LAG Hamm vs. BAG: Keine Pflicht zur Befolgung unbilliger Weisungen?
Wer den Weisungen seines Arbeitgebers bisher nicht Folge leistete, musste mit harten arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung rechnen. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müssen auch unbillige Weisungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Unbilligkeit befolgt werden. Diesem zweifelhaften Rechtsstandpunkt ist zuletzt das LAG Hamm entschieden entgegengetreten.
Das Gesetz als Anker für das Weisungsrecht
In der Entscheidung ging es um eine Weisung des Arbeitgebers an den Kläger (Immobilienkaufmann), die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung an einem anderen Standort zu erbringen. Der Kläger nahm die Arbeit am zugewiesenen Standort aufgrund der großen Entfernung zu seinem Wohnort nicht auf, woraufhin die Arbeitgeberseite zunächst eine Abmahnung und daraufhin eine Kündigung aussprach. Versetzungen an einen anderen Ort sind immer wieder Gegenstand von gerichtlichen Verfahren. Sie sind nicht nur von Bedeutung hinsichtlich der Frage, ob bei einer Weigerungshaltung eine Kündigung ausgesprochen werden durfte. Auch das Bestehen von Ansprüchen des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber aus Annahmeverzug hängt damit zusammen.
Ob die Arbeitgeberseite berechtigt ist, eine Versetzung vorzunehmen, beurteilt sich nach seinem Weisungsrecht. Der Arbeitgeber kann nach dem Gesetz Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmten, wobei der Anknüpfungspunkt stets die vertraglichen Regelungswerke sind. Daraus ergibt sich für die Gerichte ein zweistufiger Prüfungsmaßstab:
- Ist eine Weisung nach dem Inhalt des Arbeitsvertrags zulässig?
- Entspricht die Weisung billigem Ermessen?
Die Reichweite der Weisungsbefugnis ergibt sich demnach in erster Linie aus dem Arbeitsvertrag, alternativ auch aus einer Betriebsvereinbarung oder einem geltenden Tarifvertrag. Ist im Arbeitsvertrag beispielsweise geregelt, dass ein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung in Hamburg zu erbringen hat und fehlt es an einer Versetzungsklausel, so steht dem Arbeitgeber nicht das Recht zu, die Arbeitsleistung für den Standort München abzurufen. Verhält sich der Arbeitsvertrag dagegen nicht zum Arbeitsort und fehlt es diesbezüglich auch an sonstigen Regelungen, dann ist das Weisungsrecht hinsichtlich des Ortes der Arbeitsleistung zunächst nicht beschränkt. Die Grenzen ergeben sich sodann aus dem Gesetz, das die Ausübung nur im Rahmen des billigen Ermessens zulässt.
Versetzungen: Lebensmittelpunkt gewichtiges Kriterium
Im Fall des LAG Hamm gab es im Arbeitsvertrag eine Versetzungsklausel, die der Arbeitgeberseite die Möglichkeit eröffnete, den Arbeitnehmer an einen anderen Ort zu versetzen. Das Gericht stellte fest, dass die Versetzung aus diesem Grund zwar grundsätzlich von dem Weisungsrecht gedeckt sei, sich allerdings als unbillig darstellte.
Der Arbeitgeber muss die Leistung nämlich nach „billigem Ermessen“ näher bestimmen. Hierzu muss er seine Interessen an der Durchführung der Leistungsbestimmung gegen die Interessen des Arbeitnehmers als Weisungsempfänger vornehmen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, aber auch der Verkehrssitte und der Verhältnismäßigkeit zu. Im Einzelnen könnten darüber hinaus folgende Gesichtspunkte die Abwägung beeinflussen:
- Die Umstände des Einzelfalls
- Betriebliche Erfordernisse (keine Willkür)
- Die konkrete Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien
- Außervertragliche Vor- und Nachteile
- Insbesondere auch die sozialen Lebensverhältnisse
Die Arbeitgeberseite versuchte im zur Entscheidung vorgelegten Fall darzulegen, dass der Betriebsfrieden durch vermeintliche Schlechtleistungen des Klägers gestört sei. Die Wiederherstellung des Betriebsfriedens durch die Versetzung sei ein im Rahmen der Abwägung zu würdigendes Interesse, so das Gericht. Auf der anderen Seite habe der Arbeitgeber die Ursache für die Störung des Betriebsfriedens aber nicht hinreichend dargelegt und der mit der Versetzung des Klägers einhergehende Verlust seines Lebensmittelpunktes wiege so schwer, dass eine diesbezügliche Weisung unbillig sei.
