    • Angebote zur betrieblichen Gesundheitsförderung, wie etwa Kurse, Beratungen oder Präventionsprogramme, um künftigen Ausfällen vorzubeugen.

    Die vereinbarten Schritte werden in einem BEM-Protokoll festgehalten. Wichtig ist, klare Verantwortlichkeiten und Zeiträume zu definieren: Wer setzt welche Maßnahme bis wann um? Beispielsweise könnte vereinbart werden, dass der Betrieb innerhalb von zwei Monaten einen ergonomischen Arbeitsplatz einrichtet und der/die Beschäftigte parallel eine medizinische Reha-Maßnahme wahrnimmt. Oft wird auch ein weiterer Gesprächstermin festgelegt, um die Wirksamkeit der Maßnahmen zu überprüfen.

  5. Durchführung und Abschluss: In den folgenden Wochen oder Monaten werden die Maßnahmen umgesetzt – begleitet durch den/die BEM-Beauftragte(n) oder ein BEM-Team, das den Fortschritt überwacht. Gelingt die vollständige Wiedereingliederung, endet der Prozess mit einem Abschlussgespräch, in dem alle Beteiligten Bilanz ziehen: Ist der/die Arbeitnehmer(in) wieder dauerhaft arbeitsfähig und zufrieden mit den Anpassungen? Haben sich die Erwartungen erfüllt? Idealerweise wird an dieser Stelle der erfolgreiche Abschluss gemeinsam dokumentiert – ein positives Signal für alle. Sollte dagegen keine Besserung eintreten oder keine zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit gefunden werden, wird auch dies festgehalten. Das BEM gilt dann als gescheitert. Die Personalakte erhält einen Vermerk, dass das BEM durchgeführt (oder versucht) wurde und kein tragfähiges Ergebnis erbrachte.

Durch diesen strukturierten Ablauf bietet das BEM beiden Seiten einen klaren Fahrplan in einer sonst oft von Unsicherheit geprägten Situation. Für die erkrankte Person bedeutet es, nicht alleine gelassen zu werden, sondern Unterstützung beim Weg zurück in den Job zu erhalten. Für den Arbeitgeber bietet sich die Gelegenheit, aktiv Einfluss zu nehmen, anstatt passiv abzuwarten – etwa, indem Arbeitsbedingungen verbessert werden, bevor wertvolle Arbeitskraft endgültig verloren geht.

Chancen des BEM für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Ein erfolgreich durchgeführtes Eingliederungsmanagement bietet Win-Win-Chancen. Hier die wichtigsten Chancen des BEM auf einen Blick:

