Was bei der Anhörung des Betriebsrats zur Probezeitkündigung zu beachten ist

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Sie stehen vor der Situation einer Kündigung in der Probezeit – sei es als Arbeitgeber, der eine schnelle Entscheidung treffen will, oder als Arbeitnehmer, der eine überraschende Kündigung erhält? In beiden Fällen stellt sich die Frage, welche Rolle der Betriebsrat dabei spielt. Besonders in den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses (der Probezeit) gelten eigene Regeln: Das Kündigungsschutzgesetz greift noch nicht, doch ganz ohne Vorgaben ist auch eine Probezeitkündigung nicht. Dieser Artikel erklärt klar und fundiert, worauf bei der Anhörung des Betriebsrats zu achten ist, welche Rechte und Pflichten bestehen und welche häufigen Fehler unbedingt vermieden werden sollten. Ziel ist es, Ihnen einen verständlichen Überblick zu geben – damit Sie wissen, woran Sie sind und im Ernstfall richtig handeln können.

Kein voller Kündigungsschutz in der Probezeit

Die Anhörung des Betriebsrats vor einer Kündigung ist mehr als bloße Formsache – sie ist ein gesetzlich vorgeschriebener Schritt mit hoher Bedeutung. Gerade während der Probezeit, in der viele glauben, Kündigungen seien „problemlos“ möglich, kommt der Betriebsratsanhörung eine oft unterschätzte Rolle zu. Aber warum ist das so?

Bedeutung der Betriebsratsanhörung: Der Betriebsrat fungiert als Interessenvertretung der Belegschaft. Bevor ein Arbeitgeber eine Kündigung ausspricht, muss er den Betriebsrat umfassend informieren und anhören. Dadurch erhält der Betriebsrat die Möglichkeit, Bedenken zu äußern oder auf soziale Gesichtspunkte hinzuweisen. Diese Pflicht zur Anhörung gilt ausnahmslos vor jeder Kündigung, andernfalls ist die Kündigung unwirksam. Selbst wenn es schnell gehen muss oder der Betrieb klein ist – die Betriebsratsbeteiligung darf nicht übersprungen werden.

Sonderrolle der Probezeit: In der Probezeit (häufig die ersten sechs Monate) genießen Arbeitnehmer noch keinen allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Das bedeutet, der Arbeitgeber muss in dieser Phase keine sozial gerechtfertigten Kündigungsgründe im Sinne des KSchG nachweisen. Eine Kündigung ist hier wesentlich einfacher möglich, da lediglich die persönliche Einschätzung des Arbeitgebers als Grund ausreicht. Doch aufgepasst: „Einfacher“ heißt nicht „ohne Regeln“. Auch eine Probezeitkündigung darf nicht willkürlich oder rechtswidrig sein – Diskriminierungsverbote, Sittenwidrigkeit und das Verbot von Maßregelungen gelten weiterhin. Vor allem aber bleibt der Betriebsrat auch in der Probezeit zwingend anzuhören. Die Probezeit ist also eine Ausnahmephase: Einerseits kurzer Kündigungsfrist und weniger Hürden beim Kündigungsgrund, andererseits aber weiterhin mit formellen Pflichten wie der Betriebsratsanhörung.

Kündigungsschutz in der Probezeit

Nach deutschem Recht greift der volle Kündigungsschutz des KSchG erst nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit – diese Zeit nennt man die Wartezeit (§ 1 Abs. 1 KSchG). In Betrieben mit mehr als 10 Mitarbeitern (bzw. >5 bei älteren Arbeitsverträgen) bedeutet das: Wer länger als ein halbes Jahr dort angestellt ist, kann Kündigungen gerichtlich darauf überprüfen lassen, ob sie sozial gerechtfertigt sind. Während der Probezeit (die meist mit dieser Wartezeit zusammenfällt) besteht dieser Schutz noch nicht. Der Arbeitgeber braucht in diesen ersten Monaten keinen gesetzlich anerkannten Kündigungsgrund (wie Personen-, Verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe) nachzuweisen. Eine Kündigung „ohne Grund“ im arbeitsrechtlichen Sinne ist also grundsätzlich möglich.

Allerdings heißt das nicht, dass Arbeitnehmer in der Probezeit völlig rechtlos wären. Andere Schutzvorschriftengelten weiterhin: So sind Kündigungen zum Beispiel unzulässig, wenn sie gegen „Treu und Glauben“ (§ 242 BGB) verstoßen, aus sittenwidrigen Motiven erfolgen oder gegen Diskriminierungsverbote (AGG) verstoßen. Klassisches Beispiel: Eine Kündigung aus rassistischen Gründen wäre auch in der Probezeit unwirksam. Zudem genießen besondere Personengruppen Kündigungsschutz unabhängig von der Betriebszugehörigkeit – etwa Schwangere (Kündigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz, nur mit behördlicher Zustimmung möglich) oder Betriebsratsmitglieder (die ohnehin erst nach sechs Monaten wählbar sind). Zusammengefasst: In der Probezeit greift der allgemeine Kündigungsschutz noch nicht, aber Mindestschutz durch andere Gesetze besteht. Und ein formaler Stolperstein bleibt immer: Ohne korrekte Betriebsratsanhörung ist jede Kündigung unwirksam – selbst in der Probezeit.

Rolle des Betriebsrats

Der Betriebsrat hat bei Kündigungen eine wichtige Beratungs- und Kontrollfunktion. Er kann die Gründe, die der Arbeitgeber für die Kündigung angibt, prüfen und dem Arbeitgeber innerhalb der gesetzlichen Frist seine Stellungnahme mitteilen. In vielen Fällen nutzt der Betriebsrat diese Möglichkeit, um beispielsweise auf mildernde Umstände oder Unstimmigkeiten hinzuweisen. Verhindern kann der Betriebsrat eine Kündigung allerdings nicht eigenmächtig. Sein Widerspruch (der nur bei einer ordentlichen Kündigung nach § 102 Abs. 3 BetrVG möglich ist) entfaltet rechtlich keine Sperrwirkung – der Arbeitgeber darf also trotz Widerspruch kündigen. Aber: Der Widerspruch des Betriebsrats kann dem Arbeitnehmer später helfen. Zum Beispiel kann ein form- und fristgerechter Widerspruch dazu führen, dass der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess einen Weiterbeschäftigungsanspruch bis zum Abschluss des Verfahrens hat, falls das Kündigungsschutzgesetz greift. Während der Probezeit (ohne KSchG-Schutz) bringt ein Widerspruch dem Arbeitnehmer zwar formal noch nichts, doch er signalisiert mögliche Probleme. Der Betriebsrat kann etwa darauf hinweisen, wenn er die Kündigung für sozial ungerechtfertigt, gesetzeswidrig oder aus anderen Gründen für falsch hält. Diese Einwände können in einem späteren Verfahren indirekt eine Rolle spielen. Wichtig für Arbeitnehmer: In der Probezeit erfährt man eine Kündigung oft ohne nähere Gründe. Hier kann der Betriebsrat helfen, die Hintergründe zu beleuchten, da er vom Arbeitgeber über die Kündigungsgründe informiert werden muss. Allerdings gibt es keinen Automatismus, dass der Betriebsrat den Arbeitnehmer vorab warnt oder die Kündigung herauszögert – er hat kein Vetorecht, sondern eine beratende Funktion.

