Private Tätigkeiten während der Arbeitszeit – das müssen Sie wissen

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Arbeitszeit und Hauptleistungspflicht. Als „Arbeitszeit“ gilt die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen. Während dieser Zeit schuldet der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine volle Arbeitsleistung. Das heißt: Er muss seine Arbeitskraft für die vereinbarte Tätigkeit einsetzen – das ist die sogenannte Hauptleistungspflicht. Jede private Nutzung der Arbeitszeit – etwa ausführliche Gespräche mit Kollegen, ausgiebiges Surfen im Internet oder lange Telefonate – stellt grundsätzlich eine Verletzung dieser Pflicht dar. Auch wenn es keine ausdrückliche Regelung gibt, gilt: Wer in der Arbeitszeit bezahlte Leistungen erbringt, darf sie nicht für private Zwecke verwenden. Unter bestimmten Arbeitszeitmodellen (z. B. Vertrauensarbeitszeit) können Arbeitnehmer ihre Pausen allerdings flexibler gestalten – aber auch hier gilt: Arbeit hat Vorrang.

Private Tätigkeiten: Erlaubt oder verboten? Im Betrieb bestehen oft viele Möglichkeiten, private Erledigungen zu tätigen – z. B. ein kurzes Telefonat mit dem Handyladen, eine Online-Bestellung oder private E-Mails. Grundsätzlich sind solche Tätigkeiten in der eigentlichen Arbeitszeit verboten. Ausnahmen sind sehr eingeschränkt: Kleinere private Erledigungen in kurzen Pausen bzw. Wartezeiten können oftmals stillschweigend geduldet sein, sofern sie den Arbeitsablauf nicht spürbar stören. Zum Beispiel mag der Arbeitnehmer kurz seine Frau anrufen, wenn gerade nichts zu tun ist, oder bei einer ungeplanten Maschinenstill­stand kurzfristig etwas organisieren. Selbst solche Privatgespräche müssen allerdings „normalen Umfang“ haben – übersteigt die private Nutzung (z. B. mehr als etwa eine Arbeitswoche privates Surfen in zehn Wochen) diesen Rahmen, ist sie nicht mehr geduldet. Folglich gilt: Erlaubt sind nur sehr zeitlich begrenzte Aktivitäten, die nicht von der Arbeitsleistung ablenken. Untersagt sind längere private Telefonate, stundenlanges Internetsurfen oder ausgedehnte Bestellungen während der Arbeitszeit – solche Tätigkeiten verletzen die Arbeitsvertrags­pflicht und können Sanktionen nach sich ziehen.

  • Erlaubt (im Ausnahmefall): kurze, einmalige private Aktionen in einer Arbeitspause oder Stillstandsphase (z. B. ein 2-minütiges Telefonat bei Maschinenpause). In der Vertrauensarbeitszeit können Arbeitnehmer ihre Pausen selbst einteilen und auch private Dinge kurz erledigen.
  • Verboten: ausgedehnte private Aufgaben auf Firmenzeit. Das umfasst etwa stundenlanges Surfen oder Onlineshopping am Dienst-PC sowie regelmäßige Privatgespräche mit Freunden oder Familie während der Schicht. Bereits das wiederholte kurze Abrufen privater Websites kann als Arbeitszeitbetrug gelten.

Arbeitszeit vs. Pausen. Nach dem Arbeitszeitgesetz (§ 4 ArbZG) muss der Arbeitgeber bei mehr als 6 Stunden Arbeitszeit mindestens 30 Minuten Pause gewähren (bei über 9 Stunden mindestens 45 Minuten). Diese Pausen dienen der Erholung. Während der Pausen ist Privates erlaubt – die Arbeitnehmer können essen, telefonieren oder private Erledigungen machen. Außerhalb dieser gesetzlich geschützten Pausen gilt dagegen unmissverständlich: Arbeitszeit ist Arbeitszeit. Persönliche Angelegenheiten gehören nicht hierzu. Wer also in der Arbeitszeit privat telefoniert oder bestellt, nimmt dem Arbeitgeber faktisch unbezahlte Arbeitsstunden. Nur wenn ein Betrieb ausdrücklich andere Regeln zulässt (z. B. Werkstatt mit durchgehender Schicht und kurzer Pause), gilt das eingeschränkt. Grundsätzlich sollten private Kontakte daher auf die Pausen oder den Feierabend verschoben werden.