  • Erhalt des Arbeitsplatzes: Aus Sicht der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers ist das BEM oft die letzte Brücke, um trotz gesundheitlicher Probleme im Erwerbsleben zu bleiben. Gelingt es, gemeinsam mit dem Arbeitgeber Lösungen zu finden – sei es durch technische Hilfsmittel, Umgestaltung des Jobs oder zeitliche Entlastung –, kann der Verlust des Arbeitsplatzes abgewendet werden. Gerade für langjährige Fachkräfte mit spezieller Expertise ist das ein unschätzbarer Vorteil. Statt in die Erwerbslosigkeit oder Frührente zu geraten, wird eine Perspektive zur Weiterarbeit geschaffen. Das wirkt sich positiv auf die finanzielle Sicherheit, die berufliche Entwicklung und nicht zuletzt auf die psychische Gesundheit der Betroffenen aus.
  • Verbesserte Arbeitsbedingungen und Prävention: Das BEM zwingt Arbeitgeber, genauer hinzuschauen, warum jemand immer wieder oder lange erkrankt ist. Oft kommen dabei Schwachstellen im Betrieb ans Licht – zum Beispiel eine hohe physische Belastung an bestimmten Arbeitsplätzen, ergonomische Mängel oder auch zwischenmenschliche Konflikte und Stressfaktoren. Chancen des BEM bestehen darin, solche Faktoren gezielt anzugehen und damit auch für andere Beschäftigte Verbesserungen zu erzielen. Ein Unternehmen, das konsequent aus BEM-Fällen lernt, entwickelt quasi ein Frühwarnsystem für gesundheitliche Risiken im Betrieb. Das Ergebnis ist eine präventive Anpassung der Arbeitsbedingungen – ein Gewinn für die gesamte Belegschaft.
  • Fachkräftebindung und Wissenserhalt: Aus Arbeitgebersicht bietet das BEM die Chance, erfahrene und gut eingearbeitete Mitarbeiter trotz gesundheitlicher Einschnitte zu halten. In Zeiten des Fachkräftemangels ist jede gehaltene Fachkraft Gold wert. Durch geeignete Wiedereingliederungsmaßnahmen lässt sich der vollständige Arbeitsausfall vielfach abwenden und die Produktivität mittelfristig wieder steigern. Gleichzeitig werden hohe Kosten vermieden: Sowohl Rekrutierung und Einarbeitung von Ersatzkräften als auch längere Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall oder Prozesse vor dem Arbeitsgericht sind teuer. Ein erfolgreiches BEM hilft, solchen Aufwand zu reduzieren. Kurzum: BEM ist betriebswirtschaftlich sinnvoll, wenn es Arbeitsfähigkeit zurückbringt.
  • Besseres Betriebsklima und Employer Branding: Unternehmen, die sich vorbildlich um die Wiedereingliederung Kranker kümmern, senden ein starkes Signal – intern wie extern. Beschäftigte beobachten genau, wie der Arbeitgeber mit erkrankten Kollegen umgeht. Wird das BEM ernsthaft betrieben und wird jede Chance zur Weiterbeschäftigung genutzt, stärkt dies das Vertrauen und die Motivation der gesamten Belegschaft. Die Leute wissen: „Wenn mir etwas passiert, werde ich nicht einfach aussortiert.“ Diese sozial verantwortliche Kultur zahlt sich aus durch höhere Loyalität und weniger innere Kündigung. Nach außen profiliert sich der Betrieb als arbeitnehmerfreundlich – ein Pluspunkt im Wettbewerb um Talente. Gerade in einer Arbeitswelt, in der Schlagworte wie Workplace Wellness und betriebliches Gesundheitsmanagement an Bedeutung gewinnen, wird ein konsequent umgesetztes BEM fast zu einem Gütesiegel für nachhaltige Personalpolitik.

Zusammengefasst bietet das Betriebliche Eingliederungsmanagement enorme Chancen: für Beschäftigte die realistische Aussicht auf Wiedereingliederung und Erhalt ihrer wirtschaftlichen Existenz, für Arbeitgeber die Möglichkeit, Know-how im Betrieb zu halten und langfristig Fehlzeiten zu reduzieren, sowie für die Belegschaft insgesamt ein Zeichen von Solidarität und weitsichtigem Handeln.

Risiken und Herausforderungen beim BEM

Wo Licht ist, ist auch Schatten – das gilt auch beim BEM. Trotz aller guten Intentionen gibt es Risiken und Herausforderungen, die beteiligten Personen bewusst sein sollten:

