In vielen Branchen ist es vermehrt üblich, dass Arbeitgeber auf freie Mitarbeiter zurückgreifen. So bringen flexible Arbeitszeiten und keine Krankenkassen- und Rentenbeiträge viele Vorteile für die Auftraggeber (und nicht Arbeitgeber) mit sich. Gleichzeitig besteht aber immer die Gefahr, dass zwar eine freie Mitarbeit vereinbart wurde – in der Realität aber eine Scheinselbstständig vorliegt. Diese kann dem Unternehmen und auch dem Scheinselbstständigen dann eventuell teuer zu stehen kommen.
Unter einem Scheinselbstständigen versteht man einen Erwerbstätigen, der einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgeht und damit rechtlich als abhängig Beschäftigter anzusehen ist. Die Versicherungspflicht wird jedoch hinter einer vermeintlichen freien Mitarbeit, also einer Selbstständigkeit, verborgen. Scheinselbstständige sind damit als ganz „normale“ Arbeitnehmer zu qualifizieren. Ihnen stehen damit sämtliche Rechte wie Urlaubsansprüche, Entgeltfortzahlung bei Krankheit oder der allgemeine Kündigungsschutz zu. Das Problem ist allerdings, dass der Arbeitgeber keine Sozialabgaben und keine Lohnsteuer für seinen Mitarbeiter entrichtet hat.
RA Axel Pöppel und RA Hamza Guelbas
Eine Abgrenzung zwischen freier Mitarbeit und Scheinselbstständigkeit gestaltet sich oft schwierig. Ob ein abhängiges Arbeitsverhältnis oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, wird von den Trägern der Sozialversicherung geprüft. Sofern hier Klärungsbedarf besteht, können die betroffenen Unternehmen oder Privatpersonen einen entsprechenden Antrag auf Überprüfung bei der Rentenversicherung stellen. Ansonsten wird eine Scheinselbstständigkeit meist im Rahmen einer Betriebsprüfung aufgedeckt.
Scheinselbstständig? Indizien die dafür sprechen
- Persönliche Leistungsverpflichtung
Typisch für ein Arbeitsverhältnis – und damit für eine Scheinselbstständig – ist es, wenn die Arbeitgeber ausschließlich eine eigene Leistung der Person erwarten. Im Gegensatz dazu ist es freien Mitarbeitern möglich, auf Subunternehmer oder eigene Mitarbeiter zurückzugreifen.
- Einbindung in die Arbeitsorganisation und die betrieblichen Abläufe
Eine Zusammenarbeit mit festangestellten Arbeitnehmern im Team, die Benutzung von Arbeitsmaterialien des Auftraggebers oder gar die Mitarbeit in den Räumlichkeiten sind starke Indizien für eine Scheinselbstständigkeit.
- Weisungsgebundenheit
Das wichtigste Kriterium ist aber, ob eine Weisungsgebundenheit vorliegt. Bei freien Mitarbeitern beschränkt sich das Weisungsrecht des Auftraggebers regelmäßig nur auf den Auftrag selbst und dessen Ergebnis. Werden darüber hinaus in fachlicher Hinsicht Anweisungen gegeben, in welcher konkreten Art und Weise die Arbeit zu erfolgen hat, ist eher eine Scheinselbstständig gegeben. Das gleiche gilt umso mehr, wenn der Auftraggeber auch bestimmte Arbeits- oder Anwesenheitszeiten verlangt und festlegt, an welchem Ort die Arbeit zu erbringen ist.
Scheinselbstständig oder Freie Mitarbeit? Hilfe vom Fachanwalt/ Bild: Unsplash.com/ Drew Graham
Außerdem spielt es noch eine Rolle, ob ein eigenes unternehmerisches Risiko besteht. Freie Mitarbeiter tragen stets das volle Risiko, dass ihre Rechnungen auch von den Auftraggebern bezahlt werden. Andererseits haben freie Mitarbeiter die Chance, für mehrere Auftraggeber und Projekte zu bearbeiten und so mehr Gewinne zu erzielen.
Maßgeblich ist jedoch, wie das Gesamtbild der Beschäftigung aussieht. Manche freie Mitarbeiter müssen zwingend an einem festen Ort oder zu einer bestimmten Zeit arbeiten, beispielsweise wenn eine ortsfeste Maschine repariert werden soll. Dies alleine kann also noch keine Scheinselbstständigkeit begründen.
Wird aber eine Scheinselbstständigkeit im Rahmen einer Betriebsprüfung aufgedeckt, kann es zu einer Anklage wegen Sozialversicherungsbetrugs kommen. Auf eine Kenntnis des Unternehmers kommt es dafür nicht an. Für die scheinselbstständigen Mitarbeiter müssen die Sozialversicherungsbeiträge und die Lohnsteuer nachgezahlt werden. Aber auch der Scheinselbstständige selbst kann Ansprüche wie Urlaub geltend machen.
In vielen Fällen versuchen die Unternehmer durch geschickte Vertragsgestaltung eine Scheinselbstständigkeit zu umgehen. So wird mit dem (vermeintlichen) freien Mitarbeiter vertraglich vereinbart, dass es keine fachlichen Weisungen gibt und eine Eigenverantwortlichkeit des freien Mitarbeiters vorliegt. Solche Klauseln schützen aber nicht, wenn sie nicht auch umgesetzt werden. Schließlich ist die „gelebte Wirklichkeit“ maßgeblich für die Frage, ob eine freie Mitarbeit oder Scheinselbstständigkeit vorliegt. Da kann vertraglich vereinbart werden was will.
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Diskriminierungsverbot
Diskriminierungsverbot/ Bild: Unsplash.com/umanoide
Das Arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbot folgt mittelbar aus Art. 3 Abs. 1 GG und der von der Rechtsprechung entwickelten Postulat des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Seit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ergibt sich das Diskriminierungsverbot unmittelbar aus dem Gesetz. Danach dürfen Arbeitnehmer nicht wegen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt werden. Dabei kennt das Gesetz die Unterscheidung zwischen der unmittelbaren und der mittelbaren Diskriminierung. Während die unmittelbare Diskriminierung einer Rechtfertigung nicht zugänglich ist, kann die mittelabre Diskriminierung gerechtfertigt werden. Weiterlesen
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