Betriebsübergang (§ 613a BGB) im Arbeitsrecht: Alles was Sie wissen müssen.

Bedeutung von Betriebsübergängen und Schutz der Beschäftigten

Betriebsübergänge – also der Wechsel des Inhabers eines Betriebs oder Betriebsteils – kommen in der Unternehmenspraxis häufig vor. Gründe können etwa Unternehmensverkäufe, Fusionen, Outsourcing von Abteilungen oder Umstrukturierungen sein. Für Beschäftigte bedeuten solche Veränderungen oft Unsicherheit: Bleibt mein Arbeitsplatz sicher? Ändern sich meine Arbeitsbedingungen? Genau hier setzt der Schutzmechanismus des § 613a BGB an, der die Rechte der Arbeitnehmer bei einem Inhaberwechsel wahrt.

  • 613a BGB stellt sicher, dass ein Betriebsübergang nicht zum Verlust des Arbeitsplatzes oder von erworbenen Ansprüchen führt. Stattdessen tritt der neue Inhaber in alle Rechte und Pflichten der bestehenden Arbeitsverhältnisse ein. Die Arbeitsverträge gehen also automatisch auf den Erwerber über – „nur der Name des Arbeitgebers im Vertrag wird ausgewechselt“, während alle übrigen Vereinbarungen fortgelten. Damit bleiben Löhne, Urlaub, Betriebszugehörigkeit und andere Bedingungen zunächst unverändert. Auch Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge gelten zunächst weiter: Ihre Regelungen werden kraft Gesetzes Inhalt der individuellen Arbeitsverhältnisse mit dem neuen Arbeitgeber. Merke:Beschäftigte „nehmen“ ihre bestehenden Rechte, Betriebsvereinbarungen und tariflichen Regelungen zum neuen Arbeitgeber mit.

Zusätzlich sind Kündigungen wegen des Betriebsübergangs gesetzlich verboten (§ 613a Abs. 4 BGB). Arbeitnehmer sollen nicht allein aufgrund des Inhaberwechsels gekündigt werden dürfen. Selbstverständlich können jedoch Kündigungen aus anderen betrieblichen Gründen zulässig sein – etwa wenn der neue Inhaber eine Umstrukturierung mit Personalabbau plant. Entscheidend ist, dass die Kündigung nicht hauptsächlich “wegen des Übergangs” ausgesprochen werden darf. Dieser erweiterte Kündigungsschutz gibt Beschäftigten Sicherheit während des Übergangs.

Für Betriebsräte ist das Thema Betriebsübergang besonders wichtig. Sie fungieren als Ansprechpartner und Informationsvermittler für die Belegschaft. Neu gewählte oder wenig erfahrene Betriebsratsmitgliedersollten die Grundlagen von § 613a BGB kennen, um die Kollegen über ihre Rechte aufklären und deren Interessen wahren zu können. Betriebsräte haben auch Mitbestimmungs- und Beratungsrechte, wenn ein Betriebsübergang ansteht – zum Beispiel durch Informationsansprüche oder bei Verhandlungen über Sozialpläne (siehe §§ 111, 112 BetrVG). Dieses Kapitel bereitet das Thema didaktisch auf: Es erläutert zunächst, was ein Betriebsübergang rechtlich ist und welche Folgen er für Beschäftigte hat. Anschließend werden die Informationspflichten des Arbeitgebers, die Rechte der Arbeitnehmer (insbesondere das Widerspruchsrecht) sowie der Kündigungsschutz und die Mitbestimmungsrechte des Betriebsratspraxisnah dargestellt. Beispiele, Gesetzesverweise und Merksätze heben wichtige Punkte hervor. Ziel ist ein verständlicher Leitfaden, der Betriebsratsmitgliedern ohne juristische Vorkenntnisse Handlungssicherheit beim Thema Betriebsübergang gibt.

1. Betriebsübergang (§ 613a BGB): Voraussetzungen und Rechtsfolgen

Was gilt rechtlich als Betriebsübergang?

Der Begriff wird in § 613a BGB zwar nicht im Detail definiert, doch nach ständiger Rechtsprechung liegt ein Betriebsübergang vor, wenn ein neuer Inhaber eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Einfach gesagt: Ein Betrieb oder ein abgrenzbarer Betriebsteil geht durch Rechtsgeschäft (z.B. Verkauf, Pacht, Fusion) von einem alten auf einen neuen Inhaber über und wird vom neuen Inhaber im Kern weiterbetrieben. Voraussetzung ist, dass der Betrieb als organisierte Gesamtheit erkennbar weiterläuft – mit ähnlicher Tätigkeit, Belegschaft oder Betriebsmitteln wie zuvor. Dabei kommt es immer auf eine Gesamtbewertung aller Umstände an. Es kommt gerade nicht auf die Formulierung im Vertrag an.

Typische Anzeichen für einen Betriebsübergang sind unter anderem:

  • Übergang von materiellen Betriebsmitteln: Werden Maschinen, Gebäude, Fahrzeuge oder IT-Systeme an den neuen Betreiber übertragen? In Produktionsbetrieben spricht das für einen Betriebsübergang.
  • Übernahme der Belegschaft: Wechselt ein Großteil der Mitarbeiter zum neuen Inhaber? Die Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft ist ein zentrales Indiz.
  • Kundschaft und Aufträge: Gehen Kundenstamm oder laufende Aufträge auf den Erwerber über? Bleibt der Geschäftszweck im Wesentlichen gleich?
  • Gleiche Tätigkeit am gleichen Ort: Wird der Betrieb ohne nennenswerte Unterbrechung in ähnlicher Weise weitergeführt? (Beispiel: Ein Lager wird von Firma A an Firma B verkauft und am selben Standort mit denselben Funktionen weiterbetrieben – Indiz für Betriebsübergang. Hingegen wäre die Schließung eines Betriebs und Neueröffnung mit völlig anderem Konzept kein Betriebsübergang.)

