Kurz und knapp
- Sie erhalten auch bei Krankheit für sechs Wochen weiterhin Ihr volles Gehalt. Danach zahlt Ihnen Ihre Krankenkasse für 72 Wochen Krankengeld.
- Ihre Krankheit berührt zunächst nicht Ihr Arbeitsverhältnis. Der Arbeitgeber kann Ihnen aber wegen der Krankheit die personenbedingte Kündigung erklären.
- Die Kündigung wegen Krankheit setzt eine negative Gesundheitsprognose voraus. Vor allem bei Dauererkrankungen und häufigen Kurzzeiterkrankungen wird eine solche Prognose angenommen.
- Ihre Kündigung muss das letzte Mittel sein. Ihr Arbeitgeber muss zunächst versuchen, für Sie weniger belastende Maßnahmen zu ergreifen.
- Ihre Weiterbeschäftigung muss unzumutbar für den Arbeitgeber sein.
- Ihr Arbeitgeber muss auch die üblichen Formalitäten der Kündigung beachten.
- Die krankheitsbedingte Kündigung hängt von vielen Voraussetzungen ab, die der Arbeitgeber schwer einschätzen kann. Deshalb sind viele krankheitsbedingte Kündigungen fehlerhaft.
- Wollen Sie sich gegen eine krankheitsbedingte Kündigung zur Wehr setzen, haben Sie nur drei Wochen Zeit. Deshalb empfiehlt es sich, rasch Kontakt mit einem Anwalt aufzunehmen.
Übersicht
- Darf mein Arbeitgeber mir krankheitsbedingt kündigen?
- Wann berechtigt eine Langzeiterkrankung zur Kündigung?
- Wann darf wegen häufiger Kurzerkrankungen gekündigt werden?
- Welche formalen Anforderungen gelten?
- Wer muss vor Gericht was beweisen?
- Bekomme ich mein Gehalt auch, wenn ich krank bin?
- Sollte ich mich gegen die krankheitsbedingte Kündigung wehren?
- Noch Fragen? Wir helfen!
1. Darf mein Arbeitgeber mir krankheitsbedingt kündigen?
Auch wenn Sie krank sind, bleibt Ihr Arbeitsverhältnis bestehen. Das gilt selbst dann, wenn Sie Krankgeld bekommen und Ihr Arbeitgeber Ihnen also gar keinen Lohn mehr zahlen muss. Sobald Sie wieder gesund sind, können Sie einfach zur Arbeit zurückkehren.
Für Ihren Arbeitgeber stellt Ihre Arbeitsunfähigkeit hingegen meist eine Belastung dar. Schließlich muss er einen Ersatz für die Zeit Ihrer Abwesenheit finden und die betrieblichen Abläufe anpassen. Ihr Arbeitgeber kann Ihnen daher unter bestimmten Voraussetzungen wegen Ihrer Krankheit kündigen.
Aber keine Sorge: Ihr Arbeitgeber kann Sie nicht wegen jeder kleinen oder kurzen Erkrankung entlassen, sondern muss sich dabei an das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) halten. Das Kündigungsschutzgesetz gilt jedoch nicht in Kleinbetrieben mit höchstens zehn Arbeitnehmer (§ 23 Abs. 1 KSchG) oder für Arbeitnehmer in der Probezeit. Hier darf Ihr Arbeitgeber Ihnen nur nicht willkürlich kündigen oder Sie diskriminieren.
Ist das Kündigungsgesetz anwendbar (Regelfall), wird Ihrem Arbeitgeber die Kündigung deutlich schwerer fallen. Die Entlassung muss dann sozial gerechtfertigt sein.
Die krankheitsbedingte Kündigung hat dafür folgende Anforderungen zu erfüllen:
- Negative Gesundheitsprognose
- Kein milderes Mittel ersichtlich
- Weiterbeschäftigung ist dem Arbeitgeber unzumutbar
Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung spricht deshalb von einer Drei-Stufen-Prüfung für die krankheitsbedingte Kündigung. Im Folgenden erklären wir Ihnen näher, worauf es bei der jeweiligen Stufe ankommt.