  • Vertrauensprobleme und Datenschutz: Eine der größten Hürden in der Praxis ist das fehlende Vertrauenmancher Beschäftigter in den BEM-Prozess. Nicht selten besteht die Sorge, dass preisgegebene Gesundheitsdaten später gegen sie verwendet werden könnten. Arbeitnehmer fragen sich: Soll ich dem Arbeitgeber wirklich von meiner Depression, meiner Krebsbehandlung oder meinem Rückenleiden erzählen?Theoretisch sind im BEM sensible Diagnose-Informationen gar nicht zwingend erforderlich – es reicht, über Einschränkungen zu sprechen („Ich kann nicht lange sitzen“ statt „Ich habe Bandscheibenvorfälle“). Trotzdem fühlt sich mancher unter Druck, mehr preiszugeben, als ihm lieb ist. Hier lauert ein Risiko: Offenlegung der Diagnose und damit verbundene Stigmatisierung. Betriebe müssen daher peinlich genau auf Datenschutzachten: Gesundheitsdaten gehören nicht in die allgemeine Personalakte, und alle am BEM Beteiligten unterliegen der Schweigepflicht. Ein Vertrauensbruch könnte den guten Zweck des BEM konterkarieren. Für Arbeitnehmer bedeutet dies Herausforderung und Chance zugleich – sie sollten sich gut überlegen, welche Informationen sie teilen, und dürfen erwarten, dass der Arbeitgeber damit verantwortungsvoll umgeht.
  • Formale Fehler und rechtliche Fallstricke: Für Arbeitgeber besteht das Risiko, im BEM formale Fehler zu begehen, die später teuer werden können. Schon die Einladung zum BEM ist, wie erwähnt, kritisch – enthält sie nicht alle erforderlichen Hinweise (z. B. auf Freiwilligkeit und Ziele), werten Gerichte das BEM mitunter als gar nicht erfolgt. Auch muss der Arbeitgeber rechtzeitig einladen: Wartet er zu lange oder führt er das BEM zu oberflächlich durch, kann dies im Kündigungsschutzprozess negativ ausgelegt werden. Das Bundesarbeitsgericht stellte klar, dass ein beiläufiges Krankenrückkehrgespräch kein Ersatz für ein systematisches BEM ist. Zudem dürfen Arbeitgeber den Betriebsrat nicht einfach übergehen – wird der Betriebsrat nicht korrekt beteiligt oder zumindest informiert, droht ebenfalls Ungemach. Die Herausforderung liegt darin, das BEM ordnungsgemäß und dokumentiert durchzuführen, obwohl das Gesetz wenig Konkretes zur Umsetzung vorgibt. Arbeitgeber sind gut beraten, sich an bewährten Leitfäden zu orientieren oder rechtlichen Rat einzuholen, um Stolperfallenzu vermeiden.
  • Freiwilligkeit und Mitwirkung: Wie bereits dargelegt, kann niemand zum BEM gezwungen werden. Verweigert ein(e) Mitarbeiter(in) die Teilnahme, ist das Verfahren beendet, bevor es richtig begonnen hat. Für den Arbeitgeber entsteht dann zumindest kein rechtliches Risiko mehr – er hat ja seiner Pflicht Genüge getan –, aber natürlich fehlt dann auch die Grundlage, um Alternativen zur Kündigung auszuloten. Das Risiko liegt hier auf Seiten der Beschäftigten: Ohne BEM keine Verbesserungsmaßnahmen. Wer aus Misstrauen oder Angst vor Kontrolle das Angebot ausschlägt, vergibt möglicherweise die Chance, doch noch im Betrieb zu bleiben. Zwar darf die bloße Ablehnung nicht als Kündigungsgrund dienen, doch faktisch kann sie Weichen stellen. In einem späteren Kündigungsschutzprozess wird dem Arbeitgeber jedenfalls nicht vorgeworfen werden, es nicht versucht zu haben. Andererseits müssen Beschäftigte im BEM aufpassen, sich nicht zu passiv zu verhalten: Das Verfahren lebt von ihrer Mitarbeit. Wer beispielsweise alle Vorschläge des Arbeitgebers pauschal ablehnt, ohne eigene Ideen einzubringen, erschwert eine Lösung. Hier ist Kommunikation gefragt – beide Seiten sollten offen und konstruktiv bleiben, um das Risiko des Scheiterns zu minimieren.
  • Kein Allheilmittel – Risiko des Scheiterns: So wertvoll das BEM ist, es bietet keine Erfolgsgarantie. Trotz intensivem Bemühen kann es Fälle geben, in denen keine zumutbare Möglichkeit gefunden wird, die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden. Risiko aus Arbeitnehmersicht: Nach einem gescheiterten BEM steht die Kündigung oft tatsächlich im Raum. Das BEM verzögert sie allenfalls. Betroffene sollten sich seelisch auf diese Möglichkeit einstellen – auch wenn es schwerfällt. Für Arbeitgeber wiederum stellt sich das Risiko, am Ende doch eine Kündigung aussprechen zu müssen, mit all den negativen Begleiterscheinungen (Kosten, Unruhe in der Belegschaft, Know-how-Verlust). Es kann außerdem vorkommen, dass trotz Maßnahmen die Krankheit wiederkehrt. Dann beginnt der Zyklus möglicherweise von vorn. Diese Unsicherheit müssen beide Seiten aushalten. Wichtig ist, realistische Erwartungen ans BEM zu haben: Es ist ein Versuch, kein Versprechen. Das Verfahren kann helfen, Kündigungen zu vermeiden, aber eben nicht in jedem Fall.
  • Missbrauch oder Fehlinterpretation: Ein weiteres Risiko – zum Glück selten – ist der Missbrauch des BEM. Beispielsweise könnte ein Arbeitgeber BEM pro forma durchführen, um gegenüber dem Gericht im Fall einer Kündigung besser dazustehen, ohne echtes Interesse an einer Weiterbeschäftigung zu haben. Solche Fälle untergraben natürlich den Sinn des BEM und können das Vertrauen zerstören. Umgekehrt könnten Beschäftigte versuchen, durch ständige Krankschreibungen und BEM-Verfahren eine Kündigung auf unbestimmte Zeit hinauszuzögern, ohne ernsthaft an einer Lösung mitzuwirken. Auch das ist nicht im Sinne des Gesetzes. Beide Szenarien sind aber eher theoretische Randfälle. Die allermeisten Beteiligten gehen mit dem BEM verantwortungsvoll um – dennoch bleibt als Herausforderung, stets redlich zu handeln und die Chancen nicht durch taktische Spielchen zu verspielen.

