Krankheit des Mitarbeiters und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
„Die beste Krankheit taugt nichts“ – wie viel Wahres in diesem Spruch steckt, dürfte vielen zur Zeit an Grippe erkrankten Arbeitnehmern wieder einmal schmerzlich bewusst werden. Aber auch für die jeweiligen Unternehmen bringen Fehlzeiten durch erkrankte Mitarbeiter wegen der dann nicht erledigten Arbeit fast nur Nachteile in Form von Produktionsrückgang oder entgangenen Einnahmen. Je länger die Erkrankung des Mitarbeiters dauert, desto nachteiliger ist dies für den Arbeitgeber.
Heimliche Observation von Mitarbeitern nur ausnahmsweise erlaubt/ Bild: Unsplash.com/ Mohammad Metri
Erfolgen in einer ohnehin angespannten Arbeitsatmosphäre gleich mehrere Krankschreibungen (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen) hintereinander, mag sich bei manchen Vorgesetzten neben Verärgerung auch noch das unbestimmte Gefühl einschleichen, dass der Arbeitnehmer nicht infolge Krankheit arbeitsunfähig ist, sondern in Wirklichkeit die Erkrankung nur vortäuscht, also „krankfeiert“. Dies stellt einen wichtigen Grund dar, der die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht und daher bei umfassender Interessenabwägung zur außerordentlichen, d.h. fristlosen Kündigung des Arbeitnehmers berechtigt. Dazu muss der Arbeitgeber jedoch das „Krankfeiern“ nachweisen. Dies ist möglich, wenn er den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die ihm vom Arbeitnehmer vorgelegt wurde, erschüttert. Dies kann unter anderem dadurch gelingen, dass das Unternehmen zur Überwachung des vorgeblich erkrankten Mitarbeiters einen Detektiv mit heimlichen Videoaufnahmen beauftragt, aus denen eindeutig die Nichterkrankung hervorgeht.
Detektiv nur bei berechtigtem Anlass
RA Hamza Gülbas
Mit so einem Fall befasste sich vor kurzem das Bundesarbeitsgericht: Geklagt hatte eine ehemalige Sekretärin der Geschäftsleitung eines Unternehmens. Sie war seit dem 27. Dezember 2011 zunächst wegen einer Bronchialerkrankung arbeitsunfähig erkrankt. Bereits zuvor war es zwischen ihr und ihrem Vorgesetzten zu Zerwürfnissen gekommen, das Arbeitsklima dementsprechend schlecht. In den folgenden zwei Monaten legte die Mitarbeiterin insgesamt sechs Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, davon die ersten vier von einem Facharzt für Allgemeinmedizin, die letzten beiden wegen eines Bandscheibenvorfalls von einem Orthopäden. Der Geschäftsführer bezweifelte den Bandscheibenvorfall und beauftragte einen Detektiv mit der Observation der Klägerin. Diese dauerte vier Tage. Dabei wurden das Haus der Klägerin, sie und ihr Mann samt Hund vor dem Haus und ein Besuch der Klägerin im Waschsalon beobachtet und Videoaufnahmen gemacht. Diese stellten einen Teil des anschließend verfassten Observationsberichtes dar.
Die Klägerin forderte mit ihrer Klage vom ehemaligen Arbeitgeber Zahlung eines Schmerzensgeldes, für dessen Höhe sie 10.500,00 Euro als angemessen angab. Sie ist der Auffassung, die Observation und die Videoaufnahmen seien rechtswidrig erfolgt. Durch die Filmaufnahmen sei sie darüber hinaus psychisch dermaßen beeinträchtigt worden, dass sie sich deswegen in ärztliche Behandlung habe begeben müssen. Das Bundesarbeitsgericht folgte mit seinem Urteil vom 19.02.2015 (AZ: 8 AZR 1007/13) der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11.07.2013 (AZ: 11 Sa 312/13) und gab der Klage in Höhe von 1.000,00 Euro statt. Die Revisionen beider Parteien gegen das landesarbeitsgerichtliche Urteil blieben damit erfolglos. Zur Begründung führten die Richter aus, die Observation und die heimlichen Aufnahmen seien rechtswidrig erfolgt, weil der Arbeitgeber keinen berechtigten Anlass zur Überwachung gehabt habe. Sein Verdacht der Krankheitsvortäuschung habe nicht auf konkreten Tatsachen beruht. Die Rechtswidrigkeit der ergriffenen Maßnahmen stellen eine rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin dar, was wiederum einen Schmerzensgeldanspruch gegen den Arbeitgeber, wenn auch nicht in der von der Klägerin für angemessen gehaltenen Höhe, begründet.
Urteil/ Bild: Unsplash.com
Der Fokus dieses Urteils liegt nicht – wie man zunächst vermuten könnte – in der Frage, ob die Videoaufnahmen das Vortäuschen einer Erkrankung beweisen können, sondern in der vorgelagerten Problematik, unter welchen Voraussetzungen überhaupt Observationen und Videoaufnahmen zur Kontrolle der Mitarbeiter durchgeführt werden dürfen. Diese Entscheidung hat dazu beigetragen, dass die Voraussetzungen für einen derartigen Detektiveinsatz, die zuvor nicht klar umrissen waren, nunmehr eindeutig benannt sind: Derartige Überwachungsmaßnahmen sind nur im Falle eines auf konkreten Tatsachen beruhenden und damit berechtigten Anlasses zulässig. Umgekehrt heißt das, dass sämtliche Maßnahmen, die auf bloßen Vermutungen oder auf einem reinen „Bauchgefühl“ beruhen, rechtswidrig sind.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.02.2015 – AZ: 8 AZR 1007/13
Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11.07.2013 – AZ 11 Sa 312/13
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