1.1 Negative Gesundheitsprognose
Eine Kündigung kommt nur in Betracht, wenn zu erwarten ist, dass Sie auch zukünftig lange oder häufig erkranken und deshalb Ihre Arbeitskraft nur eingeschränkt zur Verfügung steht. Ihr Arbeitgeber muss deshalb eine medizinische Prognose über Ihren künftigen Gesundheitszustand treffen.
Das ist natürlich alles andere als leicht, schließlich ist der Arbeitgeber in der Regel kein Mediziner. Er darf aber auch nicht einfach anordnen, dass Sie sich untersuchen lassen. Deshalb behilft sich die Rechtsprechung damit, anhand Ihrer Fehlzeiten in der Vergangenheit eine Gesundheitsprognose anzustellen. In zwei Fällen wird eine negative Gesundheitsprognose häufig angenommen:
- Häufige Kurzerkrankung: Der Arbeitnehmer ist über einen längeren Zeitraum (in der Regel mehrere Jahre) jeweils über kurze Zeiträume arbeitsunfähig erkrankt (mehr dazu s.u.).
- Dauererkrankung/Langzeiterkrankung: Der Arbeitnehmer fehlt am Stück seit mindestens sechs Wochen (mehr dazu s.u.)
Beachten Sie aber, dass Sie auch nach einer Dauererkrankung oder häufigen Kurzerkrankungen nachweisen können, dass Sie doch schon bald wieder gesund sein werden. Sie können Ihrem Arbeitgeber beispielsweise ein ärztliches Attest vorlegen und die negative Gesundheitsprognose so widerlegen.
Maßgeblich für die Prognose ist immer der Zeitpunkt, zu dem Ihnen die Kündigungserklärung zugegangen ist. Bessert sich Ihre Gesundheit erst später, ändert das nichts an der wirksamen Kündigung. Dann können Sie unter bestimmten Voraussetzungen allenfalls verlangen, erneut eingestellt zu werden, wenn die Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen ist.
1.2 Kein milderes Mittel kommt in Frage
Selbst bei einer negativen Gesundheitsprognose darf Ihr Arbeitgeber Sie aber nicht in jedem Fall entlassen. Eine Kündigung nimmt Ihnen Ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage und trifft Sie schwer. Deshalb muss Ihr Arbeitgeber immer prüfen, ob er auf Ihre Krankheit nicht mit weniger belastenden Mitteln reagieren kann („ultima ratio-Prinzip“).
Mildere Maßnahmen können zum Beispiel sein:
- Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz
- Zuweisung anderer Aufgaben
- Bereitstellung entlastender Gerätschaften (etwa höhenverstellbarer Schreibtisch bei Rückenproblemen)
Zu den milderen Maßnahmen gehört außerdem das betriebliche Eingliederungsmanagement („bEM“). Dabei muss der Arbeitgeber mit Ihnen erörtern, welche Möglichkeiten bestehen, die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden und Ihren Arbeitsplatz zu erhalten. Eine Kündigung ohne vorheriges bEM ist in aller Regel unwirksam.
Eine Ausnahme machen die Arbeitsgerichte nur dann, wenn ein bEM sowieso erfolglos gewesen wäre. Das kommt zum Beispiel bei sehr schweren Krankheiten in Betracht, die jede Weiterbeschäftigung unmöglich machen.
Beispiel
Arbeitnehmer A ist Tischler. Aufgrund eines Unfalls ist er querschnittsgelähmt. Ein bEM wäre hier sinnlos, da A in keinem Fall weiterarbeiten kann. Sein Arbeitgeber kann ihm daher auch ohne vorheriges bEM kündigen.
1.3 Weiterbeschäftigung ist dem Arbeitgeber unzumutbar
Die Weiterbeschäftigung muss Ihrem Arbeitgeber außerdem unzumutbar sein. Die Unzumutbarkeit wird durch eine Interessenabwägung ermittelt: Das Kündigungsinteresse des Arbeitgebers steht hier Ihrem Interesse am Arbeitsplatz gegenüber. Diese Interessenabwägung hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Pauschale Vorhersagen sind daher kaum möglich. Allerdings bieten sich hier gute Verteidigungsansätze.
Folgende Fragen spielen bei der Abwägung aber eine Rolle:
- Wie lange sind Sie schon bei Ihrem Arbeitgeber beschäftigt?
- Wie stark beeinträchtigt die Krankheit die Abläufe im Betrieb?