Beispiel: Die Service-Abteilung eines Unternehmens mit eigenem Personal und Equipment wird per Vertrag an einen externen Dienstleister übertragen. Der Dienstleister übernimmt alle Mitarbeiter der Abteilung, die laufenden Service-Verträge und sogar die Räumlichkeiten. Dieses Szenario erfüllt die Kriterien eines Betriebsteilübergangs – eine wirtschaftliche Einheit (Service-Abteilung) wird vom neuen Inhaber fortgeführt. Die Identität der Einheit (Personal, Aufgaben, Kunden) bleibt gewahrt.

Ein Betriebsübergang kann sich auch auf Teilbetriebe beschränken. § 613a BGB gilt ebenso für den Übergang eines Betriebsteils – etwa wenn nur eine Abteilung ausgegliedert und verkauft wird. In der Folge gelten für die betroffenen Arbeitnehmer die gleichen Schutzvorschriften, als wäre der ganze Betrieb übergegangen. Entscheidend ist wiederum, dass der übertragene Teilbetrieb seine Identität behält (z.B. weiterhin dieselbe Funktion erfüllt). Wird ein Betriebsteil hingegen völlig in die Strukturen des Erwerbers integriert und verliert seine organisatorische Eigenständigkeit, kann es fraglich sein, ob ein Betriebsübergang im Rechtssinne vorliegt.

Rechtsfolgen des Betriebübergangs für die Arbeitnehmer

Liegen die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs vor, ordnet § 613a BGB automatisch den Übergang der Arbeitsverhältnisse auf den neuen Inhaber an. Das heißt: Alle Arbeitsverträge der vom Übergang erfassten Beschäftigten gehen zum Stichtag X auf den neuen Arbeitgeber über. Ein Wahlrecht des Arbeitgebers gibt es nicht – diese Rechtsfolge ist zwingend und kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden. Aus Arbeitnehmersicht bedeutet das: Der Job bleibt erhalten, nur der Arbeitgeber wechselt. Alle Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag bleiben unverändert bestehen. Man kann sich bildlich vorstellen, dass im Arbeitsvertrag einfach der Name des alten Chefs durch den des neuen ersetzt wird, während Gehalt, Arbeitszeit, Urlaub, betriebliche Altersvorsorge etc. gleichbleiben. Auch die Betriebszugehörigkeit wird voll angerechnet; es entsteht kein neuer Arbeitsvertrag, sondern der alte läuft nahtlos weiter.

Wichtig: Beschäftigte verlieren durch den Betriebsübergang nicht ihre ausgehandelten Bedingungen. Insbesondere bleiben betriebliche Vereinbarungen und tarifvertragliche Ansprüche erhalten. Regelungen aus einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung, die vorher galten, werden in vertragliche Ansprüche umgewandelt und gelten for. Diese werden quasi als Text in den Arbeitsvertrag “hineingeschrieben”. Beispiel: Hatte der alte Betrieb per Betriebsvereinbarung 30 Urlaubstage zugesichert, so gilt dies auch beim neuen Inhaber weiter. Ausnahmen bestehen nur, wenn beim neuen Arbeitgeber bereits ein anderer Tarifvertrag oder eine andere Betriebsvereinbarung für die Mitarbeiter greift, die denselben Regelungsgegenstand abdeckt. Dann kann es zu Ablösungen kommen, allerdings meist erst nach einer Übergangsfrist oder bei nächster Tarifrunde.

Auch der alte Arbeitgeber kann sich seiner Verantwortung nicht sofort vollständig entziehen. Nach § 613a Abs. 2 BGB haftet der bisherige Inhaber neben dem neuen für bestehende Verpflichtungen aus den Arbeitsverhältnissen für die Dauer von einem Jahr mit[21]. Praktisch heißt das: Ansprüche der Beschäftigten, die vor dem Übergang entstanden sind (z.B. offene Gehaltszahlungen, nicht abgegoltene Überstunden), können noch eine Zeitlang gegenüber dem alten Arbeitgeber geltend gemacht werden, falls der neue nicht erfüllt. Für Arbeitnehmer bedeutet diese gemeinsame Haftung zusätzliche Sicherheit, insbesondere wenn der neue Betreiber wirtschaftlich schwächer ist.

Merksatz: Ein Betriebsübergang darf keine Nachteile für die Mitarbeiter mit sich bringen, alle Arbeitsbedingungen bleiben zunächst unverändert. Der neue Inhaber tritt voll in die Arbeitgeberposition ein – inklusive aller Pflichten und bestehenden Abmachungen[1]. Vertragsklauseln, die den Übergang von Rechten ausschließen wollen, sind unwirksam.

Für Betriebsräte ist es wichtig, frühzeitig zu erkennen, ob ein geplanter Vorgang als Betriebsübergang einzustufen ist. Praktischer Hinweis für den Betriebsrat: Achtet auf typische Anzeichen (Übernahme von Personal, Weiterführung des Geschäftsbetriebs, gleiche Kunden usw.). Im Zweifel sollte der Betriebsrat eine rechtliche Prüfung veranlassen oder einen Sachverständigen hinzuziehen, da die Abgrenzung manchmal schwierig sein kann. Ein Betriebsübergang kann z.B. getarnt sein als bloße “Neustrukturierung” – hier sollte der Betriebsrat genau hinsehen, ob nicht faktisch ein Inhaberwechsel vorliegt, damit die Schutzrechte aus § 613a BGB greifen.