Zusammenfassend erfordert das Betriebliche Eingliederungsmanagement Sorgfalt, Vertrauen und Kommunikation. Die Risiken lassen sich in vielen Fällen durch transparentes Vorgehen und rechtliche Expertise minimieren. Wenn alle Beteiligten die Spielregeln einhalten, bleibt das BEM das, was es sein soll: ein wertvolles Instrument, um nach vorne zu schauen statt zu kündigen.

Häufige Fragen zum BEM

Im Zusammenhang mit dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement tauchen immer wieder praktische Fragen auf. Hier fünf häufig gestellte FAQs – knapp beantwortet:

Was ist ein Betriebliches Eingliederungsmanagement und wann muss es angeboten werden?

  • Definition: BEM bezeichnet ein strukturiertes Verfahren, mit dem länger erkrankte Beschäftigte bei der Wiedereingliederung ins Arbeitsleben unterstützt werden. Es umfasst Gespräche und Maßnahmen, um die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen oder zu erhalten.
  • Rechtlicher Auslöser: Ein BEM muss angeboten werden, wenn eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer innerhalb von 12 Monaten insgesamt mehr als sechs Wochen krankheitsbedingt ausgefallen ist. Diese Frist kann sich aus einer Langzeiterkrankung oder vielen kürzeren Krankheitsphasen zusammensetzen.
  • Umfang: Das Angebot gilt unabhängig von Unternehmensgröße oder Beschäftigungsart für alle Arbeitnehmer. Schon vor Erreichen der sechswöchigen Grenze dürfen Arbeitgeber freiwillig unterstützende Gespräche anbieten – doch der formale BEM-Prozess nach Gesetz greift ab 42 Tagen Krankheit.

Müssen Arbeitnehmer am BEM teilnehmen?

  • Freiwilligkeit: Nein. Die Teilnahme am BEM ist freiwillig und erfordert die Zustimmung der betroffenen Person. Niemand kann gezwungen werden, an BEM-Gesprächen mitzuwirken oder persönliche Gesundheitsdaten offenzulegen.
  • Empfehlung: Trotz Freiwilligkeit ist die Teilnahme dringend zu empfehlen, wenn man das Arbeitsverhältnis erhalten möchte. Im BEM werden Lösungen gesucht, die Ihnen nutzen – etwa Anpassungen des Arbeitsplatzes oder Arbeitszeitmodelle, die Ihre Gesundheit schonen. Wer nicht teilnimmt, lässt diese Chancen verstreichen.
  • Ablehnung: Eine Ablehnung des BEM hat keine direkte arbeitsrechtliche Sanktion zur Folge. Der Arbeitgeber darf Sie z. B. nicht abmahnen oder kündigen, nur weil Sie das BEM verweigern. Allerdings fehlt ihm dann die Möglichkeit, Ihnen unterstützend entgegenzukommen. Im Falle einer später notwendigen Kündigung kann der Arbeitgeber zumindest vorbringen, er habe ein BEM angeboten – was für Sie im Kündigungsschutzprozess eher nachteilig ist.

Kann während oder nach einem BEM gekündigt werden?

