
Unterbezahlte Arbeitnehmer werden von weiten Teilen der Bevölkerung meist im Reinigungs-, Gastronomie- oder Baugewerbe verortet und außerdem häufig mit Schwarzarbeit und illegalem Aufenthalt in Verbindung gebracht. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse kommen jedoch auch in Branchen vor, bei denen man dies vielleicht nicht ohne weiteres vermutet. Mit so einem Fall befasste sich vor einiger Zeit in zweiter Instanz das Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Die Klägerin war bei der Beklagten als Schulbusbegleitung für behinderte Schüler angestellt. Täglich wurden zwei Touren von insgesamt vier Stunden und 25 Minuten gefahren, bei denen die Klägerin die Behinderten im Bus sowie beim Ein- und Aussteigen begleitete. Für jede Tour erhielt sie eine Vergütung von 7,50 Euro, pro Arbeitstag also 15,00 Euro. Für Feiertage und Arbeitsunfähigkeit bekam sie dagegen kein Gehalt. Bezahlten Erholungsurlaub gab es ebenfalls nicht. Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin von ihrer ehemaligen Arbeitgeberin als ergänzende Lohnfortzahlung eine Vergütung gemäß dem Tarifstundenlohn für das private Omnibusgewerbe in Nordrhein-Westfalen in Höhe von 9,76 Euro pro Arbeitsstunde, da die ihr tatsächlich gezahlte Vergütung sittenwidrig sei.

Sittenwidrige Vergütung einer Schulbusbegleiterin/ Bild: Unsplash.com/Sam Truong
Mit seinem Urteil vom 19.08.2014 (AZ: 8 Sa 764/13) entschied das Landesarbeitsgericht Düsseldorf vollumfänglich zugunsten der Klägerin und verurteilte die Beklagte – nachdem das Arbeitsgericht Essen zuvor einen geringeren Lohnfortzahlungsanspruch ausgeurteilt hatte (Urteil vom 25.04.2013 – AZ: 3 Ca 2940/12) – zur Zahlung von weiteren 4.351,12 Euro brutto zuzüglich Zinsen. Die achte Kammer des Berufungsgerichts stufte den tatsächlichen Stundenlohn der Klägerin in Höhe von 3,40 Euro im Vergleich zum objektiven Wert ihrer Arbeitsleistung von 9,76 Euro pro Stunde als sittenwidrig niedrig ein. Auch in subjektiver Hinsicht habe die Beklagte verwerflich gehandelt. Zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit sei entgegen der Auffassung der Beklagten kein pauschaler Aufschlag vorzunehmen, um den Nettocharakter der empfangenen Zahlung auszugleichen und eine Vergleichbarkeit mit dem üblichen Bruttolohn zu ermöglichen. Denn zwischen den Parteien wurde gerade keine Nettotourenpauschale-, sondern eine steuer- und sozialversicherungsfreie Vergütung vereinbart. Gründe für ein Erlöschen des klägerischen Anspruchs auf ergänzende Lohnfortzahlung, die von Seiten der Beklagten zahlreich vorgebracht wurden, lagen nach Meinung der Richter ebenfalls nicht vor. Weder habe die Klägerin auf diese Ansprüche verzichtet noch seien sie verfallen.

Urteil/ Bild: Unsplash.com
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, da es mehreren entscheidungserheblichen Rechtsfragen, darunter der Frage des Aufschlags auf das Nettogehalt von geringfügig Beschäftigten zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit, grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat.
Das Urteil ist in seinen Entscheidungsgründen sehr umfangreich und beschäftigt sich mit vielen formalen und materiellrechtlichen Einzelaspekten. Äußerst dezidiert wird unter anderem auf den Tatbestand der Sittenwidrigkeit des gezahlten Lohns eingegangen. Lohnwucher bzw. ein wucherähnliches Geschäft, das gem. § 138 BGB zur Sittenwidrigkeit und damit zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt, liegt vor, wenn tatsächlich gezahlter Lohn und objektiver Wert der Arbeitsleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen und eine verwerfliche Gesinnung des Arbeitgebers vorliegt.
Diese verwerfliche Gesinnung hat das Landesarbeitsgericht für beide möglichen Fallkonstellationen bejaht: Da der Stundenlohn der Klägerin nur etwas mehr als ein Drittel des maßgeblichen Tariflohns betragen habe, ging die Kammer von einem besonders auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung aus, das ohne weiteres die verwerfliche Gesinnung der Arbeitgeberin indiziert habe und von dieser rechtlich auch nicht ausgeräumt werden konnte.
Selbst wenn man aufgrund von Leerfahrten von einer geringeren Arbeitszeit der Klägerin ausgeht, hat der gezahlte Lohn den Tariflohn immer noch um mehr als ein Drittel unterschritten. Auch dann handelte die Arbeitgeberin subjektiv verwerflich zu ihrem eigenen Vorteil, da sie entgegen gesetzlicher Vorgaben der Klägerin als geringfügig Beschäftigte keinen bezahlten Erholungsurlaub und keine Entgeltfortzahlung bei Krankheit oder Feiertagen gewährt hat.
Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 19.08.2014 – AZ: 8 Sa 764/13
Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 25.04.2013 – AZ: 3 Ca 2940/12
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Will ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer anders beschäftigen, als dies nach dem Arbeitsvertrag „normal“ wäre, so ist das in der Regel nicht so einfach. Ein Arbeitgeber ist nämlich nicht ohne weiteres berechtigt, die Arbeitsvertragsbedingungen einseitig zu ändern.

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Es gibt immer drei Ebenen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Arbeitsbedingungen ändern möchte:
- Ausübung des Direktionsrechts
- Änderungsvereinbarung – auf freiwilliger Basis
- Änderungskündigung – gegen den Willen des Arbeitnehmers
Er ist lediglich berechtigt, die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen des Arbeitnehmers zu konkretisieren und ihm kraft Direktionsrechts Aufgaben zuzuweisen. Sollen dem Arbeitnehmer geänderte Aufgaben zugewiesen werden, die nach dem bestehenden Arbeitsvertrag nicht zu seinen arbeitsvertraglichen Pflichten gehören, kann dies durch eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrages erfolgen. WEITERLESEN
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