2. Informationspflichten des Arbeitgebers gegenüber Belegschaft und Betriebsrat

Ein zentrales Element beim Betriebsübergang ist die Unterrichtung der Arbeitnehmer. Nach § 613a Abs. 5 BGB muss der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber alle von der Übertragung betroffenen Arbeitnehmer schriftlich informieren, bevor der Betriebsübergang erfolgt. Diese Unterrichtungspflichtdient dazu, den Beschäftigten Transparenz über die Veränderung zu geben und sie in die Lage zu versetzen, ihre Rechte (insbesondere das Widerspruchsrecht) bewusst auszuüben.

Inhalte der Unterrichtung: Das Gesetz schreibt vor, dass die Mitteilung an die Mitarbeiter umfassend und verständlich sein muss. Insbesondere sollten folgende Punkte enthalten sein:

  • Datum oder geplanter Zeitpunkt des Betriebsübergangs: Die Beschäftigten müssen wissen, ab wann ihr Arbeitsverhältnis voraussichtlich auf den neuen Arbeitgeber übergehen soll.
  • Grund für den Betriebsübergang: Die wirtschaftlichen oder organisatorischen Anlässe (z.B. Verkauf wegen Umstrukturierung, Ausgliederung zur Kostensenkung) sind anzugeben, damit die Belegschaft die Situation einordnen kann.
  • Rechtliche, wirtschaftliche und soziale Folgen für die Arbeitnehmer: Hier muss der Arbeitgeber erläutern, welche Konsequenzen der Übergang hat. Dazu gehört z.B. der Hinweis, dass Arbeitsverträge übergehen und weiterhin gelten (§ 613a Abs.1 BGB), aber auch Informationen über eventuelle Änderungen oder Unsicherheiten. Beispiel: Ist der neue Betriebsinhaber ein neu gegründetes Unternehmen, muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass dieses in den ersten vier Jahren nicht zu einem Sozialplan gezwungen werden kann (§ 112a Abs. 2 BetrVG). Fehlt ein solcher Hinweis, ist die Unterrichtung fehlerhaft. Auch die Haftungsverteilung zwischen altem und neuem Arbeitgeber (gemeinsame Haftung für alte Ansprüche nach § 613a Abs. 2 BGB) gehört zu den rechtlichen Folgen, über die unterrichtet werden muss.
  • Hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommene Maßnahmen: Falls der neue oder alte Arbeitgeber im Zuge des Übergangs Maßnahmen plant, die die Mitarbeiter betreffen, muss dies mitgeteilt werden. Das können z.B. geplante Betriebsänderungen sein – etwa Personalabbau, Versetzungen, Umzüge oder Änderungen in der Betriebsorganisation. Auch wenn zunächst keineÄnderungen geplant sind, sollte dies klargestellt werden, um Gerüchten vorzubeugen.
  • Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer: Die Unterrichtung sollte die Arbeitnehmer auf ihr Recht hinweisen, dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses zu widersprechen, und die Frist dafür nennen (ein Monat ab Zugang des Schreibens). Obwohl das im Gesetz steht, ist es in der Praxis üblich, diese Information mitzugeben, damit wirklich jeder Beschäftigte davon Kenntnis erlangt.

Die Form der Unterrichtung ist gesetzlich festgelegt – sie muss schriftlich erfolgen. Üblicherweise erhalten die Mitarbeiter ein Unterrichtungsschreiben in Papierform oder per eingeschriebenem Brief. Eine E-Mail genügt nicht, da damit nicht die strenge Schriftform mit Originalunterschrift erfüllt wird (Textform könnte ggf. genügen, jedoch wird zur Sicherheit in der Regel Schriftform gewählt). Wichtig ist, dass jeder betroffene Arbeitnehmer individuell informiert wird; ein Aushang am schwarzen Brett reicht nicht aus.

Auswirkungen fehlerhafter Unterrichtung: Wird die Belegschaft gar nicht oder nicht ordnungsgemäß unterrichtet, hat das erhebliche Konsequenzen – vor allem für die Frist des Widerspruchsrechts. Merke: Die einmonatige Widerspruchsfrist beginnt nur zu laufen, wenn die Unterrichtung den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Eine fehlende oder unvollständige Unterrichtung setzt die Frist nicht in Gang. In diesem Fall können Arbeitnehmer noch lange nach dem Übergang dem Wechsel ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen. Die Rechtsprechung hat Fälle anerkannt, in denen sogar nach Jahren noch ein Widerspruch möglich war, wenn die ursprüngliche Information unzureichend war. Arbeitgeber müssen daher äußerste Sorgfalt auf die Unterrichtung verwenden[34]. Für Betriebsräte ist dies ein wichtiger Ansatzpunkt, um die Rechte der Beschäftigten zu wahren:

  • Praxis-Tipp: Der Betriebsrat sollte darauf achten, dass alle betroffenen Kolleginnen und Kollegen rechtzeitig ein ordnungsgemäßes Unterrichtungsschreiben erhalten. Fordert vom Arbeitgeber Einsicht in das Musterschreiben und prüft den Inhalt. Ist der Betriebsrat früh in die Planung involviert, kann er mitgestalten, welche Informationen in klarer Form kommuniziert werden. Unvollständige Schreiben – etwa wenn bestimmte Nachteile verschwiegen werden – müssen korrigiert werden, da sonst die Widerspruchsfrist nicht läuft und langfristig Unsicherheit besteht.
  • Wenn nötig, kann der Betriebsrat auf externe Hilfe zurückgreifen: Bei größeren Betrieben (>300 Arbeitnehmer) hat er das Recht, einen Berater hinzuzuziehen (§ 111 Abs. 1 S.2 BetrVG), der die komplexen rechtlichen Fragen erklärt. In kleineren Betrieben kann zumindest ein Sachverständigernach § 80 Abs. 3 BetrVG beigezogen werden, sofern der Arbeitgeber zustimmt oder einigten ist. Solche Experten können prüfen, ob die Unterrichtung alle Erfordernisse erfüllt.