  • Während des BEM: Grundsätzlich ja, eine Kündigung während eines laufenden BEM ist rechtlich nicht ausdrücklich verboten. Seriöse Arbeitgeber werden jedoch das Verfahren abwarten, bevor sie diesen Schritt erwägen. Das BEM soll ja gerade die Kündigung vermeiden. Eine vorschnelle Kündigung mitten im BEM würde dem Sinn widersprechen und könnte vor Gericht als unverhältnismäßig angesehen werden.
  • Nach Abschluss: Wenn das BEM scheitert, weil keine zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit gefunden wurde, kann in letzter Konsequenz eine krankheitsbedingte Kündigung ausgesprochen werden. Diese muss aber gut begründet sein (negative Gesundheitsprognose, erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen etc.). War ein BEM erfolglos versucht worden, stehen die Chancen des Arbeitgebers vor Gericht besser, als wenn er es gar nicht erst probiert hätte.
  • Kein Kündigungsschutz durch BEM: Wichtig zu verstehen ist, dass ein BEM keinen absoluten Kündigungsschutz bietet. Es ist kein „Freifahrtschein“, um dauerkrank zu bleiben. Vielmehr dient es dazu, Alternativen auszuloten. Gelingt das nicht, ist eine Kündigung rechtlich möglich – aber eben oft nur dann, wennvorher ein BEM durchgeführt wurde, da sonst die Kündigung unverhältnismäßig sein kann.

Was ist der Unterschied zwischen BEM und stufenweiser Wiedereingliederung („Hamburger Modell“)?

  • BEM als Prozess: Das Betriebliche Eingliederungsmanagement ist ein ganzheitlicher Prozess, der vom Arbeitgeber koordiniert wird. Es geht um alle denkbaren Maßnahmen zur Reintegration (technisch, organisatorisch, zeitlich, betrieblich). BEM ist gesetzlich vorgeschrieben, wenn die Voraussetzungen vorliegen, und umfasst in der Regel ein oder mehrere Gespräche sowie einen Maßnahmenplan.
  • Hamburger Modell: Die stufenweise Wiedereingliederung – oft Hamburger Modell genannt – ist eine einzelne Maßnahme innerhalb oder außerhalb eines BEM. Dabei arbeitet der/die Genesende zunächst wenige Stunden pro Tag und steigert die Stundenzahl schrittweise über mehrere Wochen. Dieses Modell wird vom behandelnden Arzt verordnet und mit der Krankenkasse abgestimmt. Während der Wiedereingliederung ist man offiziell weiter arbeitsunfähig und erhält in der Regel Krankengeld.
  • Zusammenspiel: BEM und Hamburger Modell sind nicht identisch, aber können Hand in Hand gehen. Häufig ergibt ein BEM-Gespräch, dass eine stufenweise Wiedereingliederung der richtige Weg ist – dann organisiert man im Rahmen des BEM diese Maßnahme. Es ist aber auch möglich, dass jemand das Hamburger Modell macht, ohne dass formal ein BEM-Verfahren eröffnet wurde (z. B. bei einer längeren Krankheit unter sechs Wochen, wo BEM noch nicht Pflicht ist). Einfach gesagt: BEM ist der Überbau, die stufenweise Wiedereingliederung ein konkretes Werkzeug darin.

Gibt es eine Abfindung oder einen Aufhebungsvertrag bei krankheitsbedingter Kündigung?

  • Kein automatischer Anspruch: Weder das BEM noch das Kündigungsschutzrecht gewähren einen automatischen Anspruch auf Abfindung, wenn ein Arbeitsverhältnis aus Krankheitsgründen beendet wird. Viele Beschäftigte hoffen darauf, aber gesetzlich steht eine Abfindung nur in Sonderfällen zu (z. B. via Gerichtsurteil nach § 9 KSchG oder in Sozialplanfällen).
  • Praxis: In der Praxis werden jedoch häufig Abfindungen gezahlt, wenn es zu einer Trennung kommt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer schließen nicht selten einen Aufhebungsvertrag oder vergleichen sich vor dem Arbeitsgericht auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. Gerade wenn der Arbeitgeber merkt, dass eine Kündigung wegen eines mangelhaften BEM angreifbar wäre, ist er oft zu einer höheren Abfindung bereit, um einen Rechtsstreit zu vermeiden.
  • Rat suchen: Falls Ihnen ein Aufhebungsvertrag angeboten wird – eventuell sogar anstelle eines BEM – sollten Sie unbedingt arbeitsrechtlichen Rat einholen. Es gilt zu prüfen, ob die Abfindung angemessen ist und welche weiteren Folgen ein Aufhebungsvertrag hat (Stichwort Sperrzeit beim Arbeitslosengeld). Eine spezialisierte Kanzlei wie Pöppel Rechtsanwälte kann Sie hierbei unterstützen und gegebenenfalls bessere Konditionen aushandeln. Tipp: Unterschreiben Sie nichts vorschnell, insbesondere nicht im Krankheitsfall, ohne alle Konsequenzen zu kennen.