- Haben Sie Familie und sind unterhaltsverpflichtet?
- Besteht eine Schwerbehinderung?
- Können Sie auf dem Arbeitsmarkt leicht einen neuen Job finden?
- Sind Sie gerade aufgrund Ihrer Arbeit erkrankt? Haben Sie beispielsweise Rückenprobleme aufgrund schwerer körperlicher Arbeit oder haben Sie einen Arbeitsunfall erlitten?
2. Wann berechtigt eine Langzeiterkrankung zur Kündigung?
Wie oben erwähnt, kommt es gerade bei langen Fehlzeiten wegen einer Krankheit zur Kündigung. Ab wann ist die Schwelle zur Kündigung hier überschritten? Eindeutige Zeiträume lassen sich nicht bestimmen. Erneut sei betont, dass es immer auf die künftige Entwicklung ankommt. Sie können noch so lange erkrankt gewesen sein: Steht fest, dass die ursächliche Erkrankung vorüber ist, darf Ihnen nicht mehr gekündigt werden.
Eine Erkrankung, die voraussichtlich nicht länger als sechs Wochen andauert, berechtigt sicher nicht zur Kündigung. Auch Zeiträume, die weit darüber hinausgehen, erlauben dem Arbeitgeber nicht automatisch die Entlassung. Schließlich kosten Sie ihn in dieser Zeit nichts (s.u.). Der Arbeitgeber muss dann argumentieren, dass sein Betriebsablauf erheblich gestört ist.
3. Wann darf wegen häufiger Kurzerkrankungen gekündigt werden?
Deutlich unangenehmer für den Arbeitgeber sind meist häufige kurze Ausfallzeiten. Dann hat er schließlich jeweils den Lohn fortzuzahlen (s.u.).
Auch hier ist maßgeblich, ob Sie voraussichtlich auch in Zukunft oft erkranken. Das mag man bei einem einheitlichen Grundleiden (z.B. Rheuma, Autoimmunerkrankung, chronische Nierenleiden) eher annehmen als bei einmaligen Geschehen, die sich mehr oder weniger zufällig hintereinander ereignen (z.B. Burn Out, dann Knochenbruch, dann Grippe).
Eindeutige Zeitrahmen lassen sich auch hier nicht nennen. Einige Gerichte gehen davon aus, dass man in den letzten Jahren 25% der Arbeitszeit insgesamt gefehlt haben muss, um auf eine negative Prognose schließen zu können. Beträgt die Fehlzeit in den letzten Jahren jeweils unter sechs Wochen, scheidet eine krankheitsbedingte Kündigung in aller Regel aus. Das alles ist allerdings sehr einzelfallabhängig.
4. Welche formellen Anforderungen gelten?
Wie auch bei anderen Kündigungen muss Ihr Arbeitgeber einige Formalitäten beachten:
- Die Kündigung muss schriftlich – also mit Unterschrift – erklärt werden.
- Besteht ein Betriebsrat, muss dieser beteiligt werden.
- Bei schwerbehinderten Arbeitnehmern: Anhörung der Schwerbehindertenvertretung und Einbeziehung des Integrationsamtes.
Eine Abmahnung ist vor der krankheitsbedingten Kündigung hingegen nicht notwendig. Durch eine Abmahnung soll Ihnen Gelegenheit gegeben werden, Ihr Verhalten zu ändern und eine Kündigung abzuwenden. Bei einer Erkrankung werden Sie jedoch schlecht etwas an Ihrer Krankheit ändern können. Eine Abmahnung wäre daher sinnlos.
5. Wer muss vor Gericht was beweisen?
Wie Sie sehen, ist eine Kündigung keinesfalls leicht. Daher die gute Nachricht für Sie: Ihr Arbeitgeber muss alle für die Kündigung relevanten Umstände vor Gericht beweisen. Er muss also zum Beispiel Ihre Fehlzeiten dokumentieren und nachweisen, dass keine andere Möglichkeit bestand, Sie weiter zu beschäftigen.