Informationsrechte des Betriebsrats

Unabhängig von den individuellen Schreiben an die Arbeitnehmer hat auch der Betriebsrat selbst Anspruch auf frühzeitige Information. Ein Betriebsübergang ist als geplante Maßnahme des Arbeitgebers auch betriebspolitisch relevant. Gesetzliche Grundlage ist hier insbesondere § 106 BetrVG: In Unternehmen mit einem Wirtschaftsausschuss (Pflicht in Unternehmen mit i.d.R. >100 Mitarbeitern) muss der Arbeitgeber dieses Gremium rechtzeitig und umfassend über den geplanten Betriebsübergang unterrichten und beraten. Der Betriebsübergang zählt ausdrücklich zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten (§ 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG), über die der Wirtschaftsausschuss informiert werden muss. Der Wirtschaftsausschuss seinerseits berichtet dann an den Gesamtbetriebsrat oder örtlichen Betriebsrat über die Pläne.

“Rechtzeitig” bedeutet: die Unterrichtung hat so früh zu erfolgen, dass der Betriebsrat noch Einfluss auf die Willensbildung des Arbeitgebers nehmen kann. Ideal ist eine Information bereits in der Planungsphase, bevor Verträge mit dem Übernehmer geschlossen sind. Kommt der Arbeitgeber dieser Pflicht nicht oder nur unzureichend nach, kann der Betriebsrat zur Not die Einigungsstelle anrufen, um die Informationspflicht durchzusetzen (§ 109 BetrVG).

Falls kein Wirtschaftsausschuss existiert (z.B. in kleineren Betrieben), entbindet dies den Arbeitgeber nicht von der Informationspflicht. Dann ergibt sich ein Auskunftsanspruch direkt aus § 80 Abs. 2 BetrVG: Der Betriebsrat kann alle Informationen verlangen, die er zur Wahrnehmung seiner Aufgaben benötigt. In der Praxis sollte der Betriebsrat aktiv das Gespräch suchen, sobald es Gerüchte oder Anzeichen für einen Inhaberwechsel gibt. Oft ist der Arbeitgeber in solchen Fällen ohnehin gehalten, nach § 111 BetrVG (siehe Abschnitt 4) den Betriebsrat einzubeziehen, wenn der Betriebsübergang mit einer Betriebsänderung verbunden ist.

Praxis-Hinweis: Ein gut informierter Betriebsrat kann frühzeitig mitgestalten. Besteht ein Wirtschaftsausschuss, stellt sicher, dass dieses Gremium eingerichtet und funktionsfähig ist. Verlangt alle relevanten Unterlagen (Verträge, Konzepte) zur Einsicht. So könnt ihr eventuelle Nachteile oder Fehlentwicklungen erkennen – etwa wenn der neue Inhaber unsolide wirkt oder Maßnahmen plant. Der Betriebsrat sollte außerdem darauf drängen, dass zeitgleich mit den Arbeitnehmern auch er selbst alle Informationen schriftlich erhält (z.B. eine Kopie des Unterrichtungsschreibens). So könnt ihr Fragen der Kollegen sofort fundiert beantworten. Kommunikation ist entscheidend: Informiert die Belegschaft ergänzend in Betriebsversammlungen oder Aushängen über eure Aktivitäten und das weitere Vorgehen. Das schafft Vertrauen in einer Phase, die für viele Beschäftigte mit Sorge verbunden ist.

3. Rechte der Arbeitnehmer beim Betriebsübergang (insb. Widerspruchsrecht)

Durch § 613a BGB sind Arbeitnehmer beim Betriebsübergang grundsätzlich gut geschützt – ihr Arbeitsverhältnis geht auf den neuen Arbeitgeber über und bleibt bestehen. Dennoch haben einzelne Beschäftigte möglicherweise kein Interesse, zum neuen Inhaber zu wechseln. Sei es Misstrauen in die neue Unternehmensführung, Unsicherheit über die Zukunft oder einfach der Wunsch, beim alten Arbeitgeber zu bleiben (z.B. wenn dort andere Bereiche fortbestehen): Für solche Fälle räumt das Gesetz den Arbeitnehmern ein Widerspruchsrecht ein.

Widerspruchsrecht: Vom Übergang des Arbeitsverhältnisses absehen

  • 613a Abs. 6 BGB gibt jedem betroffenen Arbeitnehmer die Möglichkeit, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den neuen Inhaber zu widersprechen. Das ist ein individuelles Gestaltungsrecht: Der Mitarbeiter kann damit einseitig verhindern, dass sein Arbeitsvertrag auf den Erwerber übergeht. Die Folge eines wirksamen Widerspruchs ist, dass das Arbeitsverhältnis beim alten Arbeitgeber verbleibt. Für den Arbeitnehmer ändert sich dann formal nichts – er bleibt Angestellter des Veräußerers.

Form und Frist: Der Widerspruch muss schriftlich erfolgen (§ 613a Abs.6 BGB). Es reicht also nicht, mündlich “nein” zu sagen; ein unterzeichnetes Schreiben (idealerweise per Einschreiben) an den alten oder neuen Arbeitgeber ist erforderlich. Die Frist beträgt einen Monat ab Zugang der schriftlichen Unterrichtung über den Betriebsübergang. Erst mit dieser ordnungsgemäßen Unterrichtung beginnt die Monatsfrist zu laufen – wie oben erläutert, startet sie nicht, wenn die Information fehlerhaft war. Ein verspäteter Widerspruch (nach Ablauf der Frist) ist in der Regel unwirksam, außer der Arbeitgeber hat die Frist selbst verlängert oder es gab keine gültige Unterrichtung.