Betriebliche Weisung und Duldung. Der Arbeitgeber hat nach § 106 Gewerbeordnung das Weisungsrecht, Arbeitspflicht und -zeit einzu­teilen. Er kann also per betrieblicher Anweisung regeln, ob und welche privaten Tätigkeiten in der Arbeitszeit erlaubt sind. Ein klassisches Beispiel ist ein Handyverbot: Hängt am Schwarzen Brett ein Aushang „Private Handynutzung während der Arbeitszeit verboten“, so ist das eine klare Weisung. Solange der Arbeitnehmer damit einverstanden ist oder sie hinnehmen muss, muss er sich daran halten. Bestehende Regeln (in Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung etc.) haben Vorrang vor informellen Gepflogenheiten.

Gleichzeitig kann ein Arbeitgeber auch etwas stillschweigend dulden. Geschieht es, dass private Telefonate oder Internetnutzung jahrelang unbeachtet bleiben, kann der Arbeitnehmer unter Umständen darauf vertrauen, dass die Duldung dauerhaft besteht. Allerdings ist jede Duldung ausdrücklich auf den normalen Umfang begrenzt: Privat surfen oder telefonieren darf der Mitarbeiter nur so viel, wie es früher üblich war. Er kann sich nicht darauf verlassen, dass eine exzessive Nutzung weiterhin akzeptiert wird. Zudem trägt im Zweifelsfall der Arbeitnehmer die Beweislast: Wer sich auf eine angebliche Gewohnheit beruft, muss nachweisen, dass der Arbeitgeber das Verhalten tatsächlich stillschweigend erlaubt hat. Um Missverständnisse zu vermeiden, ist es daher empfehlenswert, den Rahmen für private Aktivitäten im Unternehmen klar festzulegen, etwa durch eine schriftliche Regelung oder Betriebsvereinbarung.

Aktuelle Rechtsprechung

BAG, Urteil vom 17.10.2023 (1 ABR 24/22): Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern ohne Mitbestimmung des Betriebsrats die private Nutzung von Mobiltelefonen während der Arbeitszeit verbieten darf. Das Handyverbot zielt nach Auffassung des Gerichts auf das Arbeitsverhalten ab und soll verhindern, „dass die Beschäftigten während ihrer Arbeitszeit privaten Interessen nachgehen, anstatt ihrer Arbeitspflicht nachzukommen“. Mit anderen Worten: Der Arbeitgeber darf anordnen, dass Arbeitnehmer sich während der Arbeitszeit ausschließlich auf ihre Arbeit konzentrieren. Diese Regelung fällt in seinen Verantwortungsbereich – der Betriebsrat muss hierbei nicht zustimmen.

LAG Köln, Urteil vom 07.02.2020 (4 Sa 329/19): Das Landesarbeitsgericht Köln hat klargestellt, dass massiver Missbrauch privater PC-Nutzung ernsthafte Konsequenzen haben kann. In dem Fall war ein Mitarbeiter trotz ausdrücklichen Verbots über mehrere Monate hinweg regelmäßig privat im Internet unterwegs (E-Mails, Web-Seiten). Er täuschte so den Arbeitgeber über die tatsächlich geleistete Arbeit. Das LAG Köln bestätigte daraufhin eine fristlose Kündigungohne Abmahnung – als gerechtfertigt. Die Richter betonten, dass die Verletzung der Arbeitszeitpflicht in diesem Umfang einen wichtigen Kündigungsgrund darstellt. Diese Entscheidung zeigt: Umfangreiche private Internetnutzung während der Anwesenheitsarbeit kann bereits als Arbeitszeitbetrug gewertet werden.