Für die negative Gesundheitsprognose genügt es aber in der Regel, wenn der Arbeitgeber Ihre bisherigen Fehlzeiten darlegen kann und sich daraus ergibt, dass Sie in eine der oben beschriebenen Fallgruppen (Dauererkrankung oder häufige Kurzzeiterkrankungen) fallen. Dann müssen Sie Ihrerseits beweisen, dass trotzdem eine positive Gesundheitsprognose besteht. Dazu können Sie zum Beispiel ein medizinisches Gutachten vorlegen oder darlegen, dass Sie eine vielversprechende Behandlung begonnen haben.
6. Bekomme ich mein Gehalt auch, wenn ich krank bin?
Das kommt auf die Dauer Ihrer Erkrankung an. Sind Sie nur kurzfristig, also zum Beispiel einige Tage krank, dann muss Ihnen Ihr Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz („EGFZG“) Ihr volles Gehalt zahlen. Das gilt aber nur für maximal sechs Wochen. Nach diesem Zeitraum muss Ihr Arbeitgeber Ihnen kein Gehalt mehr zahlen.
Beachten Sie: Erkranken Sie mehrmals innerhalb von sechs Monaten an der gleichen Krankheit, werden die Krankheitstage zusammengerechnet. Sind Sie hingegen später aufgrund einer anderen Krankheit erneut arbeitsunfähig, werden Ihre Krankheitstage nicht zusammengerechnet.
Beispiel
Arbeitnehmer A ist aufgrund einer psychischen Erkrankung im Januar und Februar 2020 für insgesamt sechs Wochen arbeitsunfähig. Ab März geht es ihm besser und er kehrt zur Arbeit zurück. Im Mai erleidet er jedoch einen Rückfall und wird wieder zwei Wochen krank.
Hier kann A nur für die sechs Wochen Krankheit im Januar und Februar seinen Lohn verlangen. Wäre er dagegen im Mai für zwei Wochen an einer Grippe erkrankt, müsste sein Arbeitgeber ihm auch für diese Zeit den vollen Lohn zahlen. Bei der Grippe handelt es sich nämlich um eine andere Krankheit.
Ist bereits ein Jahr seit dem Beginn Ihrer ersten Erkrankung verstrichen und waren Sie zwischenzeitlich wieder gesund, beginnt der Sechs-Wochen-Zeitraum von vorne zu laufen.
Sie sehen: Auch wenn sich sechs Wochen erst einmal nicht nach einem großen Zeitraum anhören, muss Ihnen Ihr Arbeitgeber unter Umständen doch für eine längere Zeit Ihren Lohn weiterzahlen. Dies gilt insbesondere für verschiedene Erkrankungen.
Aber auch, wenn Sie die sechs Wochen überschreiten sollten, sind Sie wirtschaftlich nicht auf sich allein gestellt. Stattdessen zahlt Ihnen dann Ihre Krankenkasse das sogenannte „Krankengeld“. Dieses ist allerdings geringer als Ihr Lohn: Es beträgt 70 % des Bruttogehaltes, aber nicht mehr als 90 % des Nettogehaltes. Krankengeld können Sie für maximal 72 Wochen erhalten.
7. Sollte ich mich gegen die krankheitsbedingte Kündigung wehren?
Sie haben in diesem Beitrag gesehen, wie schwierig eine krankheitsbedingte Kündigung für den Arbeitgeber ist. Es gibt viele Fallstricke, über die er stolpern kann. Selbst Formfehler werden dem Arbeitgeber angelastet. Auch die Gesundheitsprognose kann in vielen Fällen widerlegt werden. Es ist daher häufig ratsam, gegen eine Kündigung wegen Krankheit vorzugehen.
Besonders wichtig: Sie müssen nach einer Kündigung schnell reagieren! Für eine Kündigungsschutzklage haben Sie nur drei Wochen Zeit. Lassen Sie diese verstreichen, ist Ihr Arbeitsplatz selbst dann verloren, wenn die Kündigung eigentlich unwirksam war.
Zögern Sie deshalb nach der Kündigung nicht, rasch mit einem Anwalt zu sprechen und sich beraten zu lassen. Meist kommt es bei der Kündigung wegen Krankheit ganz besonders auf die richtige Darstellung vor dem Arbeitsgericht an. Zusammen mit Ihrem Anwalt haben Sie dann oft gute Chancen, die Kündigung aus der Welt zu schaffen und Ihren Arbeitsplatz zu retten. Alternativ lässt sich oft eine hohe Abfindung aushandeln.
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