Wirkung des Widerspruchs: Widerspricht der Arbeitnehmer frist- und formgerecht, unterbleibt der Übergang seines Arbeitsvertrages. Er steht dann weiterhin beim bisherigen Arbeitgeber “auf der Gehaltsliste”. Wichtig: Das bedeutet nicht, dass er automatisch am selben Arbeitsplatz bleiben kann – schließlich hat der alte Arbeitgeber den Betrieb oder Betriebsteil ja abgegeben. In vielen Fällen hat der alte Arbeitgeber keine Verwendung mehr für den widersprechenden Mitarbeiter, da der Geschäftsbereich nun fehlt. Der Arbeitnehmer wird dann zwar nicht zum neuen Unternehmen gezwungen, aber der alte Arbeitgeber könnte aus betriebsbedingten Gründen kündigen, wenn er keine anderweitige Beschäftigung anbieten kann. Mit anderen Worten: Das Widerspruchsrecht sichert das Arbeitsverhältnis formal beim alten Arbeitgeber, schützt aber nicht absolut vor Kündigung. Eine Kündigung durch den alten Arbeitgeber ist jedoch nur unter den normalen Voraussetzungen des Kündigungsschutzes zulässig (betriebliche Gründe, Sozialauswahl etc.) – sie darf nicht wegen des Betriebsübergangs an sich erfolgen (siehe Kündigungsschutz unten). In der Praxis widersprechen Arbeitnehmer oft dann, wenn sie hoffen, beim alten Arbeitgeber einen Sozialplan oder eine Abfindung zu erhalten, anstatt ins Ungewisse zum neuen Inhaber zu wechseln.

Abwägung für Arbeitnehmer: Ob man von dem Widerspruchsrecht Gebrauch machen sollte, will wohlüberlegt sein. Ein übereilter Widerspruch kann dazu führen, dass man letztlich ohne Arbeitsplatzdasteht, falls der alte Arbeitgeber keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr hat. Andererseits kann es Situationen geben, in denen der neue Betriebsinhaber deutlich schlechtere Arbeitsbedingungen bietet oder als unsicher gilt (z.B. bei Übergang in eine neu gegründete, möglicherweise weniger solvente Firma). Tipp für Beschäftigte: Rat bei der Gewerkschaft oder einem Anwalt einholen und mögliche Szenarien durchspielen.

Merke: Der Widerspruch ist kein Mittel, um beim alten Job zu bleiben und trotzdem die Vorteile des neuen mitnehmen zu können. Er ist vielmehr eine Entscheidung zwischen zwei Übeln, wenn man so will – ein Schritt, der gut überdacht sein muss. Der Betriebsrat kann hier eine beratende Rolle übernehmen.

Weitere Arbeitnehmerrechte und Handlungsmöglichkeiten

Neben dem Widerspruchsrecht haben Arbeitnehmer beim Betriebsübergang vor allem Anspruch auf Information (wie oben dargestellt) und einige Schutzmechanismen, die automatisch wirken:

  • Keine Vertragsverschlechterung ohne Zustimmung: Der neue Arbeitgeber darf die übergegangenen Arbeitsverhältnisse nicht einseitig verschlechtern. Änderungen von Arbeitsbedingungen sind nur im Rahmen des Arbeitsrechts möglich (Änderungskündigung, einvernehmliche Änderungen oder neue Betriebsvereinbarungen) – ein Betriebsübergang an sich erlaubt keine Kürzungen von Lohn oder Urlaub. Falls Mitarbeiter vom neuen Chef Vertragsänderungen vorgelegt bekommen, sollten sie vorsichtig sein. Praxis-Hinweis: Hier sollte der Betriebsrat sofort involviert werden. Oft versuchen neue Inhaber, Aufhebungsverträge mit gleichzeitiger Wiedereinstellung zu schlechteren Konditionen abzuschließen. Doch aufgepasst: Solche Aufhebungsverträge sind unwirksam, wenn sie nur der Umgehung der Schutzvorschriften dienen. Das BAG hat klargestellt, dass ein Aufhebungsvertrag mit dem alten Arbeitgeber, kombiniert mit einem neuen Vertrag beim Erwerber zu schlechteren Bedingungen, als Rechtsumgehung gelten kann und dann beide Abmachungen unwirksam sind. In so einem Fall bleibt es beim ursprünglichen Arbeitsverhältnis mit allen Rechten beim neuen Inhaber. Merksatz: Unterschreiben Sie keine voreiligen Aufhebungs- oder Änderungsverträge im Zuge eines Betriebsübergangs, ohne fachlichen Rat – es könnte ein Trick sein, gesetzliche Schutzrechte zu umgehen!
  • Weitergeltung von kollektivrechtlichen Regelungen: Wie bereits erwähnt, laufen Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen zunächst weiter. Allerdings können sie beim neuen Arbeitgeber später durch eigene Regelungen ersetzt werden. Arbeitnehmer behalten aber mindestens den Status quo, bis eine neue Vereinbarung wirksam abgeschlossen ist.
  • Betriebsratsmitgliedschaft: Was passiert mit der Mitgliedschaft im Betriebsrat beim Betriebsübergang? Grundsätzlich bleibt das Amt eines Betriebsratsmitglieds erhalten, auch wenn das Arbeitsverhältnis übergeht. Bei einem vollständigen Betriebsübergang eines eigenständigen Betriebs geht der gesamte Betriebsrat mit über – es entsteht ein sogenanntes Übergangsmandat beim neuen Inhaber. Die bisherigen Betriebsratsmitglieder vertreten die Belegschaft dort weiter, bis ggf. Neuwahlen anstehen. Bei einem Teil-Betriebsübergang (Ausgliederung von Betriebsteilen) haben die betroffenen Mitarbeiter zunächst keinen eigenen Betriebsrat beim Erwerber. Hier sieht das Gesetz jedoch ein Restmandat für den alten Betriebsrat vor: Er kann für die übergegangenen Mitarbeiter noch einen Sozialplan verhandeln oder Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Übergang begleiten, obwohl diese nicht mehr in “seinem” Betrieb arbeiten. Die Details sind komplex, aber wichtig zu wissen: Beschäftigte werden nicht schutzlos gestellt – entweder nimmt der alte Betriebsrat Übergangsaufgaben wahr, oder es muss beim neuen Unternehmen zeitnah ein Betriebsrat gewählt werden, falls genug Arbeitnehmer dort sind.