Fallbeispiele aus der Praxis

Die Theorie des BEM lässt sich durch Beispiele besser begreifen. Hier fünf Fallbeispiele, die typische Konstellationen – und ihre arbeitsrechtlichen Konsequenzen – veranschaulichen. (Alle Beispiele sind anonymisiert und generalisiert.)

Fallbeispiel: Erfolgreiche Wiedereingliederung nach langer Krankheit

Frau M., 45, war nach einer schweren Krebserkrankung zehn Monate arbeitsunfähig. Ihr Arbeitgeber – ein mittelständischer Betrieb – leitete nach Überschreiten der 6-Wochen-Frist unverzüglich das BEM ein. In mehreren Gesprächen unter Beteiligung des Betriebsrats und des Betriebsarztes schilderte Frau M. offen, dass sie zwar wieder arbeiten möchte, aber noch unter Fatigue (chronischer Erschöpfung) leidet. Gemeinsam erarbeiteten alle einen Plan: Frau M. startete mit einer Hamburger Modell-Wiedereingliederung über acht Wochen, beginnend mit 4 Stunden täglich. Zudem wurde ihr Arbeitsplatz ergonomisch angepasst und sie durfte zunächst tageweise im Homeofficearbeiten, um den Arbeitsweg zu sparen. Das Ergebnis: Nach gut drei Monaten war Frau M. wieder voll im Job und leistungsfähig. Kündigung abgewendet! Das BEM hatte hier eindeutig seinen Zweck erfüllt – für Frau M. bedeutete es die Fortsetzung ihrer Karriere, für den Arbeitgeber der Erhalt einer geschätzten Mitarbeiterin. Dieses Beispiel zeigt, wie Flexibilität und Verständnis seitens des Arbeitgebers gemeinsam mit dem Engagement der Arbeitnehmerin zu einem Win-Win führen können.

Fallbeispiel: BEM scheitert – Kündigung als letzte Option

Herr K. ist Lagerarbeiter und seit Jahren wegen Rückenproblemen immer wieder wochenlang krankgeschrieben. Innerhalb von 12 Monaten summierten sich seine Fehlzeiten auf über 80 Tage. Der Arbeitgeber bot ordnungsgemäß ein BEM an, dem Herr K. zustimmte. Im BEM-Gespräch – in Anwesenheit von Herrn K., dem Personalchef und einer Vertrauensperson des Mitarbeiters – stellte sich heraus, dass die schwere körperliche Arbeit im Lager seine Gesundheit überfordert. Mehrere Maßnahmen wurden geprüft: Einsatz an einem Schonarbeitsplatz im Betrieb (gab es nicht in ausreichendem Umfang), Umschulung für eine leichtere Tätigkeit (Herr K. lehnte das ab) und technische Hebehilfen im Lager. Letzteres wurde umgesetzt, doch auch danach war Herr K. häufig krank. Nach fünf Monaten musste das BEM-Team feststellen, dass keine weiteren Ideen blieben. Schließlich sprach der Arbeitgeber – nach umfassender krankheitsbedingter Prognoseprüfung – eine Kündigung aus. Herr K. klagte vor dem Arbeitsgericht, doch die Kündigung erwies sich als wirksam: Der Arbeitgeber hatte durch das ausführlich dokumentierte BEM gezeigt, dass er alles Zumutbare versucht hatte. Für Herrn K. endete das Arbeitsverhältnis leider, aber dank BEM zumindest ohne Rechtsstreit über Abfindungen oder Weiterbeschäftigung. Dieses Fallbeispiel verdeutlicht, dass ein BEM auch scheitern kann. Nicht jede Krankheit lässt sich „wegorganisieren“. Dennoch profitierte der Arbeitgeber vom BEM: Er konnte vor Gericht belegen, fair vorgegangen zu sein, was die Kündigung juristisch unangreifbar machte.