Unterschiede zur regulären Kündigung

Im Vergleich zu einer Kündigung nach der Probezeit (also wenn das KSchG anwendbar ist) gibt es sowohl inhaltliche als auch prozedurale Unterschiede:

  • Kündigungsgrund: Nach der Probezeit braucht der Arbeitgeber einen „sozial gerechtfertigten“ Kündigungsgrund (§ 1 KSchG) – etwa Fehlverhalten, mangelnde Leistung oder betriebliche Erfordernisse, und diese Gründe müssen objektiv bestehen und im Zweifel bewiesen werden. In der Probezeit hingegen genügt jedweder Kündigungsgrund, solange er nicht gegen ein Gesetz verstößt; oft reicht schon die subjektive Unzufriedenheit des Arbeitgebers. Das LAG Niedersachsen bestätigte jüngst: Bei einer Kündigung in der Wartezeit kommt es auf die Umstände an, aus denen der Arbeitgeber subjektiv seinen Kündigungsentschluss herleitet. Mit anderen Worten: Der Arbeitgeber kann in der Probezeit kündigen, weil er persönlich findet, dass es nicht passt, ohne dies nach den strengen KSchG-Kriterien beweisen zu müssen.
  • Betriebsratsanhörung: Formell ist die Anhörung immer erforderlich – egal ob Probezeit oder nicht. Der Unterschied liegt im Inhalt der Anhörung: Nach der Probezeit (mit KSchG) muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat einen der anerkannten Kündigungsgründe darlegen (personen-, verhaltens- oder betriebsbedingt) und idealerweise konkrete Fakten (z.B. Fehlzeiten, Abmahnungen, Umsatzrückgang) nennen. In der Probezeit kann der Arbeitgeber hingegen subjektive Kündigungsgründe angeben – z.B. „Mitarbeiter passt nicht ins Team“ oder „Leistung entspricht nicht den Erwartungen“. Diese persönlichen Werturteile genügen als Begründung gegenüber dem Betriebsrat. Wenn allerdings konkrete Vorfälle Anlass der Kündigung sind (etwa Streitigkeiten oder Fehler), sollten diese als Tatsachen benannt werden. Zusammengefasst: Nach der Probezeit: ausführliche Begründung mit Beweisen; in der Probezeit: ehrliche Mitteilung der subjektiven Einschätzung – Fakten, soweit vorhanden, aber ohne KSchG-Beweislast.
  • Kündigungsfrist: Außerhalb der Probezeit verlängern sich Kündigungsfristen je nach Betriebszugehörigkeit (gesetzliche Grundfrist 4 Wochen zum 15. oder Monatsende, staffelnd nach Jahren im Betrieb). In der Probezeitdarf per Gesetz die Frist auf zwei Wochen verkürzt werden (§ 622 Abs. 3 BGB). Oft wird im Arbeitsvertrag eine zweiwöchige Kündigungsfrist während der Probezeit vereinbart – diese kurze Frist gilt dann beidseitig, sowohl für Arbeitgeberkündigung als auch Arbeitnehmerkündigung.

Unterm Strich liegen die besonderen „Vereinfachungen“ der Probezeitkündigung also vor allem bei den materiellen Anforderungen (kein Nachweis eines harten Kündigungsgrundes, kurze Frist). Nicht einfacher ist hingegen die Pflicht, den Betriebsrat korrekt anzuhören – hier gelten dieselben hohen Anforderungen an das Verfahren wie sonst auch.

Pflichten des Arbeitgebers bei der Anhörung

Die Verpflichtung zur Betriebsratsanhörung bei Kündigungen ist in § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)verankert. Dort heißt es klipp und klar: Der Arbeitgeber muss vor jeder Kündigung den Betriebsrat hören und die Kündigungsgründe mitteilen. Unterbleibt diese Anhörung oder erfolgt sie fehlerhaft, ist die Kündigung unwirksam. Diese Regelung sorgt dafür, dass Kündigungen nicht „hinter dem Rücken“ der Belegschaftsvertretung ausgesprochen werden.

Ein häufiger Irrtum: Manche glauben, in kleinen Betrieben oder in der Probezeit gelte das nicht. Fakt ist: § 102 BetrVG gilt unabhängig von Betriebsgröße oder Kündigungsschutzgesetz. Selbst wenn das KSchG wegen kleiner Belegschaft oder kurzer Betriebszugehörigkeit nicht greift – hat der Betrieb einen Betriebsrat, muss er angehört werden. Auch ob es sich um eine ordentliche Kündigung, eine fristlose Kündigung oder eine Probezeitkündigunghandelt, spielt keine Rolle. Nur leitende Angestellte sind vom Geltungsbereich des § 102 BetrVG ausgenommen; bei deren Kündigung ist der Betriebsrat nicht zu beteiligen (dies betrifft Personengruppen nach § 5 Abs. 3 BetrVG, z.B. Prokuristen).

Wichtig zu wissen ist ferner, wie die Anhörung abzulaufen hat: Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat über die beabsichtigte Kündigung und deren Gründe umfassend informieren. „Anhörung“ heißt nicht nur, den Betriebsrat anzurufen oder kurz zu informieren – in der Regel erfolgt dies schriftlich mit einem sogenannten Anhörungsschreiben. Darin teilt der Arbeitgeber mit, wen er zu welchem Termin kündigen will und vor allem warum. Der Betriebsrat darf Fragen stellen oder zusätzliche Informationen verlangen, um den Fall zu beurteilen. Für eine ordentliche Kündigung hat der Betriebsrat eine Woche Zeit, seine Stellungnahme abzugeben (§ 102 Abs. 2 BetrVG). Diese Frist beginnt, sobald ihm die vollständigen Informationen vorliegen. Bei einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung verkürzt sich die Frist auf drei Kalendertage. Der Arbeitgeber ist gut beraten, diese Fristen abzuwarten, bevor er die Kündigung ausspricht – es sei denn, der Betriebsrat gibt vorher eine Stellungnahme ab oder verzichtet ausdrücklich auf weitere Beratung. Merke: Ohne vorherige Anhörung kein wirksamer Kündigungszugang. Die Kündigung darf erst ausgesprochen (bzw. dem Arbeitnehmer schriftlich übergeben) werden, nachdem der Betriebsrat informiert wurde und Gelegenheit zur Stellungnahme hatte. Andernfalls ist die Kündigung aus formellen Gründen hinfällig.

Bedeutung „subjektiver“ Kündigungsgründe

Wie bereits angedeutet, müssen Arbeitgeber dem Betriebsrat ihre Kündigungsgründe mitteilen. Doch was genau müssen sie darlegen, vor allem wenn kein „harter“ Grund vorliegt? Hier hat die Rechtsprechung – insbesondere das Urteil des LAG Niedersachsen vom 05.11.2024 (Az. 10 Sa 817/23) – für Klarheit gesorgt. In der Probezeit (Wartezeit) richtet sich die Pflicht zur Substantiierung der Gründe allein nach den Umständen, die den Arbeitgeber subjektivzur Kündigungsentscheidung bewegt haben. Mit anderen Worten: Der Betriebsrat soll genau das erfahren, was aus Sicht des Arbeitgebers ausschlaggebend für die Kündigung ist – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Die subjektiven Kündigungsgründe können sehr unterschiedlich aussehen. Oft sind es persönliche Eindrücke oder Einschätzungen: zum Beispiel „Der Mitarbeiter passt nicht ins Team“, „Die Erwartungen an die Arbeitsleistung wurden nicht erfüllt“ oder „Es fehlt das notwendige Vertrauen“. Solche Gründe sind personenbezogene Werturteile. Laut LAG Niedersachsen genügt es in solchen Fällen, genau dieses Werturteil mitzuteilen – der Arbeitgeber muss es nicht mit weiteren Tatsachen untermauern. Denn häufig lassen sich solche Eindrücke gar nicht objektivieren; sie beruhen auf Beobachtungen und Bauchgefühl.

Anders verhält es sich, wenn die Kündigung auf konkreten Vorfällen oder Fakten basiert. Denkbar sind z.B. häufige Streitigkeiten, Fehlverhalten am Arbeitsplatz oder Leistungsmängel, die sich an Beispielen festmachen lassen. Stützt der Arbeitgeber die Kündigung auf solche substantiierbaren Tatsachen, muss er diese dem Betriebsrat auch mitteilen. Es reicht nicht zu sagen „fehlende Sozialkompetenz“, wenn dahinter eigentlich greifbare Vorfälle wie etwa Auseinandersetzungen mit Kollegen am 3. und 10. März stehen. In dem Fall sollten zumindest die Ausgangsgrundlagen benannt werden – etwa: „Herr X geriet wiederholt in lautstarke Konflikte mit Kollegen; trotz klärender Gespräche keine Besserung.“ So erfährt der Betriebsrat, was Sache ist, und kann die Stichhaltigkeit prüfen.

Die Praxis empfiehlt: Ehrlichkeit und ausreichende Details. Der Arbeitgeber sollte offenlegen, worauf seine Entscheidung fußt. Dabei gilt: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Es müssen nicht sämtliche Einzelheiten (Daten, Namen, Uhrzeiten) ausgebreitet werden. Im oben genannten LAG-Fall reichte es z.B., dass der Arbeitgeber mehrere „sehr laute Streitereien“ der Mitarbeiterin mit Kollegen als Kündigungsgrund nannte, und dass Gespräche darüber keine Verbesserung brachten. Der Betriebsrat brauche keine minutiöse Aufzählung jeder Auseinandersetzung, solange er das Grundmuster und den Anlass versteht. Entscheidend ist, dass er ohne aufwendige eigene Recherchen beurteilen kann, ob der Kündigungsgrund plausibel ist.