Praxis-Tipp für Betriebsräte: Klärt die Belegschaft sachlich über das Widerspruchsrecht auf. Organisiert z.B. eine Informationsveranstaltung, in der Vor- und Nachteile besprochen werden. Wichtig ist eine neutrale Beratung: Der Betriebsrat sollte weder pauschal zum Widerspruch raten noch davon abraten, sondern die Konsequenzen aufzeigen. Hilfreich ist es, Beispiele aus der Praxis anzuführen: „Was passiert, wenn ich widerspreche? Was passiert, wenn ich mitgehe?“ Ggf. könnt ihr anbieten, gemeinsam mit einem Fachanwalt eine Sprechstunde zu machen. Stellt auch sicher, dass niemand die Widerspruchsfrist versäumt, der eigentlich widersprechen wollte. Das bedeutet: Fristbeginn im Blick behalten, und falls Unklarheit über die Qualität der Unterrichtung besteht, darauf hinweisen, dass die Frist evtl. noch nicht läuft. Generell sollte der Betriebsrat bei allen individuellen Entscheidungen (Widerspruch, Aufhebungsverträge) den Kollegen raten, nichts voreilig zu unterschreiben und die Beratung etwa durch die Gewerkschaft in Anspruch zu nehmen.

4. Kündigungsschutz beim Betriebsübergang und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats (§§ 613a, 111 BetrVG)

Ein zentrales Anliegen des Betriebsrats bei Betriebsübergängen ist es, Entlassungen und Benachteiligungen der Belegschaft zu verhindern. Gesetzlich gibt es hierfür zwei wichtige Instrumente: § 613a Abs. 4 BGB, der Kündigungen wegen des Übergangs verbietet, und die betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsrechte bei Betriebsänderungen (§ 111 BetrVG ff.), die im Falle von Umstrukturierungen greifen.

Kündigungsschutz nach § 613a BGB

  • 613a Abs. 4 BGB stellt klar: Eine Kündigung, die ausschließlich wegen des Betriebsübergangs erfolgt, ist unwirksam. Arbeitgeber können also nicht einfach im Vorfeld oder Nachgang des Übergangs Mitarbeiter entlassen mit der Begründung, der neue Inhaber wolle sie nicht oder der Betrieb würde übergehen. Dies wäre ein Rechtsmissbrauch, den das Gesetz unterbindet. Beispiel: Ein Erwerber übernimmt einen Betrieb, möchte aber nur “junges” Personal und bittet den Veräußerer, alle älteren Arbeitnehmer vor dem Übergang zu kündigen. Solche Kündigungen wären eindeutig wegen des Übergangs ausgesprochen und damit unwirksam. Genauso unzulässig: “Übernahmeverweigerung” einzelner Mitarbeiter durch den neuen Inhaber (etwa mit der Aussage, dieser oder jener sei ihm zu teuer) und darauf basierende Kündigungen. Solche Fälle sind gerichtlich angefochten worden und die Kündigungen wurden für null und nichtig erklärt.

Allerdings erlaubt § 613a Abs. 4 BGB ausdrücklich Kündigungen aus anderen Gründen, selbst wenn sie in zeitlichem Zusammenhang mit dem Betriebsübergang stehen. In der Praxis bedeutet das: Betriebsbedingte Kündigungen aufgrund sachlicher Gründe (z.B. wirtschaftlicher Schwierigkeiten, Rationalisierungspläne) können trotz eines Betriebsübergangs wirksam sein, sofern der Übergang nicht der tragende Grund der Entlassung ist. Entscheidend ist hier die Motivation: Liegt ein eigenständiges unternehmerisches Konzept vor (z.B. der neue Inhaber plant eine Sanierung oder Zusammenlegung mit einem anderen Betrieb, bei der Personal abgebaut wird), kann eine Kündigung sozial gerechtfertigt sein, auch wenn sie kurz nach dem Übergang erfolgt. Die Gerichte prüfen im Streitfall genau, ob der Betriebsübergang nur der äußere Anlass war oder der Hauptgrund für die Kündigung. Letzteres macht die Kündigung unwirksam. Erstgenanntes – ein sachlicher, von der Betriebsübernahme unabhängiger Grund – kann sie zulässig machen.

Für den Betriebsrat bedeutet das: Jede Kündigung rund um den Zeitpunkt eines Betriebsübergangs sollte besonders kritisch betrachtet werden. Oft versuchen Arbeitgeber, in der Übergangsphase unliebsame Mitarbeiter loszuwerden. Hier hat der Betriebsrat mehrere Hebel:

