„Hier ist es wie im KZ“ und andere Nazi-Vergleiche: Kündigung ja oder nein?

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Im menschlichen Miteinander bleiben gelegentliche unbedachte Äußerungen im Zorn nicht aus. Das ist im beruflichen Kontext nicht anders, allein die Konsequenzen können deutlich härter ausfallen: Schwere Beleidigungen gegenüber Vorgesetzten oder Kollegen haben nicht selten schon zur Kündigung (manchmal sogar zur fristlosen Kündigung) des Arbeitnehmers und zum anschließenden Gerichtsverfahren über deren Wirksamkeit geführt. Besonders heikel sind in diesem Zusammenhang verbale Entgleisungen in Form von Nazi- bzw. Nazizeitvergeichen, die in der Öffentlichkeit fast immer als besonders unangemessen und schwerwiegend empfunden werden. Wie werten Arbeitsgerichte derartige Nazivergleiche?

Mit einem solchen Fall beschäftigte sich in den Jahren 2013 und 2014 das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg. Der Beklagte war Ende 2013 bei der Klägerin als Schichtleiter angestellt und außerdem Betriebsratmitglied. Als er im November 2013 mit der Personalleiterin eine hoch emotionale Diskussion führte vor dem Hintergrund, dass ein neues Schichtsystem mit längeren Arbeitszeiten für die Beschäftigten eingeführt werden sollte, äußerte er, dass das „hier wie im KZ sei“. Daraufhin wurde dem Arbeitnehmer fristlos gekündigt. Der Betriebsrat stimmte der Kündigung jedoch nicht zu. Daraufhin klagte die Klägerin im Hauptsacheverfahren auf gerichtliche Zustimmungsersetzung zur fristlosen Kündigung und beantragte außerdem im einstweiligen Verfügungsverfahren den Ausschluss des Beklagten aus dem Betriebsrat. Die Klägerin unterlag sowohl im Eil- als auch im Hauptsacheverfahren. Mit Beschluss vom 05. Juni 2014 (AZ: 10 TaBVGa 146/14) entschied das LAG Berlin-Brandenburg, dass der Beklagte trotz seines KZ-Vergleichs bis zur Entscheidung in der Hauptsache seine Betriebsratstätigkeit weiter ausüben dufte. Am 02. Oktober 2014 wurde vom gleichen Gericht in der Hauptsache durch einen weiteren Beschluss (AZ: 10 TaBVG 1134/14) sowohl dieser Eilbeschluss bestätigt als auch entschieden, dass die beantragte Zustimmung zur außergerichtlichen Kündigung nicht ersetzt wird. Der Beklagte bleibt mit dieser Entscheidung weiterhin ungekündigt im Arbeitsverhältnis und auch nach wie vor Betriebsratmitglied, wobei er sich zwischenzeitlich zum Betriebsratsvorsitzenden wählen ließ. Eine Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen, da die Entscheidung inhaltlich nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abweicht.