Zusätzlich sollte der Arbeitgeber darauf achten, keine falschen oder irreführenden Angaben zu machen. Allein subjektive Gründe anzugeben ist legitim – doch etwas zu behaupten, was nicht stimmt, wäre fatal. Stellt sich heraus, dass der Betriebsrat bewusst falsch informiert wurde, ist die Anhörung fehlerhaft und die Kündigung kann daran scheitern. Ebenso kann das Verschweigen wesentlicher Umstände problematisch sein, wenn es die Einschätzung des Betriebsrats beeinflusst hätte. Fazit: Die Betriebsratsanhörung in der Probezeit erfordert eine klare Darlegung der subjektiven Kündigungsmotive. Hat der Arbeitgeber konkrete Anlässe, sollte er sie nennen; hat er „nur“ ein schlechtes Gefühl, soll er es ehrlich kommunizieren. So erfüllt er die gesetzlichen Pflichten und vermeidet, dass die Kündigung im Nachhinein aus formellen Gründen unwirksam wird.

Gerichtsurteil des LAG Niedersachsen vom 05.11.2024 als Fallbeispiel

Ein anschauliches Beispiel, wie wichtig die korrekte Betriebsratsanhörung selbst in der Probezeit ist, liefert ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Niedersachsen (Urteil vom 05.11.2024 – Az. 10 Sa 817/23). Dieser Fall zeigt, welche Anforderungen an die Anhörung gestellt werden und welche Folgen ein vermeintlicher Formfehler haben kann.

Sachverhalt

Eine Arbeitnehmerin wurde als Krankenschwester in einem Klinikum eingestellt. Noch innerhalb der sechsmonatigen Probezeit kam es zu Konflikten am Arbeitsplatz: Die Mitarbeiterin geriet mehrfach in lautstarke Auseinandersetzungen mit Kollegen. Trotz Gesprächen mit der Stationsleitung besserten sich die Spannungen nicht. Der Arbeitgeber entschloss sich daher zur Kündigung während der Probezeit. Im Betrieb gab es einen Betriebsrat, den der Arbeitgeber – wie vorgeschrieben – vor Ausspruch der Kündigung anhörte. In der Anhörung teilte der Arbeitgeber dem Betriebsrat im Wesentlichen das mit, was vorgefallen war: Es habe „öfters sehr laute Streitereien“mit Beteiligung der Mitarbeiterin gegeben; man habe bereits versucht, in Gesprächen eine Lösung zu finden, jedoch ohne Erfolg. Kurz darauf erhielt die Mitarbeiterin die Kündigung.

Die Arbeitnehmerin wollte diese Kündigung nicht hinnehmen und klagte. Ihre Argumente: Zum einen vermutete sie einen Maßregelungshintergrund – sie hatte kurz vor der Kündigung selbst einen Konflikt gegenüber der Stationsleitung und dem Betriebsrat angesprochen und meinte, die Kündigung könne eine Retourkutsche dafür sein. Zum anderen rügte sie eine fehlerhafte Betriebsratsanhörung: Der Arbeitgeber habe den Betriebsrat nur pauschal über angebliche Streitigkeiten informiert und dabei Übertreibungen oder Unwahrheiten eingestreut. Ihrer Ansicht nach seien die Anhörung (und damit die Kündigung) unwirksam, da nicht alle Details genannt wurden und der Betriebsrat so das Verhalten falsch einschätzen musste.

Ergebnis

In erster Instanz (Arbeitsgericht) blieb die Kündigung bestehen; die Klage wurde abgewiesen. Das LAG Niedersachsen als Berufungsinstanz bestätigte dieses Ergebnis. Die Kündigung wurde für wirksam befunden. Zwei zentrale Punkte hat das Gericht dabei geprüft: Maßregelungsverbot und Betriebsratsanhörung.

Zum Maßregelungsverbot: Dieses verbietet eine Kündigung als Vergeltung dafür, dass der Arbeitnehmer seine Rechte ausübt (§ 612a BGB). Die Klägerin vermutete, ihre vorherige Beschwerde über den Konflikt habe zur Kündigung geführt. Das LAG sah dafür keine ausreichenden Indizien. Insbesondere lag zwischen der Beschwerde und der Kündigung kein enger zeitlicher Zusammenhang, und aus den Unterlagen ging hervor, dass die Kündigung wegen des Verhaltens der Klägerin erfolgte – nicht wegen der Beschwerde. Somit lag kein Verstoß gegen § 612a BGB vor.

Zur Betriebsratsanhörung: Hier stellte das Gericht klar, dass keine Fehler gemacht wurden. Ja, die Kündigung erfolgte während der Wartezeit (§ 1 KSchG) – also ohne KSchG-Schutz. Trotzdem musste der Betriebsrat natürlich vorher informiert werden. Das LAG betonte, dass in solchen Fällen die Anhörungspflicht zwar besteht, aber inhaltlich anders zu bewerten ist: Maßgeblich sind die subjektiven Gründe des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber hatte dem Betriebsrat gesagt, die Kündigung erfolge wegen wiederholter lautstarker Streitvorfälle mit Kollegen und ausbleibender Verhaltensbesserung. Das Gericht befand: Diese Angaben waren ausreichend konkret, um dem Betriebsrat eine Einschätzung zu ermöglichen. Es brauchte keine minutiöse Schilderung jeder Streitigkeit. Wichtig war, dass der Betriebsrat verstand, worum es geht (Konflikte am Arbeitsplatz) und dass der Arbeitgeber das Vertrauen in eine Besserung verloren hatte. Damit war der Betriebsrat in der Lage, eine Stellungnahme abzugeben – mehr verlangt § 102 BetrVG nicht. Einwände, der Arbeitgeber habe etwas Unwahres behauptet, sah das Gericht nicht belegt. Es gab keine Hinweise auf falsche oder irreführende Informationen an den Betriebsrat.

Folglich war die Betriebsratsanhörung ordnungsgemäß. Die Kündigung scheiterte weder an inhaltlichen Gründen (KSchG war ja nicht anwendbar) noch an formellen Anforderungen. Die Klage der Arbeitnehmerin blieb erfolglos – die Kündigung bestand.

Bedeutung für die Praxis

Der Fall LAG Niedersachsen 2024 zeigt deutlich: Auch während der Probezeit sollten Arbeitgeber die Anhörung des Betriebsrats sehr ernst nehmen. Formale Fehler können eine an sich rechtmäßige Kündigung zum Scheitern bringen. Im entschiedenen Fall machte der Arbeitgeber alles richtig – er informierte den Betriebsrat offen und ausreichend, sodass die Kündigung nicht aus formellen Gründen zu Fall kam. Die Lehre daraus: Arbeitgeber tun gut daran, ihre Kündigungsgründe vollständig und wahrheitsgemäß zu schildern, selbst wenn es „nur“ subjektive Eindrücke sind. Im Zweifel lieber etwas mehr Kontext liefern, als wichtige Infos weglassen.

Für Arbeitnehmer wiederum zeigt dieses Urteil, dass es sich lohnen kann, einen Kündigungsvorgang genau zu prüfen. Hätte der Arbeitgeber hier zum Beispiel versäumt, den Betriebsrat anzuhören, oder hätte er nur ganz allgemeine Floskeln ohne Nennung der Vorfälle verwendet, wäre die Kündigung vermutlich unwirksam gewesen. Gerade in der Probezeit, wo die inhaltlichen Angreifpunkte begrenzt sind, kann ein Verfahrensfehler (wie eine fehlerhafte Anhörung) der entscheidende Hebel sein. Das Urteil macht jedoch auch klar: Nicht jeder Detailmangel führt gleich zur Unwirksamkeit. Die Gerichte verlangen keine „Doktorarbeit“ im Anhörungsschreiben – aber doch genug, damit der Betriebsrat sich ein Bild machen kann. Praxistipp: Arbeitgeber sollten interne Standards für Anhörungsschreiben haben (Checkliste, welche Punkte rein müssen), und Arbeitnehmer bzw. ihre Anwälte sollten bei einer überraschenden Probezeitkündigung stets hinterfragen: Wurde der Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt? Wenn nein, stehen die Chancen gut, sich gegen die Kündigung zu wehren.