  • Widerspruch im Kündigungsschutzverfahren: Ergeht eine Kündigung, kann der Betriebsrat – wie üblich – Bedenken äußern (§ 102 BetrVG). Darüber hinaus sollte er betroffene Arbeitnehmer ermutigen, Kündigungsschutzklage einzureichen. In der Güteverhandlung kann das Argument “wegen Betriebsübergang” vorgebracht werden. Ist er stichhaltig, stehen die Chancen gut, dass die Kündigung fällt oder ein Vergleich mit Abfindung erzielt wird.
  • Überwachung der Sozialauswahl: Wenn betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden, prüft der Betriebsrat, ob wirklich dringende Gründe vorliegen und ob die Sozialauswahl korrekt ist. Auch im Rahmen eines Interessenausgleichs mit Namensliste (§ 1 KSchG, § 112 BetrVG) muss er auf Fairness achten.
  • Hinweis auf Kündigungsverbot: Der Betriebsrat kann dem Arbeitgeber deutlich machen, dass Kündigungen wegen des Übergangs rechtlich keinen Bestand haben und dass man bereit ist, hiergegen vorzugehen. Dieses Signal kann dazu beitragen, dass der Arbeitgeber eher nach alternativen Lösungen sucht (Versetzungen, freiwillige Aufhebungsverträge mit Abfindung etc., allerdings letzteres nur wirklich freiwillig). Merksatz: Kündigt der Arbeitgeber mit der Begründung “wegen des Verkaufs/Übergangs” – sofort auf die Unwirksamkeit nach § 613a Abs.4 BGB hinweisen!

Betriebsübergang als Betriebsänderung: Mitbestimmung nach § 111 BetrVG

Ob und inwieweit der Betriebsrat mitbestimmen kann, hängt davon ab, ob der Betriebsübergang eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG darstellt. § 111 BetrVG verpflichtet Unternehmen mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern, den Betriebsrat bei wesentlichen Betriebsänderungen (z.B. Stilllegungen, Teilstilllegungen, Zusammenschlüsse, Spaltungen, grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation) rechtzeitig zu unterrichten und über einen Interessenausgleich und Sozialplan zu verhandeln.

Grundsatz: Ein reiner Betriebsübergang – also der bloße Wechsel des Inhabers, während der Betrieb unverändert weiterläuft – gilt für sich genommen nicht als Betriebsänderung. Begründung: Es ändert sich “nur” die Eigentümerstruktur, aber der Betrieb bleibt als Einheit erhalten. In diesem Fall hätte der Betriebsrat keinen Anspruch auf einen Sozialplan nur wegen des Inhaberwechsels. Beispielsweise: Ein Unternehmen mit 50 Mitarbeitern wird an einen neuen Besitzer verkauft, die Produktion geht nahtlos weiter, keine Stelle wird abgebaut, keine Umorganisation – hier liegt formal keine Betriebsänderung vor, somit kein erzwingbarer Sozialplan. Der Betriebsrat behält jedoch seine allgemeinen Mitbestimmungsrechte, z.B. bei personellen Einzelmaßnahmen oder wenn später Arbeitsbedingungen geändert werden.

Aber Achtung: In der Praxis ist ein Betriebsübergang oft mit weiteren Maßnahmen verknüpft, die sehr wohl eine Betriebsänderung darstellen können. Häufige Szenarien:

  • Der übernommene Betrieb wird mit einem bestehenden Betrieb des Erwerbers zusammengelegt(Fusion zweier Betriebe). Dadurch entsteht entweder ein völlig neuer Betrieb oder einer wird in den anderen integriert. Eine solche Zusammenlegung oder Eingliederung fällt unter § 111 BetrVG (gesetzlich genannt in § 111 S.3 Nr.3 BetrVG als “Zusammenschluss von Betrieben”) und löst Mitbestimmungsrechte aus.
  • Betriebsteilübergang (Teilbetriebsverkauf): Hier wird vom ursprünglichen Betrieb ein Teil abgespalten und übertragen. Das ist in der Regel eine Spaltung des Betriebs und damit ausdrücklich ein Beispiel für eine Betriebsänderung nach § 111 S.3 Nr.3 BetrVG. Der verbleibende Restbetrieb hat einen deutlichen Einschnitt erlebt, und für die übergehenden Mitarbeiter ist es ein großer Umbruch – Mitbestimmung ist gefordert. Praktisch bedeutet das: Der abgebende Betriebsrat (beim alten Arbeitgeber) hat ein Mitbestimmungsrecht, einen Interessenausgleich und Sozialplan zu fordern. Er behält hierfür ein sogenanntes Restmandat, um die Folgen der Ausgliederung für die betroffenen Arbeitnehmer abzufedern.
  • Reorganisation beim neuen Inhaber: Selbst wenn der gesamte Betrieb übergeht, könnte der neue Arbeitgeber kurz danach Maßnahmen ergreifen (z.B. neue Leitungsspanne, Schließen unrentabler Abteilungen, Versetzung vieler Mitarbeiter), die als grundlegende Änderung der Betriebsorganisation gelten (§ 111 S.3 Nr.4 BetrVG). Auch das wäre eine Betriebsänderung, an die der Betriebsrat (des neuen Betriebs) Mitbestimmungsrechte knüpfen kann.

Zusammengefasst: Der Betriebsübergang an sich löst nicht automatisch § 111 BetrVG aus – aber die Begleitumstände können es tun. Daher muss der Betriebsrat genau hinschauen, was mit dem Übergang einhergeht.

Interessenausgleich und Sozialplan – Aufgaben des Betriebsrats

Stellt der Betriebsrat fest, dass mit dem Betriebsübergang eine Betriebsänderung verbunden ist, hat er das Recht, Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan zu verlangen.