KZ Vergleiche? / Bild: Unsplash.com/ Keagan Harris

Zur Begründung der Beschlüsse führten die Richter aus, dass der KZ-Vergleich zwar eine unsägliche Provokation sei, die jedoch im Lichte des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gesehen werden müsse. Da das in Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) verankerte Recht auf freie Meinungsäußerung für die freiheitlich demokratische Staatsform konstituierend – und gleichzeitig eine der wesentliche Äußerungen der menschlichen Persönlichkeit sei, müsse es stets im Rahmen des Möglichen berücksichtigt werden. Konkret bedeutet dies – so das Gericht – dass Meinungsäußerungen so wie im hier entschiedenen Fall der KZ-Vergleich, auch wenn sie überzogen oder scharf geäußert werden, ja selbst wenn sie inhaltlich falsch sind, aber auch darin enthaltende Tatsachenbehauptungen unter der Schutz der freien Meinungsäußerung fallen. Allerdings seien auch stets die Strafrechtsnormen gegen die persönliche Ehre wie Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung gem.§ 185 bis § 187 Strafgesetzbuch (StGB) zu beachten. Aufgrund zweier kollidierender Grundrechte müsse jeweils im Einzelfall die Gewichtung der Beeinträchtigung der persönliche Ehre auf der einen Seite sowie die der Beeinträchtigung der freien Meinungsäußerung auf der anderen Seite geprüft werden. Allgemein anerkannt ist von der Rechtsprechung mittlerweile, dass Formalbeleidigungen und Schmähkritik nicht von Artikel 5 GG geschützt werden, wobei der Begriff der Schmähkritik eng ausgelegt wird: Diese liegt nur vor, wenn bei der herabsetzenden Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Hauptmerkmal der Schmähung ist damit die das sachliche Anliegen in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung. Da das Betriebsratsmitglied mit seinem KZ-Vergleich jedoch nicht seine Arbeitgeberin bzw. die Personalleiterin selbst beleidigt hatte bzw. auch nicht beleidigen wollte, sondern eine – wenn auch weit überzogene und unangemessene – Sachkritik gegen das Unternehmen geäußert hat, stellt diese Kritik keine Schmähung im Rechtssinne dar und wird deshalb vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung geschützt. Anders wäre es gewesen, wenn er die Personalleiterin mit einer KZ-Aufseherin verglichen hätte, was hier aber nicht der Fall war.

In diesem Sinne urteilten auch andere Gerichte: So wertete das Landesarbeitsgericht Hessen die Äußerung eines Betriebsratsmitglieds, der die Vorgehensweise seines Unternehmens als „Stasi-Methoden“ bezeichnete, als vom Recht der freien Meinungsäußerung geschützte Sachkritik, da nicht die Person des Arbeitgebers bzw. seiner Vertreter beleidigt worden sei (AZ: 7 TaBV 188/10). Die Kündigung des Betriebsratsmitglieds war damit unwirksam, sein Arbeitsplatz gerettet.

Anders verhielt es sich bei dem sogenannten „Hitler-Vergleich“, bei dem ein Betriebsratsmitglied zweimal im Wochenabstand die Betriebsratsvorsitzende mit Adolf Hitler und seinen Methoden verglich. Hier lag für das Landesarbeitsgericht Hessen im Jahr 2013 eine extreme Diffamierung der Person und keine Sachkritik vor mit der Folge, dass das Betriebsratsmitglied aus dem Betriebsrat ausgeschlossen wurde (AZ: 9 TaBV 17/13).

Unsplash.com/ Bruce Jastrow

Nur scheinbar abweichend ist ein Urteil des Landesarbeitsgericht Mainz aus dem Jahr 2011 (AZ: 11 Sa 353/10). Die Richter hielten des Kündigung des Bereichsleiters, der der Sekretärin des Verkaufsleiters, die ihn an die Vorlage der Umsatzzahlen erinnert hatte, die Antwort „Jawohl, mein Führer“ gab, für unwirksam. Aber nicht etwa deshalb, weil sie die in der herabsetzenden Äußerung liegende Diffamierung der Person und den schweren Pflichtverstoß nicht erkannten. Auch das Landgericht Mainz vertrat die Auffassung, dass dieser Satz nicht vom Grundrecht gem. Artikel 5 GG gedeckt ist und grundsätzlich zur Kündigung des Arbeitnehmers berechtigt.

Jedoch ist bei jeder Kündigung das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Dazu gehört, die Kündigung nur als letztes Mittel einzusetzen. Gegenüber einer verhaltensbedingten Kündigung ist die Erteilung einer oder mehrerer einschlägiger Abmahnungen grundsätzlich das mildere Mittel. Da der Bereichsleiter den Satz „nur“ leichtfertig daher gesagt habe, ohne zunächst die darin liegende Beleidigung zu erkennen, und sich nachträglich entschuldigt habe, sei eine Kündigung nicht angemessen und demnach unwirksam. Vielmehr hätte eine Abmahnung ausgereicht.

Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 05.06.2014 – AZ: 10 TaBVGa 146/14

Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 02.10.2014 – AZ: 10 TaBV 1134/14

Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hessen vom 09.05.2011 – AZ: 7 TaBV 188/10

Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hessen vom 13.05.2013 – AZ: 9 TaBV 17/13

Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland- Pfalz vom 20.01.2011 – AZ: 11 Sa 353/10


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1. Angriffe auf die Möglichkeiten, sich mitzuteilen:

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  • Der Vorgesetzte schränkt die Möglichkeiten ein, sich zu äußern.
  • Man wird ständig unterbrochen.
  • Kollegen schränken die Möglichkeiten ein, sich zu äußern.
  • Anschreien oder lautes Schimpfen.
  • Ständige Kritik an der Arbeit
  • Ständige Kritik am Privatleben.
  • Telefonterror
  • Mündliche Drohungen.
  • Schriftliche Drohungen.
  • Kontaktverweigerung durch abwertende Blicke oder Gesten.
  • Kontaktverweigerung durch Andeutung, ohne dass man etwas direkt anspricht.

2. Angriffe auf die sozialen Beziehungen:

  • Man spricht nicht mehr mit dem/der Betroffenen.
  • Man lässt sich nicht ansprechen.
  • Versetzung in einen Raum weitab von den Kollegen.
  • Den Arbeitskollegen / ihnen wird verboten, den / die Betroffene / n anzusprechen.
  • Man wird „wie Luft“ behandelt.

3. Auswirkungen auf das soziale Ansehen:

  • Hinter dem Rücken des Betroffenen wird schlecht über ihn gesprochen.
  • Man verbreitet Gerüchte.
  • Man macht jemanden lächerlich.
  • Man verdächtigt jemanden, psychisch krank zu sein.
  • Man will jemanden zu einer psychiatrischen Untersuchung zwingen.
  • Man macht sich über eine Behinderung lustig.
  • Man imitiert den Gang, die Stimme oder Gesten, um jemanden lächerlich zu machen.
  • Man greift die politische oder religiöse Einstellung an.
  • Man macht sich über das Privatleben lustig.
  • Man macht sich über Nationalität lustig.
  • Man zwingt jemanden, Arbeiten auszuführen, die das Selbstbewusstsein verletzen.
  • Man beurteilt den Arbeitseinsatz in falscher und kränkender Weise.
  • Man stellt die Entscheidungen des / der Betroffenen in Frage.
  • Man ruft ihm / Ihr obszöne Schimpfworte oder andere entwürdigende Ausdrücke nach.
  • Sexuelle Annährungen oder verbale sexuelle Angebote.

4. Angriffe auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation:

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  • Man weist dem Betroffenen keine Arbeitsaufgaben zu.
  • Man nimmt ihm jede Beschäftigung am Arbeitsplatz, so dass er sich nicht einmal selbst Aufgaben ausdenken kann.
  • Man gibt ihm sinnlose Arbeitsaufgaben.
  • Man gibt Ihm Aufgaben weit unter seinem eigentlichen Können.
  • Man gibt ihm ständig neue Aufgaben.
  • Man gibt ihm “kränkende“ Arbeitsaufgaben.
  • Man gibt dem Betroffenen Arbeitsaufgaben, die seine Qualifikation übersteigen, um ihn zu diskreditieren.

5. Angriffe auf die Gesundheit:

  • Zwang zu gesundheitsschädlichen Arbeiten.
  • Androhung körperlicher Gewalt.
  • Anwendung leichter Gewalt, zum Beispiel um jemanden einen „Denkzettel“ zu verpassen.
  • Körperliche Misshandlung.
  • Man verursacht Kosten für den / die Betroffene, um ihm / ihr zu schaden.
  • Man richtet physischen Schaden im Heim oder am Arbeitsplatz des / der Betroffenen an.
  • Sexuelle Handgreiflichkeiten

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