Was Arbeitgeber konkret mitteilen müssen

Eine häufige Frage in der Praxis lautet: Was genau muss im Rahmen der Betriebsratsanhörung eigentlich alles drinstehen? Eine klare Antwort hilft sowohl Arbeitgebern (um nichts Wichtiges zu vergessen) als auch Arbeitnehmern (um einschätzen zu können, ob die Anhörung vollständig war). Folgende Informationen sollte ein Arbeitgeber dem Betriebsrat konkret mitteilen:

  • Personalien des betroffenen Arbeitnehmers: Name, Abteilung/Position und ggf. besondere Merkmale (z.B. Kündigung eines Auszubildenden, eines Schwerbehinderten etc. – wobei bei Letzterem das Integrationsamt einzubinden wäre). Der Betriebsrat muss wissen, wer gekündigt werden soll.
  • Art und Zeitpunkt der Kündigung: Handelt es sich um eine ordentliche Kündigung während der Probezeit(in der Regel mit 2-Wochen-Frist) oder um eine außerordentliche Kündigung? Zu welchem Termin bzw. Beendigungsdatum ist die Kündigung vorgesehen? Diese Angaben sind wichtig, damit der Betriebsrat die Formalien prüfen kann (z.B. Einhaltung der Kündigungsfrist, richtige Sozialauswahl falls relevant, etc.).
  • Kündigungsgründe: Dies ist der Kern der Anhörung. Hier muss der Arbeitgeber seine Gründe offenlegen. Bei einer Probezeitkündigung genügen die subjektiven Gründe, wie oben erläutert. Wichtig ist, dass nichts Relevantes verschwiegen wird: Liegen konkrete Vorfälle zugrunde, sollten diese erwähnt werden (z.B. Konflikte, Leistungsdefizite, Verhaltensauffälligkeiten). Handelt es sich um eine rein persönliche Einschätzung („nicht geeignet“), sollte auch das klar so benannt sein. Faustregel: Der Betriebsrat muss verstehen können, warum der Arbeitgeber kündigen will.
  • Vorherige Maßnahmen oder Abmahnungen: Zwar sind Abmahnungen in der Probezeit nicht erforderlich, aber falls es schon Gespräche, Verwarnungen oder andere Vorfälle gab, kann der Arbeitgeber dies erwähnen. Im obigen Beispiel hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat mitgeteilt, dass bereits Gespräche mit der Mitarbeiterin geführt wurden, jedoch ohne Erfolg. Solche Infos zeigen dem Betriebsrat, dass die Kündigung nicht aus heiterem Himmel kommt, und stärken die Glaubwürdigkeit der Gründe.
  • Anhörungsprozess-Details: Gegebenenfalls sollte erwähnt werden, bis wann der Arbeitgeber die Stellungnahme des Betriebsrats benötigt (unter Hinweis auf die Wochenfrist bzw. 3-Tages-Frist bei fristloser Kündigung). Dies ist höflich und erinnert den Betriebsrat an die zeitliche Komponente. Außerdem sollte ein Ansprechpartner genannt sein, falls der Betriebsrat Rückfragen hat.
  • Besondere Umstände des Arbeitnehmers: Hierunter fallen etwaige Schutzrechte, die der Arbeitgeber kennt: Ist dem Arbeitgeber bekannt, dass die Person schwanger ist oder einem besonderen Kündigungsschutz unterliegt (z.B. Schwerbehindertenstatus – wobei in den ersten 6 Monaten kein Sonderkündigungsschutz besteht –, Mitglied einer besonderen Personengruppe etc.), sollte er das zumindest erwähnen. Beispiel: „Die Arbeitnehmerin ist seit 4 Monaten bei uns beschäftigt; ein allgemeiner Kündigungsschutz nach KSchG besteht daher nicht. Uns sind keine besonderen Umstände wie Schwangerschaft oder Schwerbehinderung bekannt, die einem Ausspruch der Kündigung entgegenstehen könnten.“ Solche Hinweise signalisieren, dass der Arbeitgeber diese Punkte geprüft hat. (Sollte z.B. eine Schwangerschaft vorliegen, dürfte ohnehin nicht ohne Weiteres gekündigt werden – dann bräuchte es die Zustimmung der Behörde, was ebenso dem Betriebsrat mitzuteilen wäre.)

Kurzum: Je transparenter der Arbeitgeber den Betriebsrat informiert, desto besser. Es geht nicht darum, den Betriebsrat von der Kündigung zu „überzeugen“ – er hat hier kein Vetorecht, aber er soll seine Beratungsfunktionernst nehmen können. Aus Arbeitgebersicht sichert eine vollständige Anhörung die Wirksamkeit der Kündigung ab. Aus Arbeitnehmersicht lohnt es sich im Streitfall zu prüfen, ob all diese Punkte erfüllt wurden. Denn wenn der Arbeitgeber essenzielle Informationen vorenthalten hat, konnte der Betriebsrat seine Aufgabe nicht erfüllen – ein Ansatzpunkt, den ein Gericht durchaus als Anhörungsfehler werten kann.

Häufige Fehler und Rechtsfolgen

Trotz klarer Vorgaben passieren in der Praxis immer wieder Fehler bei der Betriebsratsanhörung. Hier eine Übersicht häufiger Fallstricke – und was sie für die Kündigung bedeuten:

  • Keine oder verspätete Anhörung: Der gravierendste Fehler ist, den Betriebsrat überhaupt nicht anzuhören. Mitunter „vergessen“ Arbeitgeber dies in der Probezeit oder glauben, es sei nicht nötig. Auch eine erst nachträglich, also nach Ausspruch der Kündigung, nachgeschobene Anhörung zählt als nicht erfolgt. Die Rechtsfolge ist eindeutig: Die Kündigung ist unwirksam. Der Arbeitnehmer könnte in diesem Fall vor Gericht seine Weiterbeschäftigung durchsetzen.
  • Unzureichende Informationen: Der Arbeitgeber führt zwar eine Anhörung durch, gibt dem Betriebsrat aber nur sehr vage oder unvollständige Gründe an. Beispiel: Im Anhörungsschreiben steht lediglich „Der Mitarbeiter hat sich nicht bewährt“, ohne weitere Details. Hier besteht die Gefahr, dass die Anhörung als „mangelhaft“ bewertet wird, denn der Betriebsrat war nicht in der Lage, sich ein Bild zu machen. Eine solch pauschale Angabe könnte je nach Einzelfall als unzureichend gelten, insbesondere wenn eigentlich Fakten vorlagen, die man hätte mitteilen können. Folge: Auch eine mangelhafte Anhörung macht die Kündigung unwirksam.
  • Falsche oder irreführende Angaben: Noch problematischer ist, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat falsche Gründe nennt – sei es absichtlich oder aus Nachlässigkeit. Beispiel: Es gab in Wahrheit keine schweren Pflichtverstöße, aber dem Betriebsrat wird von „grober Arbeitsverweigerung“ berichtet, um die Kündigung zu begründen. Werden solche Unwahrheiten entdeckt, hat der Arbeitgeber ein großes Problem: Die Anhörung war unfair und fehlerhaft, die Kündigung damit angreifbar. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber wichtige Tatsachen verschweigt, die den Betriebsrat hätten beeinflussen können. Kurz: Täuschung oder erhebliche Auslassungengegenüber dem Betriebsrat führen zur Unwirksamkeit der Kündigung – und können im Worst Case auch das Vertrauensverhältnis zum Betriebsrat dauerhaft beschädigen.
  • Fristverletzung bei der Anhörung: Der Arbeitgeber setzt zwar eine Anhörung auf, hält sich aber nicht an das korrekte zeitliche Vorgehen. Zum Beispiel stellt er dem Betriebsrat die Kündigungsgründe vor, übergibt dem Mitarbeiter aber schon zwei Tage später das Kündigungsschreiben, obwohl die Wochenfrist noch läuft und der Betriebsrat noch gar keine Stellungnahme abgegeben hat. Hier liegt ein Verstoß gegen § 102 BetrVG vor – der Betriebsrat hatte nicht die volle gesetzliche Bedenkzeit. Eine solche „Turbo-Kündigung“ ist unwirksam, sofern der Betriebsrat nicht ausdrücklich auf die Frist verzichtet hat. Arbeitgeber sollten daher immer die erforderlichen Tage abwarten (oder eine schriftliche Mitteilung des Betriebsrats einholen, dass keine Einwände bestehen), bevor sie kündigen.
  • Missachtung eines Widerspruchs (nach KSchG): Tritt zwar in der Probezeit selten auf (da KSchG nicht gilt), aber der Vollständigkeit halber: Widerspricht der Betriebsrat nach § 102 Abs. 3 BetrVG, muss der Arbeitgeber – wenn das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist – den Arbeitnehmer auf dessen Verlangen bis zum Ende des Prozesses weiterbeschäftigen (§ 102 Abs. 5 BetrVG). Ein Fehler wäre es, diesen Widerspruch zu ignorieren und den Arbeitnehmer einfach vor die Tür zu setzen. In der Probezeit kann der Widerspruch wie erwähnt den Kündigungszugang nicht verhindern, doch ab 6 Monaten entfaltet er Wirkung. Der Arbeitgeber sollte deshalb das Widerspruchsverfahren ernst nehmen und, falls der Betriebsrat Bedenken äußert, diese zumindest prüfen oder dokumentieren, warum er dennoch kündigt. Andernfalls riskiert er im Prozess Nachteile (etwa muss er dann oft eine Abfindung zahlen, um die Sache zu beenden).