LAG Hamm: Keine Pflicht zur vorläufigen Befolgung unbilliger Weisungen
Muss der mit einer unbilligen Weisung konfrontierte Arbeitnehmer – wie im vorstehenden Fall – die Weisung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Unbilligkeit dennoch befolgen? Das ist Gegenstand von lebhaften Diskussionen, im Rahmen derer das LAG Hamm einen klaren Standpunkt vertritt:
Es bestand keine Pflicht des Klägers, die Arbeitsleistung in C zu erbringen. Er war nicht verpflichtet, wenigstens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Bindungswirkung der unbilligen Versetzungsanordnung nachzukommen, die bis zum Ende der Versetzungsmaßnahme auch gar nicht hätte herbeigeführt werden können.
In seinen Entscheidungsgründen führt das Gericht eine Reihe von Argumenten gegen eine Bindungswirkung an. Eine unbillige Weisung binde nach der Gesetzeslage nur den Arbeitgeber, nicht hingegen den Arbeitnehmer. Dieser sei nur dazu verpflichtet, sich auf die Unbilligkeit zu berufen, was auch außerhalb des Klageweges möglich sei. Zudem könne sich die Unbilligkeit einer Weisung auch aus grundrechtlich garantierten Freiheiten ergeben, die einer vorläufigen Befolgung erst recht entgegenstünden. Schließlich stellte das Gericht aber auch rechtspraktische Erwägungen unter Berücksichtigung der Risikoverteilung an: Bei Nichtbefolgung einer unbilligen Weisung drohe dem Arbeitnehmer die Kündigung und ein Verlust der Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug, was im Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen stehe.
Mit seiner Entscheidung eckt das LAG Hamm bewusst an und ist offensichtlich darum bestrebt, eine arbeitnehmer-freundlichere, in letzter Konsequenz aber auch durchaus überzeugende Rechtsprechung zu etablieren. Ob das BAG sich diesen Ausführungen anschließen wird, bleibt abzuwarten. Bis dahin sind Arbeitnehmer gut beraten, bei unbilligen Weisungen rechtlichen Rat einzuholen.
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Fallbeispiel
Kündigung
Sehr oft haben Kündigungen Schwächen, die ein erfolgreiches Kündigungsschutzverfahrens erwarten lassen. Dabei handelt es sich oft um Formfehler oder fehlerhafte Begründungen, nichts auf den ersten Blick unbedingt bedeutsames. Ein Fehler in der Anhörung des Betriebsrats kann ebenso zur Unwirksamkeit einer Kündigung führen, wie ein „übersehenes“ und damit nicht berücksichtigtes Kind bei der Sozialauswahl. Dies kommt z.B. vor, wenn bei geschiedenen Eltern jeder Elternteil zwei 0,5 Kinderfreibeträge also in der Summe genau ein Kind auf der „Steuerkarte“ eingetragen hat. In Wirklichkeit aber zwei Kinder vorhanden sind.
Diese Fehler haben ihren Grund oft darin, daß die Kündigungen vom Arbeitgeber nicht von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht ausgearbeitet wurden und Angaben nicht überprüft wurden.
Im Ergebnis gehen für den kündigenden Arbeitgeber viele Verfahren in Kündigungssachen teuer zu Ende, weil die an sich unwichtige formale Voraussetzung gefehlt hat. So kann schon ein freier Arbeitsplatz in einer anderen Abteilung oder eine unvollständige Anhörung des Betriebsrats viele Kündigungen kippen.
Diese Schwächen und Angriffspunkte einer Kündigung bemerken oft nur die echten Profis, weil manche Fehler im Detail liegen oder versteckt sind. Nur wenn man weiß, wonach man suchen muss, kann man es auch finden. Das macht den Besuch beim Fachanwalt für Arbeitsrecht fast ausnahmslos sinnvoll.
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Welche Unterlagen werden für einen Kündigungsschutzprozess benötigt?
Wer eine Kündigung erhält, ist dieser grundsätzlich nicht schutzlos ausgeliefert.
Denn im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens kann die Kündigung vor dem Arbeitsgericht auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.
Ein Kündigungsschutzverfahren ist für viele Arbeitnehmer häufig ein Mythos. Jeder wird wohl schon einmal davon gehört haben, den genauen Ablauf jedoch nicht kennen.