Praktische Hinweise für Arbeitnehmer

  • Vorrang der Arbeitspflicht: Nutzen Sie Ihre Arbeitszeit grundsätzlich für die geschuldete Arbeit. Private Telefonate, Online-Einkäufe oder Social-Media-Aktivitäten sollten Sie nur in Ausnahmefällen und äußerst kurz durchführen – idealerweise in Pausen. Denken Sie daran, dass bereits die wiederholte private Internetnutzung als Arbeitszeitbetrug gelten kann.
  • Pausen nutzen: Erledigen Sie private Angelegenheiten nach Möglichkeit während der Pausen. Nach sechs Stunden Arbeit haben Sie Anspruch auf mindestens 30 Minuten Pause. Nutzen Sie diese Zeiten für Telefonate oder Besorgungen – hier können Sie unbehelligt persönliche Dinge regeln.
  • Betriebliche Regelungen beachten: Informieren Sie sich über geltende Regeln in Ihrem Betrieb. Gibt es eine Betriebsvereinbarung oder Dienstanweisung zur privaten Nutzung? Halten Sie sich daran. Ein bestehendes Handy- oder Internetverbot gilt auch dann, wenn es bisher toleriert wurde. Fragen Sie im Zweifelsfall beim Vorgesetzten oder in der Personalabteilung nach, wie die Praxis ist.
  • Vertrauensarbeitszeit: Arbeiten Sie in einem Modell mit Vertrauensarbeitszeit, behalten Sie trotzdem den Arbeitsumfang im Blick. Zwar dürfen Sie Ihre Arbeitszeiten freier einteilen und Pausen auch für Privates nutzen, doch die Gesamtleistung muss stimmen. Vertrauen Sie nicht darauf, dass unbegrenzte private Nutzung in Ordnung ist – richten Sie sich nach dem, was das Unternehmen bisher stillschweigend geduldet hat.
  • Transparenz bei Verdacht auf Regelverletzung: Werden Sie zu Ihrem privaten Surfverhalten befragt oder kontrolliert, seien Sie ehrlich. Heimlichkeit kann wie Täuschung wirken. Bei Unsicherheit bleiben Sie besser auf der sicheren Seite.

Empfehlungen für Arbeitgeber

  • Klare Regeln schaffen: Formulieren Sie in Arbeitsverträgen, Dienstanweisungen oder Betriebsvereinbarungen explizit, was erlaubt ist. Legen Sie beispielsweise fest, dass private Internetnutzung oder Handys nur in Pausen gestattet sind oder grundsätzlich verboten ist. Das schafft Rechtssicherheit und verhindert Missverständnisse.
  • Weisungsrecht nutzen: Machen Sie im Rahmen Ihres Weisungsrechts deutlich, dass die Arbeitszeit der Arbeitsleistung gewidmet sein soll. Ein klar formuliertes Handy- oder Internetverbot ist zulässig – eine Zustimmung des Betriebsrats ist nach aktueller Rechtsprechung nicht erforderlich. (Tipp: Lassen Sie sich die Regelungen intern bestätigen, z. B. in einer Betriebsvereinbarung.)
  • Konsequenz bei Verstößen: Reagieren Sie auf Verstöße gemäß ihrer Schwere. Kleine Ausnahmen können Sie ggfs. tolerieren, aber bei wiederholter oder umfangreicher Privatnutzung sollte es eine Abmahnung geben. In besonders schwerwiegenden Fällen (wie im LAG-Fall oben) kann sogar eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein.
  • Duldung zurücknehmen: Haben Sie bislang private Tätigkeiten stillschweigend zugelassen und wollen dies ändern, kündigen Sie die neue Regel ausdrücklich an. Eine langjährige Gewohnheit kann sonst als „betriebliche Übung“ gewertet werden. Schreiben Sie klar, dass ab sofort z. B. private Handybenutzung nicht mehr erlaubt ist.
  • Balance finden: Bedenken Sie auch die Motivation der Mitarbeiter. Viele Arbeitnehmer schätzen ein wenig Flexibilität (z. B. für kurze Anrufe während Wartezeiten). Wenn es der Arbeitsablauf erlaubt, kann ein gewisses Maß an Privataktivitäten das Betriebsklima positiv beeinflussen. Eine Regelung könnte z. B. lauten: „Private Telefonate nur in Absprache bzw. während genehmigter Pausen“.

Fazit: Privatnutzungen während der Arbeitszeit sind nur in engen Grenzen zulässig. Arbeitnehmer sollten die Arbeitspflicht respektieren und persönliche Angelegenheiten weitestgehend auf Pausen verlegen. Arbeitgeber dagegen sollten klare, verständliche Regelungen kommunizieren – zum Schutz beider Seiten. Bei Streitfällen gibt es inzwischen konkrete Gerichtsurteile (etwa zum Handyverbot oder zur Internetnutzung), an denen Sie sich orientieren können. Letztlich gilt: Eine offene Kommunikation und klare Spielregeln vermeiden Ärger und schaffen Verlässlichkeit in der täglichen Praxis.

Quellen: Gesetzliche Vorschriften (Arbeitszeitgesetz §2, §4, GewO §106), Kommentare und aktuelle Urteile.

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