Rechtsfolgen im Überblick: Jeder Fehler in der Betriebsratsanhörung kann den Arbeitgeber teuer zu stehen kommen. Ist die Kündigung unwirksam, bleibt das Arbeitsverhältnis bestehen – der Arbeitnehmer hat grundsätzlich Anspruch, weiterbeschäftigt und bezahlt zu werden. In der Praxis enden solche Fälle oft mit einem Vergleich: Der Arbeitgeber zahlt eine Abfindung und der Arbeitnehmer akzeptiert die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Für Arbeitnehmer heißt das: Ein formaler Fehler wie ein unterlassene oder fehlerhafte Anhörung erhöht die Chance auf eine Abfindung erheblich, selbst wenn kein Kündigungsschutz nach KSchG bestand. Umgekehrt bedeutet es für Arbeitgeber: Genaues Arbeiten bei der Anhörung zahlt sich aus – es bewahrt vor unnötigen Prozessen und Kosten.

Fallbeispiele aus der Praxis

Schauen wir uns nun einige Praxisbeispiele an, um die Theorie greifbarer zu machen. Diese fünf Fälle (fiktiv, aber realistisch) zeigen typische Konstellationen rund um die Betriebsratsanhörung und Probezeitkündigung – ohne Bezug zu konkreten Kanzleifällen, aber mitten aus dem Arbeitsalltag gegriffen:

Fallbeispiel 1: Kündigung ohne Anhörung – fatale Folge

Ein mittelständisches Unternehmen kündigt einem neuen Sachbearbeiter nach vier Monaten, weil es „nicht passt“. Man ist sich intern sicher, dass in der Probezeit ja kein Kündigungsschutz besteht, und übersieht die Betriebsratsanhörung. Der Betriebsrat erfährt erst im Nachhinein von der Kündigung, ist verärgert und weist den Arbeitgeber auf den Gesetzesverstoß hin. Der betroffene Arbeitnehmer erhebt kurz darauf Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht stellt fest, dass die Kündigung wegen fehlender Anhörung unwirksam ist. Ergebnis: Der Arbeitnehmer muss weiterbeschäftigt werden. Der Arbeitgeber, der den Mitarbeiter eigentlich loswerden wollte, hat nun ein Problem – und ein deutliches Zeichen dafür erhalten, wie wichtig selbst in der Probezeit die Einhaltung der Formalien ist. Letztlich einigt man sich auf einen Vergleich: Der Arbeitnehmer scheidet gegen Zahlung einer Abfindung aus, um die unerwünschte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu vermeiden.

Fallbeispiel 2: Vage Gründe – Betriebsrat fühlt sich übergangen

In einem großen Betrieb will die Personalabteilung eine Verkäuferin während der Probezeit kündigen. Als Grund wird im Anhörungsschreiben lediglich angegeben, die Mitarbeiterin habe „die Erwartungen nicht erfüllt“. Konkrete Beispiele oder Zahlen nennt der Arbeitgeber nicht, obwohl intern durchaus Kritikpunkte bekannt sind (etwa wiederholt falsche Kassierungen und negative Kundenrückmeldungen). Der Betriebsrat bemängelt die Anhörung: Er kann mit der pauschalen Aussage wenig anfangen und fordert Details, bekommt aber keine. Der Arbeitgeber kündigt dennoch. Vor Gericht argumentiert die Arbeitnehmerin, die Anhörung sei unzureichend gewesen. Das Gericht gibt ihr Recht: Da der Arbeitgeber greifbare Leistungsdaten hatte, hätte er diese nennen müssen, statt den Betriebsrat mit Floskeln abzuspeisen. Die Kündigung wird für unwirksam erklärt. Der Arbeitgeber lernt daraus: In Zukunft detaillieren wir die Gründe – zumindest soweit, dass der Betriebsrat versteht, worum es geht.

Fallbeispiel 3: Falscher Kündigungsgrund fliegt auf

Ein Arbeitgeber möchte einen Mitarbeiter loswerden, der in der Probezeit zwar nichts Gravierendes falsch gemacht hat, ihm aber unsympathisch ist. Aus Angst, ein rein „subjektives“ Urteil könne dem Betriebsrat nicht reichen, erfindet der Arbeitgeber im Anhörungsschreiben einen Pflichtverstoß: Er behauptet, der Mitarbeiter habe mehrfach Anweisungen ignoriert (was so nicht stimmt). Der Betriebsrat nickt die Kündigung ahnungslos ab. Der Mitarbeiter klagt jedoch – und im Prozess kommen Zweifel an den behaupteten Vorfällen auf. Zeugen (Kollegen) bestätigen, dass es diese Anweisungsverstöße nie gab. Damit steht fest: Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat mit einem vorgeschobenen Grundgetäuscht. Das Gericht erklärt die Kündigung für unwirksam. Zudem lässt der Richter durchblicken, dass ein solcher Vertrauensbruch gegenüber dem Betriebsrat unnötig und unklug war – hätte der Arbeitgeber ehrlich gesagt „es passt menschlich nicht“, wäre die Anhörung wahrscheinlich nicht zu beanstanden gewesen. So aber hat er durch die Falschangabe das Verfahren verloren. Am Ende muss der Arbeitgeber dem Mitarbeiter eine großzügige Abfindungzahlen, damit dieser das Arbeitsverhältnis beendet – denn eine weitere Zusammenarbeit ist nach all dem kaum vorstellbar.

Fallbeispiel 4: Kündigung vor Ende der Anhörungsfrist – Formfehler

In einem Betrieb mit Betriebsrat will man einen Lagerarbeiter in der Probezeit kündigen. Der Arbeitgeber händigt dem Betriebsrat am Montag ein Anhörungsschreiben aus, in dem alle Gründe stehen, und bittet um schnelle Rückmeldung. Schon am Mittwoch – ohne dass der Betriebsrat reagiert hat – übergibt der Vorgesetzte dem Mitarbeiter die schriftliche Kündigung. Fehler! Die gesetzliche Wochenfrist für die Stellungnahme war noch nicht abgelaufen. Der Betriebsrat hätte bis zum folgenden Montag Zeit gehabt. Tatsächlich wollte der Betriebsrat am Freitag beraten und eine Stellungnahme abgeben. Durch die verfrühte Kündigung sieht er sein Beteiligungsrecht verletzt. Der Mitarbeiter erfährt davon und klagt gegen die Kündigung. Vor Gericht hat der Arbeitgeber schlechte Karten: Er hat klar gegen § 102 BetrVG verstoßen, indem er die Kündigung vorschnell ausgesprochen hat. Die Kündigung wird daher aufgehoben. Hier zeigt sich: Ein paar Tage Ungeduld können den ganzen Kündigungsprozess rückgängig machen. Der Arbeitgeber hätte entweder die Woche abwarten oder zumindest bis Freitag warten sollen – oft gibt der Betriebsrat vorher eine Rückmeldung, was die Frist abkürzt. Dieser Patzer führt dazu, dass der Arbeitgeber erneut kündigen muss, mittlerweile ist jedoch die Probezeit abgelaufen. Der Mitarbeiter genießt nun vollen Kündigungsschutz – eine viel ungünstigere Ausgangslage für den Arbeitgeber.

