Fürsorgepflicht des Arbeitgebers führt zur Schadenersatzpflicht bei leicht vermeidbarer Strafanzeige

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Das Arbeitsgericht hat mit seinem Urteil vom 18.12.2014 (AZ: 11 Ca 3817/14) entschieden, dass ein Arbeitgeber die Kosten der anwaltlichen Vertretung seines Arbeitnehmers, gegen den er Strafanzeige gestellt hat, übernehmen muss, wenn er den Sachverhalt zuvor auch ohne Einleitung eines Ermittlungsverfahrens hätte selbst aufklären können.

Erstattung der Anwaltskosten als Schadensersatz

Erstattung der Anwaltskosten als Schadensersatz/ Bild: Unsplash.com/ Christian Dubovan

Hintergrund dieses arbeitsgerichtlichen Rechtsstreits war ein vorangegangenes strafrechtliches Ermittlungsverfahren, das von der Staatsanwaltschaft zuletzt eingestellt wurde. Das Strafverfahren wurde seinerzeit durch eine Strafanzeige eines Arbeitgebers gegen seinen ehemaligen Mitarbeiter eingeleitet. Dieser war als Fahrer beim Werttransportunternehmen des Arbeitgebers angestellt und hatte einen Geldschein eines Kunden zwecks Überprüfung zur Polizei gebracht. Nachdem er den Schein von der Polizei zurück erhalten hatte, übergab er ihn einer Filiale des Unternehmens, die den Erhalt allerdings nicht quittierte. Als später der Kunde nach dem Verbleib des besagten Geldscheins fragte, konnte der Vorgang nicht mehr nachvollzogen werden. Daraufhin erstattete der Arbeitgeber gegen seinen mittlerweile dort nicht mehr tätigen Mitarbeiter Strafanzeige, ohne ihn vorher zu dem Vorgang befragt zu haben. Dieser beauftragte einen Strafverteidiger mit der Wahrnehmung seiner Interessen und erhielt von ihm für sein Tätigwerden eine Rechnung über sein Anwaltshonorar. Die Erstattung dieser Anwaltskosten als Schadenersatz forderte der ehemalige Mitarbeiter als Kläger vor dem Arbeitsgericht Köln von seinem früheren Arbeitgeber zurück. Das Gericht entschied vollumfänglich zu seinen Gunsten.

Fürsorgepflichten des Arbeitgebers sind ausschlaggebend

Zwar habe das Bundesverfassungsgericht bereits in den achtziger Jahren entschieden, dass es keine Verpflichtung zur Leistung von Schadenersatz und damit zur Erstattung von Anwaltskosten gebe, wenn jemand gutgläubig eine Strafanzeige gestellt habe, das Verfahren jedoch später eingestellt werde. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts Köln seien im Arbeitsverhältnis jedoch die dem Arbeitgeber obliegenden besonderen Fürsorgepflichten gegenüber seinen Mitarbeitern zu berücksichtigen. Ein Ausfluss dieser Fürsorgepflicht sei es, vor einer Strafanzeige mit einem milderen und für den Arbeitnehmer weniger nachteiligem Mittel zu versuchen, den in Rede stehenden Vorgang durch ein Gespräch aufzuklären. Dies sei im vorliegenden Fall unterblieben, obwohl damit eine Strafanzeige leicht hätte vermieden werden können. Diese Unterlassung wertete das Gericht als Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers mit der Folge seiner Schadenersatzpflicht.

Urteil/ Bild: Unsplash.com

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Sollte der in 1. Instanz zum Schadenersatz verurteilte Arbeitgeber dagegen Rechtsmittel einlegen, dürfte – neben der Klärung tatsächlicher Fragen – juristischer Dreh- und Angelpunkt des nächsten Prozesses sein, ob die Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln tatsächlich von dem im Urteil erwähnten Grundsatz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahr 1987 abweicht, dass derjenige, der gutgläubig eine Strafanzeige erstatte, nicht mit dem Risiko eines Schadenersatzanspruches belastet werden dürfe, wenn sich der Verdacht später nicht bestätigt. Dies wäre dann der Fall, wenn die Gutgläubigkeit des Anzeigenden aufgrund der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht dem verengenden Filter der Nachteilsvermeidung für den angezeigten Arbeitnehmer unterliegt.

Der mögliche Fall einer leichtfertigen Strafanzeige

Der bis jetzt dem Gericht vorliegende Sachverhalt könnte jedoch eventuell auch einen anderen Schluss zulassen, nämlich, dass der Arbeitgeber durch das unterlassene Gespräch, durch das die Strafanzeige vermeidbar gewesen wäre, möglicherweise sehr nah an die Grenze des leichtfertigen Verhaltens gekommen sein könnte. Auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts besteht bei leichtfertiger oder wissentlich unwahrer Strafanzeige ausnahmsweise ein Anspruch auf Schadenersatz gegen den Anzeigenden. Das heißt, würde die Strafanzeige in zweiter Instanz als leichtfertig gewertet werden, wäre das erstinstanzliche Urteil im Einklang mit den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts ergangen.

Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18.12.2014 – AZ: 11 Ca 3817/14

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25.02.1987 – AZ: 1 BvR 1086/85


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