Fallbeispiel: Fehlendes BEM führt zur Unwirksamkeit der Kündigung

Ein größeres Unternehmen hatte keine klare BEM-Struktur. Als die 58-jährige Buchhalterin Frau L. innerhalb von anderthalb Jahren mehrere lange Krankheiten durchlief (erst eine Operation, dann ein langer Covid-19-Verlauf), entschied die Firmenleitung irgendwann, sie durch eine jüngere Kraft zu ersetzen. Man kündigte Frau L. wegen „anderweitiger Verteilung der Aufgaben“, ohne jemals ein BEM angeboten zu haben – obwohl Frau L. insgesamt weit über 42 Tage arbeitsunfähig gewesen war. Vor dem Arbeitsgericht machte Frau L. erfolgreich geltend, dass die krankheitsbedingte Kündigung sozial ungerechtfertigt war. Das Gericht beanstandete insbesondere das fehlende BEM: Die Firma habe nicht alles Zumutbare getan, um die Weiterbeschäftigung zu ermöglichen. Vielleicht hätte durch ein BEM z. B. eine Versetzung in einen weniger stressigen Aufgabenbereich oder eine Reduzierung der Stundenzahl vereinbart werden können. Mangels BEM habe der Arbeitgeber diese Optionen gar nicht erst geprüft. Die Kündigung wurde als unwirksam abgewiesen – Frau L. behielt ihren Arbeitsplatz (bzw. erzielte in zweiter Instanz einen Vergleich mit einer hohen Abfindung). Dieses Beispiel sendet ein klares Signal an Arbeitgeber: Wer ein erforderliches BEM unterlässt, riskiert im Kündigungsfall eine gerichtliche Niederlage und erhebliche Kosten. Für Arbeitnehmer zeigt es: Kenntnis der eigenen Rechte – hier des Anspruchs auf ein BEM-Verfahren – zahlt sich aus.

Fallbeispiel: Mitarbeiter lehnt BEM ab aus Sorge

Nicht immer verläuft ein BEM ideal. Herr Y., Angestellter in einem Versicherungsunternehmen, fiel innerhalb eines Jahres mehrfach wegen Depressionen aus. Sein Arbeitgeber bot ihm nach dem dritten längeren Fehlen ein BEM an. Herr Y. jedoch misstraute dem Ganzen – er befürchtete, im BEM zu viele persönliche Dinge preisgeben zu müssen, und hatte gehört, dass andere Kollegen nach einem BEM doch gekündigt wurden. Aus Angst und Stolz lehnte er das Angebot schriftlich ab. Der Arbeitgeber war überrascht, respektierte aber die Entscheidung. In den folgenden Monaten kam Herr Y. immer wieder zurück, wurde aber erneut krank. Ohne die Hilfestellungen eines BEM änderte sich an der Arbeitssituation nichts Grundlegendes. Schließlich sah der Arbeitgeber keinen Ausweg mehr und kündigte krankheitsbedingt. Vor Gericht argumentierte Herr Y., man habe ihm kündigen wollen und das BEM nur pro forma angeboten. Doch das zog nicht: Das Unternehmen legte das Einladungsschreiben und die Ablehnung von Herrn Y. vor – es war also nachweislich zur Hilfe bereit, aber der Mitarbeiter habe nicht mitgewirkt. Die Kündigung wurde daher als sozial gerechtfertigt bestätigt. Herr Y. verlor seinen Arbeitsplatz. Dieses Beispiel ist ein Lehrstück dafür, dass Misstrauen auf Arbeitnehmerseite zum Bumerang werden kann. Natürlich muss niemand ein BEM annehmen – aber wer es ohne Rücksprache oder Alternativvorschläge einfach verweigert, schwächt später die eigene Rechtsposition. Besser wäre gewesen, dass Herr Y. im BEM konkrete Grenzen setzt (etwa: „Ich möchte nur über organisatorische Fragen sprechen, nicht über meine medizinische Diagnose“) und so an der Lösungsfindung teilnimmt. Ein BEM bietet die Bühne für Dialog – wer diese Bühne gar nicht betritt, lässt dem Arbeitgeber das Feld, Maßnahmen einseitig zu bestimmen.