Fallbeispiel 5: Einigung via Aufhebungsvertrag nach Anhörungsfehler

Ein Startup kündigt einer Marketing-Managerin nach fünf Monaten, vergisst aber, den existierenden Betriebsrat zu beteiligen. Als man den Fehler bemerkt, ist die Kündigung bereits raus. Der Geschäftsführung ist klar: Diese Kündigung wird vor Gericht keinen Bestand haben. Anstatt einen langen Rechtsstreit zu riskieren, geht man aktiv auf die Mitarbeiterin zu. Es kommt zu einer außergerichtlichen Einigung: Die Kündigung wird zurückgenommen und im Gegenzug unterschreiben beide Seiten einen Aufhebungsvertrag. In diesem Aufhebungsvertrag erhält die Mitarbeiterin eine Abfindung sowie ein gutes Zeugnis, und das Arbeitsverhältnis endet einvernehmlich einige Wochen später. Beide Seiten können so das Gesicht wahren: Der Arbeitgeber korrigiert seinen Fehler ohne Prozess, die Mitarbeiterin geht mit einer finanziellen Kompensation. Dieses Beispiel zeigt: Selbst wenn die Probezeitkündigung schiefgegangen ist, lässt sich oft noch eine Lösung finden – juristischer Rat und Verhandlungsgeschick vorausgesetzt. Für den Arbeitgeber war es eine Lehre, künftig sorgfältiger die Formalien einzuhalten, und für die Mitarbeiterin zahlte sich die anfängliche Unsicherheit am Ende doch noch aus.

Häufige Fragen zum Thema Probezeitkündigung

Zum Abschluss möchten wir einige häufige Fragen aufgreifen, die Mandanten im Zusammenhang mit Betriebsratsanhörung und Probezeitkündigung stellen. Hier finden Sie kurze Antworten in der Übersicht:

  1. Gilt der Kündigungsschutz in der Probezeit?
    • Der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) greift erst nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit (Wartezeit). In den ersten 6 Monaten sind Kündigungen nicht auf soziale Rechtfertigung prüfbar.
    • Trotzdem sind Arbeitnehmer nicht völlig schutzlos: Sonderkündigungsschutz (z.B. für Schwangere nach MuSchG) und Diskriminierungsverbote gelten vom ersten Tag an.
    • Auch während der Probezeit kann eine Kündigung angefochten werden, z.B. wenn sie gegen gute Sitten verstößt oder aus rein willkürlichen Gründen erfolgt – hier greift der Mindestschutz des Gesetzes.
  2. Muss der Betriebsrat bei jeder Kündigung in der Probezeit angehört werden?
    • Ja. Nach § 102 BetrVG muss vor jeder Kündigung – auch während der Probezeit – der Betriebsrat angehört werden. Es gibt keine Ausnahme für die ersten Monate.
    • Die Anhörungspflicht ist unabhängig von der Betriebsgröße und davon, ob das KSchG anwendbar ist. Selbst im Kleinbetrieb (wenn es dort einen Betriebsrat gibt) gilt § 102 BetrVG.
    • Ohne ordnungsgemäße Anhörung ist die Kündigung unwirksam. Das heißt, die Kündigung hätte rechtlich nie erfolgen dürfen und kann vom Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen werden.
  3. Kann der Betriebsrat eine Kündigung in der Probezeit verhindern?
    • In der Praxis nein – der Betriebsrat hat kein Vetorecht. Er kann die Kündigung nicht einseitig blockieren.
    • Der Betriebsrat kann allerdings Widerspruch einlegen (§ 102 Abs. 3 BetrVG bei ordentlichen Kündigungen). Bei einer Kündigung während der Probezeit hat dieser Widerspruch keine aufschiebende Wirkung, da das KSchG noch nicht greift.
    • Trotzdem nimmt der Betriebsrat Einfluss: Er kann dem Arbeitgeber Bedenken mitteilen oder alternative Lösungen vorschlagen. In späteren Gerichtsverfahren wird ein schriftlicher Widerspruch des Betriebsrats (etwa wegen vermuteter Rechtsverstöße) zumindest dokumentieren, dass Zweifel an der Kündigung bestanden – was indirekt helfen kann, falls doch ein Verstoß (z.B. Diskriminierung) im Raum steht.
  4. Was passiert, wenn der Betriebsrat nicht angehört wurde?
    • Dann ist die Kündigung formell unwirksam – unabhängig vom Kündigungsgrund. Für den Arbeitgeber bedeutet das: Die Kündigung ist rechtlich nicht wirksam zustande gekommen.
    • Der Arbeitnehmer kann in diesem Fall erfolgreich Kündigungsschutzklage einreichen und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verlangen. In vielen Fällen mündet das in einen Vergleich, z.B. mit Abfindungszahlung, da der Arbeitgeber den Fehler kaum heilen kann (eine nachträgliche Anhörung hilft nicht).
    • Wichtig: Der Arbeitnehmer muss die Unwirksamkeit innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung geltend machen (Klage erheben). Versäumt er diese Frist, gilt die Kündigung trotz Anhörungsfehlers als wirksam – Fristversäumnisse sollten also vermieden werden.
  5. Bekomme ich eine Abfindung, wenn ich in der Probezeit gekündigt werde?
    • Grundsätzlich nein. Es gibt keinen automatischen Abfindungsanspruch bei Probezeitkündigungen. Die meisten Kündigungen – gerade in der Probezeit – erfolgen ohne Abfindung.
    • Abfindungen werden häufig freiwillig ausgehandelt. Zum Beispiel einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf eine Abfindung in einem Vergleich vor dem Arbeitsgericht oder in einem Aufhebungsvertrag, um Streit beizulegen.
    • Ihre Chance auf eine Abfindung steigt, wenn die Kündigung aus Arbeitgebersicht rechtliche Schwächen hat – etwa einen Verfahrensfehler wie die fehlende Betriebsratsanhörung. Dann zahlen viele Arbeitgeber lieber eine Abfindung, als ein Prozessrisiko einzugehen. Aber ohne solchen Druckpunkt besteht in der Probezeit selten Anlass für eine Abfindung.

Zusammenfassung und Fazit

Kernpunkte auf einen Blick: Auch wenn die Probezeitkündigung inhaltlich einfacher scheint (kein Kündigungsgrund nach KSchG nötig, kurze Frist), bleibt die Anhörung des Betriebsrats ein unerlässlicher Schritt. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat vorher umfassend informieren – wer gekündigt werden soll, wann und vor allem warum. Erfolgt dies nicht oder nur unzureichend, ist die Kündigung angreifbar und in der Regel unwirksam. Für Arbeitnehmer bedeutet das: Lassen Sie eine Kündigung, auch in der Probezeit, rechtlich prüfen – oft findet sich gerade bei den Formalien ein Ansatzpunkt, um gegen die Kündigung vorzugehen oder zumindest eine bessere Ausgangsposition (z.B. für eine Abfindung) zu erreichen. Für Arbeitgeber gilt: Sorgfalt lohnt sich. Eine präzise Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG kostet zwar ein bisschen Mühe, erspart aber später viel Ärger.

Stellen Sie sicher, dass Sie in den ersten sechs Monaten die Spielregeln kennen: Kein allgemeiner Kündigungsschutz, aber auch kein rechtsfreier Raum. Der Betriebsrat ist Ihr Partner im Verfahren – nutzen Sie seine Anhörung als Qualitätssicherung. Im Zweifel sollten sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer fachkundigen Rat einholen. Unsere Erfahrung zeigt, dass frühzeitige Beratung hilft, teure Fehler zu vermeiden. Zögern Sie nicht, mit Ihrem Anliegen auf uns zuzukommen. Ob es um eine überraschende Kündigung, einen möglichen Aufhebungsvertrag oder eine angestrebte Kündigungsschutzklage geht – wir stehen Ihnen mit Expertise und Klartext zur Seite. Letztlich geht es darum, für beide Seiten tragfähige und rechtssichere Lösungen zu finden.