  • Interessenausgleich (§ 112 BetrVG): Dies ist die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat darüber, ob, wann und wie die geplante Maßnahme durchgeführt wird. Im Kontext Betriebsübergang könnte der Interessenausgleich z.B. Regelungen enthalten, welche Betriebsteile genau übergehen, ob einige Mitarbeiter im alten Betrieb verbleiben, ob Versetzungen stattfinden, etc. Auch ein zeitlicher Aufschub oder die Umsetzung in sozialen Gesichtspunkten kann verhandelt werden. Der Interessenausgleich ist rechtlich nicht erzwingbar (es gibt kein zwingendes Ergebnis, aber der Arbeitgeber muss ernsthaft verhandeln). Kommt kein Einvernehmen zustande, kann der Betriebsrat zumindest eine schriftliche Erklärung des Scheiterns verlangen; das hat Bedeutung für den Nachteilsausgleich (§ 113 BetrVG), wonach Arbeitnehmer entschädigt werden können, wenn der Arbeitgeber ohne Versuch eines Interessenausgleichs vollendete Tatsachen schafft.
  • Sozialplan (§ 112 BetrVG): Hierbei handelt es sich um eine Ausgleichs- und Milderungsvereinbarung für die wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der Betriebsänderung entstehen. Im Falle eines Betriebsübergangs mit Betriebsänderung geht es also um finanzielle oder sonstige Hilfen für Betroffene – beispielsweise Abfindungen bei Arbeitsplatzverlust, Unterstützung bei Umzug (wenn der Betrieb verlegt wird), Zuschüsse für Fahrtkosten, Qualifizierungsmaßnahmen, Transfergesellschaft usw.. Wichtig: In einem Sozialplan dürfen nur die Nachteile ausgeglichen werden, die aus der Betriebsänderung resultieren, nicht die, die allein aus dem Betriebsübergang als solchem entstehen. Beispiel: Wenn der neue Inhaber wirtschaftlich schwächer ist und daher das Insolvenzrisiko steigt, ist dies ein Nachteil aufgrund des Wechsels des Inhabers – dieser darf in einem erzwingbaren Sozialplan nicht durch Zahlungen ausgeglichen werden. Anders dagegen Nachteile wie Arbeitsplatzverlust oder Versetzung, die durch Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Übergang entstehen (Personalabbau, Standortwechsel) – diese müssen im Sozialplan berücksichtigt werden. Ein einvernehmlicher Sozialplan kann zwar auch freiwillig mehr regeln, aber eine Einigungsstelle darf nur die echten Betriebsänderungs-Folgen finanziell abfedern.

Für den Betriebsrat bedeutet das in der Praxis: Sobald absehbar ist, dass ein Betriebsübergang ansteht, prüfen, ob eine Betriebsänderung vorliegt. Bei einem kompletten Betriebsverkauf ohne Änderungen mag das nicht der Fall sein – aber dann gibt es meist auch keine unmittelbaren Nachteile. Bei Teilbetriebsverkäufen oder Fusionen hingegen unbedingt Verhandlungen einfordern! Der Betriebsrat sollte dem Arbeitgeber schriftlich mitteilen, dass er die Maßnahme als Betriebsänderung einstuft und Verhandlungen nach §§ 111 ff. BetrVG verlangt. So nimmt man den Arbeitgeber in die Pflicht, mit dem Betriebsrat über Maßnahmen zur Milderung von Härten zu sprechen. Oft kann schon das Verhandeln zu Verbesserungen führen, selbst wenn am Ende kein Erzwingungsrecht besteht.

Praxis-Tipps:

  • Berater hinzuziehen: Bei großen Betrieben (über 300 Arbeitnehmer) darf der Betriebsrat einen externen Berater (z.B. einen Fachanwalt oder Wirtschaftsberater) hinzuziehen, um ihn in den Verhandlungen zu unterstützen. Dieser Experte hilft, komplexe juristische Fragen zu klären und auch wirtschaftliche Unterlagen zu bewerten. In kleineren Betrieben ist zumindest ein Sachverständiger nach vorheriger Vereinbarung möglich. Davon sollte Gebrauch gemacht werden, da Betriebsübergänge mitunter sehr komplizierte juristische Konstruktionen sind (Stichwort: Asset-Deal, Share-Deal, Spaltungsgesetz).
  • Aushandeln was geht: Selbst wenn ein Sozialplan nach § 112a BetrVG rechtlich nicht erzwingbar ist (weil z.B. ein neuer Betrieb frisch gegründet wurde und unter die 4-Jahres-Regel fällt), kann der Betriebsrat trotzdem versuchen, freiwillige Leistungen Manche Arbeitgeber sind aus Gründen der Fairness oder Reputation bereit, Abfindungen oder Übergangshilfen zu zahlen, auch wenn sie nicht müssten. Hier zahlt sich eine hartnäckige, geeinte Verhandlungsposition des Betriebsrats aus.
  • Nachteilsausgleich sichern: Falls der Arbeitgeber den Betriebsübergang (und die damit verbundene Änderung) ohne rechtzeitige Verhandlung durchzieht, sollten Betroffene mit Unterstützung des Betriebsrats prüfen, ob Nachteilsausgleichsansprüche nach § 113 BetrVG geltend zu machen sind. Das setzt voraus, dass der Arbeitgeber die Betriebsänderung durchführt, ohne einen Versuch zum Interessenausgleich zu unternehmen. In einem solchen Fall könnten gekündigte Arbeitnehmer Anspruch auf eine pauschale Abfindung haben. Der Betriebsrat sollte gegebenenfalls die Belegschaft darauf hinweisen und auf juristische Beratung drängen.

Zum Abschluss: Die Rolle des Betriebsrats im Betriebsübergang ist essenziell. Er muss Wächter der Belegschaftsinteressen sein – von der Frühwarnung über die Information bis zur Verhandlung. Betriebsübergänge bedeuten Veränderung, aber mit dem Wissen aus diesem Kapitel könnt ihr als Betriebsratsmitglieder aktiv gestalten statt nur reagieren. Wichtig ist, die Belegschaft mitzunehmen, transparent zu kommunizieren und die gesetzlichen Instrumente – § 613a BGB und das BetrVG – gezielt einzusetzen, um die Arbeitsplätze und Bedingungen der Kollegen bestmöglich zu schützen. Merksatz: Ein gut vorbereiteter Betriebsrat ist der beste Schutz für Arbeitnehmer beim Betriebsübergang!