Fallbeispiel: Einvernehmliche Trennung mit Abfindung nach BEM

Manchmal führt ein BEM zu dem Ergebnis, dass eine einvernehmliche Trennung für beide Seiten die beste Lösung ist. Beispiel: Die 60-jährige Frau B. war wegen chronischer Migräne und anderer gesundheitlicher Probleme immer wieder arbeitsunfähig. Ihr Arbeitgeber, ein kleiner Handwerksbetrieb, führte ein BEM durch, konnte jedoch keine ausreichende Anpassung finden, die Frau B. dauerhaft entlastet hätte. Sie selbst war inzwischen auch zermürbt von der häufigen Krankerei und spielte mit dem Gedanken, früher aus dem Berufsleben auszuscheiden. Im abschließenden BEM-Gespräch wurde – moderiert durch den Betriebsrat – offen über eine Aufhebungsvereinbarung gesprochen. Arbeitgeber und Arbeitnehmerin einigten sich schließlich auf eine Lösung: Frau B. schied gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von sechs Monatsgehältern aus dem Betrieb aus und konnte in Ruhe ihre Rente vorbereiten. Beide Seiten waren erleichtert: Der Arbeitgeber konnte planbar die Stelle neu besetzen, und Frau B. musste keine Kündigung befürchten und war finanziell abgesichert. Dieses Beispiel zeigt, dass ein BEM nicht zwingend mit Weiterbeschäftigung enden muss – es kann auch den Weg für einen fairen Kompromiss ebnen. Wichtig ist, dass solche Gespräche fair und ohne Druck geführt werden. Im Idealfall wird der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin dabei anwaltlich beraten, um sicherzugehen, dass keine Nachteile (etwa bei der Arbeitsagentur) übersehen werden. Eine einvernehmliche Trennungkann Teil der BEM-Erwägungen sein, sollte aber nie als erste Option forciert werden. In Fall B. war es die letzte Konsequenz nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten – und gerade deshalb für alle akzeptabel.

Fazit: Nutzen Sie Chancen, minimieren Sie Risiken

Das Betriebliche Eingliederungsmanagement ist ein zentraler Baustein moderner Personalpolitik, der für alle Beteiligten erhebliche Vorteile bringen kann. Es verbindet Fürsorge mit Vernunft: Arbeitgeber erfüllen ihre Pflicht und vermeiden rechtliche Risiken, während Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Möglichkeit erhalten, trotz gesundheitlicher Rückschläge im Beruf zu bleiben. Natürlich ist dafür von beiden Seiten Kooperation gefragt – Vertrauen, Offenheit und der Wille, kreative Lösungen zu finden, sind die Schlüssel zum Erfolg. Nicht jedes BEM wird glücken, aber jedes ernsthaft betriebene BEM ist ein Schritt in die richtige Richtung, weil es den Dialog sucht statt vorschnell Fakten zu schaffen.

Gerade wenn es um viel geht – den Erhalt des Arbeitsplatzes, die eigene Gesundheit oder um hohe betriebliche Kosten – sollten weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber zögern, fachkundigen Rat einzuholen. Arbeitsrechtliche Beratung kann helfen, die Chancen des BEM voll auszuschöpfen und die Risiken zu begrenzen. Die Kanzlei Pöppel Rechtsanwälte steht hierbei allen Seiten mit Expertise zur Verfügung: sei es bei der Abwehr oder Vorbereitung einer krankheitsbedingten Kündigung, bei der Verhandlung eines Aufhebungsvertrags mit angemessener Abfindung oder beim Aufbau rechtssicherer BEM-Strukturen im Betrieb.

Am Ende gilt: Eine gut gemachte Wiedereingliederung nutzt allen. Wenn Menschen nach schwerer Krankheit wieder Fuß im Beruf fassen, ist das nicht nur ein persönlicher Triumph, sondern auch ein Gewinn für das Unternehmen und die Solidargemeinschaft. Das Betriebliche Eingliederungsmanagement bietet die Chance dazu – es liegt an uns, sie zu ergreifen. Nutzen Sie diese Chance, und scheuen Sie sich nicht, bei Unsicherheiten professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Denn das Ziel ist klar: Gesunde, motivierte Beschäftigte und nachhaltiger Erfolg für den Betrieb – trotz aller Widerstände.

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