Fazit: Die Anhörung des Betriebsrats zur Probezeitkündigung ist kein bürokratischer Luxus, sondern gesetzlicher Pflichtbestandteil jeder Kündigung. Wer diese Hürde ernst nimmt und korrekt bewältigt, kann auch in der Probezeit rechtssicher kündigen – oder sich als Arbeitnehmer gegen eine vorschnelle Entlassung wehren. Vertrauen Sie im Zweifel auf fachkundige Unterstützung, und scheuen Sie sich nicht, Ihre Rechte wahrzunehmen. In diesem Sinne: Bleiben Sie informiert – und handeln Sie im Ernstfall zeitnah, um Ihre Chancen zu wahren.

Weitere häufige Fragen zum Thema

Zum Abschluss beantworten wir noch ausführlich einige zusätzliche Fragen, die im Zusammenhang mit Betriebsratsanhörung und Probezeit häufig gestellt werden:

Wie läuft die Anhörung des Betriebsrats bei einer Kündigung ab?

Die Anhörung beginnt damit, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat formal über die beabsichtigte Kündigung unterrichtet. In der Praxis übergibt oder sendet der Arbeitgeber dem Betriebsrat ein Schreiben, in dem alle relevanten Informationen stehen: Wer soll gekündigt werden, zu welchem Termin und vor allem aus welchen Gründen. Dieses Schreiben markiert den Startpunkt der Anhörung. Ab dann hat der Betriebsrat eine Frist, um zu beraten und eine Stellungnahme abzugeben – bei einer ordentlichen Kündigung eine Woche (§ 102 Abs. 2 BetrVG), bei einer außerordentlichen Kündigung drei Tage. Während dieser Zeit ruht der Kündigungsvorgang: Der Arbeitgeber darf die Kündigung noch nicht aussprechen. Der Betriebsrat kann in dieser Frist beschließen, der Kündigung zuzustimmen, sie abzulehnen oder keine Stellungnahme abzugeben. Wichtig: Der Betriebsrat muss nicht aktiv zustimmen, damit die Kündigung wirksam werden kann – schweigt er innerhalb der Frist, gilt das als keine Einwände und der Arbeitgeber darf danach kündigen. Gibt der Betriebsrat eine Stellungnahme ab, wird diese in zwei Formen ausfallen: Entweder er erhebt keinen Widerspruch (ggf. mit Bemerkungen) oder er widerspricht der Kündigung formell (nur bei ordentlichen Kündigungen möglich, § 102 Abs. 3 BetrVG). Der Arbeitgeber muss das Ergebnis nicht abwarten, wenn der Betriebsrat vorher signalisiert, dass er keine Bedenken hat – es empfiehlt sich jedoch immer, einen schriftlichen Vermerk darüber zu haben. Läuft die Frist ab oder liegt die Stellungnahme vor, kann der Arbeitgeber die Kündigung aussprechen (das Kündigungsschreiben übergeben). Damit ist die Anhörung abgeschlossen. Zusammengefasst: Der Ablauf ist informieren – abwarten/hören – dann kündigen. Alles muss in der richtigen Reihenfolge geschehen, sonst ist der Prozess fehlerhaft.

Braucht der Arbeitgeber einen Grund für die Kündigung in der Probezeit?

Rein rechtlich braucht der Arbeitgeber keinen „Kündigungsgrund“ im Sinne des KSchG während der Probezeit. Er kann also kündigen, ohne einen der klassischen drei Gründe – betriebsbedingt, verhaltensbedingt, personenbedingt – nachweisen zu müssen. In der Praxis gibt es jedoch immer irgendeinen Anlass für die Kündigung, selbst wenn es nur Unzufriedenheit oder fehlende Chemie ist. Wichtig ist: Gegenüber dem Arbeitnehmer muss der Arbeitgeber in der Probezeit keinen Grund angeben. Das Kündigungsschreiben enthält in aller Regel keine Begründung (und es ist rechtlich auch nicht erforderlich, dem Arbeitnehmer die Motivation mitzuteilen). Anders sieht es gegenüber dem Betriebsrat aus: Hier muss der Arbeitgeber einen Grund nennen – seinen subjektiven Kündigungsgrund, wie bereits erläutert. Aber dieser Grund kann im Grunde beliebig sein, solange er nicht rechtswidrig ist. Es reicht also etwa zu sagen: „Der Mitarbeiter ist unseren Anforderungen nicht gewachsen“ oder „Er passt nicht ins Team“. Keine Kündigungsgrundpflicht heißt nicht, dass wirklich „ohne jeden Anlass“ gekündigt werden darf: Würde ein Arbeitgeber völlig grundlos kündigen (z.B. aus einem spontanen Impuls heraus), bewegt er sich zwar formal im Rahmen des Gesetzes, riskiert aber andere Probleme – z.B. den Vorwurf der Willkür, falls doch gewisse diskriminierende Tendenzen erkennbar sind, oder schlicht einen Reputationsschaden im Betrieb. In Summe: In der Probezeit kann der Arbeitgeber sehr frei kündigen, einen strengen Grund braucht er nicht – aber er sollte zumindest einen nachvollziehbaren Anlass haben, und diesen dem Betriebsrat mitteilen. In jedem Fall dürfen die Gründe nicht gegen gesetzliche Verbote verstoßen (z.B. Kündigung wegen Schwangerschaft, Weltanschauung etc. ist unzulässig). Oft fragen Arbeitnehmer: „Darf der mich einfach so kündigen, nur weil ihm meine Nase nicht passt?“ – Wenn man es zugespitzt formuliert: Ja, während der Probezeit darf er das, solange keine verbotene Diskriminierung oder Ähnliches dahintersteckt. Genau deshalb ist der Schritt ins Arbeitsgericht in dieser Phase nur erfolgreich, wenn man entweder einen solchen unzulässigen Grund nachweisen kann oder – was häufiger gelingt – dem Arbeitgeber ein Formfehler (wie die fehlende Betriebsratsanhörung) unterläuft.

Kann der Betriebsrat eine Kündigung verhindern?

Direkt verhindern kann der Betriebsrat eine Kündigung nicht, denn das letzte Wort hat der Arbeitgeber. Aber der Betriebsrat hat durchaus Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen. Zunächst natürlich informell: Er kann im Anhörungsgespräch oder in seiner Stellungnahme dem Arbeitgeber abraten oder Alternativen vorschlagen (z.B. Versetzung statt Kündigung). Ein verantwortungsbewusster Arbeitgeber wird solche Einwände zumindest abwägen, schon um des Betriebsfriedens willen. Formal kann der Betriebsrat bei einer ordentlichen Kündigung einen Widerspruch nach § 102 Abs. 3 BetrVG einlegen. Die Gründe dafür sind im Gesetz festgeschrieben, z.B. wenn der Betriebsrat meint, die Kündigung verstößt gegen eine Rechtsvorschrift, der soziale Gesichtspunkt wurde nicht berücksichtigt oder eine Weiterbeschäftigung wäre möglich. In der Probezeit (ohne KSchG) hat dieser Widerspruch keine unmittelbare Wirkung: Der Arbeitgeber darf trotz Widerspruch kündigen, und der Arbeitnehmer kann – mangels Kündigungsschutz – daraus zunächst keinen Weiterbeschäftigungsanspruch ableiten. Anders nach der Probezeit: Hat der Betriebsrat nach 6 Monaten widersprochen und erhebt der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf Verlangen bis zum Abschluss des Verfahrens weiterbeschäftigen (§ 102 Abs. 5 BetrVG). In der Probezeit greift dieser Weiterbeschäftigungsschutz nicht, weil ja die Kündigungsschutzklage im engeren Sinne nicht greift. Dennoch: Ein Widerspruch in der Probezeit ist selten, weil er formal ins Leere geht. Betriebsräte werden eher inoffiziell versuchen, Einfluss zu nehmen („Überleg dir das gut, Chef…“). Allerdings, sollte ein Betriebsrat von einer krassen Ungerechtigkeit überzeugt sein (etwa offenkundige Diskriminierung), könnte er dennoch widersprechen, um ein Zeichen zu setzen. Fazit: Verhindern kann der Betriebsrat eine Kündigung kaum, verzögern nur im gesetzlichen Rahmen (bis zu einer Woche). Seine Stärke liegt in der Beratung: Manche Kündigung wurde nach Anhörung und kritischer Rückfrage des Betriebsrats vom Arbeitgeber tatsächlich zurückgezogen oder abgemildert – zumindest in fortgeschrittenen Stadien mit KSchG. In der Probezeit bleibt es meist beim Apellieren an die Vernunft des Arbeitgebers. Für Arbeitnehmer bedeutet das: Man sollte nicht darauf vertrauen, dass der Betriebsrat einen „rettet“. Aber es schadet nicht, in Betrieben mit Betriebsrat frühzeitig das Gespräch zu suchen, wenn Probleme auftauchen – so kann der Betriebsrat im Fall der Fälle besser für einen eintreten.