Generell benötigt man für einen Kündigungsschutzprozess keinen Anwalt (Anwaltszwang herrscht erst ab dem Landesarbeitsgericht), die Kündigungsschutzklage kann man als Arbeitnehmer theoretisch selbst vor dem Arbeitsgericht einlegen…WEITERLESEN
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Personalgespräch: Heimliche Aufzeichnung führt zur Kündigung
Als der Arbeitgeber und der Betriebsrat zum Personalgespräch luden, zeichnete ein Arbeitnehmer die im diesem Rahmen gesprochenen Worte auf. Diese Verletzung der Persönlichkeitsrechte führte zur fristlosen Kündigung. Dass diese auch rechtmäßig ist, entschied das Hessische Landesarbeitsgericht in einem kürzlich bekannt gewordenen Urteil.
Zu dem Personalgespräch kam es, weil dem Arbeitnehmer vorgeworfen wurde, seine Kollegen beleidigt und sogar verbal bedroht zu haben. So hatte er einen Teil seiner Kollegen in einer E-Mail als „low performer“ und „faule Mistkäfer“ bezeichnet. Hierfür kassierte er zunächst eine Abmahnung….WEITERLESEN
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Das besondere und an sich unglaubliche an einer Verdachtskündigung ist, dass auch eine im Nachhinein erwiesene Unschuld unter Umständen nicht vor der Kündigung schützen kann. Darum muss man schon beim leisesten Schein, dass es sich in Richtung einer Verdachtskündigung bewegen könnte, einen Fachanwalt für Arbeitsrecht aufsuchen.
Wenn ein Arbeitnehmer gegen seine vertraglichen Pflichten verstößt, kann der Arbeitgeber – je nach Intensität des Verstoßes – eine ordentliche oder auch eine außerordentliche fristlose Kündigung aussprechen. Voraussetzung ist aber in jedem Fall, dass dem Arbeitnehmer der Verstoß nachgewiesen werden kann. Schließlich soll hiermit eine Kündigung begründet werden…WEITERLESEN
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Vor einigen Jahren weckte das Phänomen Whistleblowing zum ersten Mal das weltweite Interesse: Im Jahre 2013 übergab der ehemalige CIA- und NSA-Mitarbeiter Edward Snowden der Presse in Hongkong unzählige geheime Dokumente. Dadurch machte er die Überwachung des weltweiten Internetverkehrs durch Programme britischer und amerikanischer Geheimdienste öffentlich. Die NSA-Affaire war eine der Folgen seiner Enthüllungen. Snowden lebt jetzt in Russland mit ungeklärter Zukunft. Seine Lebensgeschichte diente drei Jahre später als Vorlage für einen deutsch-amerikanischen Kinofilm („Snowden“). Während die einen den berühmten Whistleblower als Helden feiern, verachten ihn die anderen als Verräter und Nestbeschmutzer… Weiterlesen
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Elternzeit verkürzen
Grundsätzlich können Arbeitnehmer ihre Elternzeit auch verkürzen. Allerdings muss dafür der Arbeitgeber zustimmen. Allerdings sieht das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) vor, dass der Arbeitgeber diesem Wunsch nicht unbedingt nachkommen muss.
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Der Gesetzgeber hat die Anspruchsdauer beim Arbeitslosengeld durch das dritte Gesetz für moderne Dienstleistung am Arbeitsmarkt (Hartz III) geändert. Die Änderung wirkt sich allerdings aufgrund der Übergangsvorschrift in § 434 l SGB III erst ab 01.02.2006 aus. Für Arbeitnehmer/Arbeitslose, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zum 31.1.2006 entsteht, d. h. die Arbeitslosigkeit muß spätestens am 31.01.2006 vorliegen, ist § 127 SGB III in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. Die Neufassung, die seit 01.01.2004 Gesetz ist, gilt daher erstmals für Beendigungen von Arbeitsverhältnissen, die zum 31.01.2006 ausgesprochen wurden. WEITERLESEN…
Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld/ Bild: Unsplash.com/Linda Perez Johannessen
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Arbeitnehmer haben grundsätzlich einen Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Geregelt ist dieser Anspruch im Bundesurlaubsgesetz, kurz BUrlG.
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Grundsätzlich hat der Arbeitgeber die Urlaubswünsche seiner Mitarbeiter zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung hat diesen Anspruch mittlerweile verdeutlicht und betont, dass die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers im allgemeinen vorrangig sind. WEITERLESEN…
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