Wie lange ist die Kündigungsfrist in der Probezeit?

Die Kündigungsfrist in der Probezeit beträgt gesetzlich zwei Wochen (§ 622 Abs. 3 BGB) – vorausgesetzt, es wurde vertraglich eine Probezeit vereinbart (maximal für 6 Monate möglich). Diese zweiwöchige Frist kann jederzeit während der Probezeit angewendet werden, und sie endet auch innerhalb der Probezeit oder kann auch darüber hinaus reichen. Wichtig zu wissen: Die 2-Wochen-Frist beginnt mit Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer. Beispiel: Wird am letzten Tag der Probezeit (sagen wir am 30.06.) gekündigt, gilt trotzdem die kurze Frist von 2 Wochen, auch wenn das Ende der Kündigungsfrist (z.B. der 14.07.) außerhalb der eigentlichen Probezeit liegt. Ohne vertragliche Probezeitvereinbarung gilt von Anfang an die normale Grundkündigungsfrist von 4 Wochen zum 15. oder Monatsende (§ 622 Abs. 1 BGB). Viele Arbeitgeber schließen aber standardmäßig eine Probezeit ein, um diese verkürzte Frist nutzen zu können. Tarifverträge können abweichende Regelungen vorsehen, aber die zwei Wochen sind gängig. Wichtig: Diese Frist gilt beidseitig – auch Arbeitnehmer können in der Probezeit mit zwei Wochen kündigen. Außerdem läuft die Frist in Kalendertagen, nicht in Werktagen, und es gibt keinen Stichtag (sie muss nicht zum Monatsende enden, sondern exakt 14 Tage ab Zugang zählen). Hinweis: Die verkürzte Kündigungsfrist befreit nicht von der Anhörungspflicht – der Betriebsrat muss trotzdem vorher informiert werden, was praktisch bedeutet, dass der Arbeitgeber die Kündigung oft schon etwas vor Ablauf der Probezeit vorbereiten muss. Wenn ein Arbeitgeber am letzten Tag der Probezeit kündigen will, sollte er den Betriebsrat idealerweise einige Tage vorher anhören, um am letzten Tag tatsächlich kündigen zu können. Versäumt er das Timing, kann es passieren, dass die Kündigung erst nach Ablauf der Probezeit zugehen darf – dann aber würde die längere Kündigungsfrist gelten, was der Arbeitgeber vermeiden wollte. Planung ist also wichtig.

Haben Schwangere oder Schwerbehinderte Kündigungsschutz in der Probezeit?

Hier muss man differenzieren zwischen verschiedenen Sonderkündigungsschutzrechten:

  • Schwangere: Ja, Schwangere genießen ab dem ersten Tag des Arbeitsverhältnisses Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz. Das bedeutet, eine Kündigung gegenüber einer schwangeren Arbeitnehmerin (oder bis 4 Monate nach der Entbindung) ist grundsätzlich unzulässig, egal ob Probezeit oder nicht. Nur in Ausnahmefällen und mit vorheriger Zustimmung der zuständigen Landesbehörde (meist Integrationsamt/Gewerbeaufsichtsamt, je nach Bundesland) kann eine Kündigung ausgesprochen werden. Dieser Schutz greift allerdings nur, wenn der Arbeitgeber von der Schwangerschaft Kenntnis hatte oder innerhalb von 2 Wochen nach Kündigungszugang davon erfährt (Nachmeldung möglich). In der Probezeit bedeutet das: Ist dem Arbeitgeber die Schwangerschaft bekannt, darf er nicht einfach kündigen, auch nicht wegen „nicht bewährt“. Die Hürde ist hier sehr hoch – praktisch sind Kündigungen schwangerer Frauen extrem selten, da die Behörden nur in sehr krassen Ausnahmefällen zustimmen (z.B. Betriebsschließung). Für den Betriebsrat heißt das: Er würde bei einer beabsichtigten Kündigung einer Schwangeren sofort auf das Mutterschutzgesetz hinweisen. Übrigens muss der Arbeitgeber den Betriebsrat natürlich auch anhören, selbst wenn die Kündigung letztlich unzulässig wäre – aber eine solche Anhörung kommt selten vor, weil man bereits im Vorfeld weiß, dass es kaum geht.
  • Schwerbehinderte: Schwerbehinderte Menschen (und Gleichgestellte) haben einen besonderen Kündigungsschutz nach dem Sozialgesetzbuch IX. Allerdings greift dieser erst nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit (§ 173 SGB IX). Das bedeutet: Innerhalb der ersten sechs Monate – also typischerweise innerhalb der Probezeit – braucht der Arbeitgeber keine Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung. Er kann einen schwerbehinderten Arbeitnehmer in der Probezeit kündigen wie jeden anderen auch (natürlich nicht diskriminierend aufgrund der Behinderung, aber z.B. aus Leistungssicht). Das mag überraschen, soll aber Anreize schaffen, Schwerbehinderte einzustellen, ohne gleich stark eingeschränkt zu sein. Sobald allerdings die sechs Monate vorbei sind, gilt: Kündigung nur mit Zustimmung des Integrationsamtes, egal wie lange die Probezeit vereinbart war. In der Praxis heißt das: Wenn ein Arbeitgeber einen schwerbehinderten Mitarbeiter während der Probezeit loswerden will, sollte er es vor Ablauf der sechs Monate tun – sonst wird es danach wesentlich aufwändiger. Für den Betriebsrat: Er wird auch hier angehört und sollte – sofern er von der Schwerbehinderung weiß – den Arbeitgeber an die Fristen erinnern. Aber während der Wartezeit kann der Betriebsrat zwar um besondere Rücksicht bitten, verhindern kann er die Kündigung nicht. Es sei noch erwähnt: Einige Arbeitgeber wissen evtl. gar nicht von der Schwerbehinderung (der Mitarbeiter muss es nicht sofort mitteilen). Teilt der Mitarbeiter erst nach Kündigungszugang mit, schwerbehindert zu sein, gilt der besondere Schutz trotzdem rückwirkend, wenn die Schwerbehinderung schon bei Kündigung vorlag und der Arbeitgeber es „hätte wissen müssen“. Das kann komplex werden – in der Probezeit ist dieses Szenario jedoch weniger häufig.
  • Weitere Sonderfälle: Andere Personengruppen mit Sonderkündigungsschutz sind z.B. Betriebsratsmitglieder, Datenschutzbeauftragte, Eltern in Elternzeit, etc. Für Betriebsratsmitglieder ist eine Kündigung nur mit sehr hohen Hürden möglich – aber in den ersten 6 Monaten kann jemand noch gar kein Betriebsrat sein, da man dafür 6 Monate im Betrieb gewesen sein muss (§ 15 KSchG i.V.m. § 1 BetrVG Wahlberechtigungsvoraussetzungen). Insofern spielt das in der Probezeit keine Rolle. Elternzeit: während Elternzeit Kündigungsverbot, aber Probezeitkündigungen finden meist vorher statt, selten ein Thema.

Zusammengefasst: Schwangere haben vollen Schutz auch in der Probezeit, Schwerbehinderte erst nach 6 Monaten. Unabhängig davon gilt: Der Betriebsrat ist in jedem Fall anzuhören. Bei einer Schwangeren würde er einer Kündigung mit Sicherheit widersprechen und auf die Rechtswidrigkeit verweisen. Bei einem Schwerbehinderten in der Wartezeit kann er zumindest anregen, ob der Arbeitgeber sich der sozialen Verantwortung bewusst ist – allerdings rechtlich kaum etwas ausrichten, solange die 6 Monate nicht voll sind. Für Arbeitnehmer in diesen Situationen gilt: Informieren Sie frühzeitig (spätestens beim Kündigungsversuch) über Ihren Status, damit Ihre Rechte greifen können. Und ziehen Sie im Zweifel einen Anwalt hinzu, da solche Spezialfälle oft einer genauen Prüfung bedürfen.

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