Bundesarbeitsgericht ändert Rechtsprechung zur Urlaubsanrechnung bei Freistellung

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Fristlose und hilfsweise fristgemäße Kündigung + Freistellungserklärung

Kaum ein Arbeitgeber zahlt gern Urlaubsabgeltung für einen Mitarbeiter, dem er gekündigt hat. Bislang konnte diese Zahlung mit einer entsprechenden Freistellungerklärung bei außerordentlicher fristloser und hilfsweise ordentlicher fristgemäßer Kündigung des Arbeitsverhältnisses auch vermieden werden. Dies hat sich durch die neueste Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 10.02.2015 (AZ: 9 AZR 455/13) geändert. Mit diesem Urteil, das in Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) steht, hat das höchste deutsche Arbeitsgericht die Voraussetzungen der Urlaubsanrechnung bei Freistellung konkretisiert und damit neue Hürden für Arbeitgeber aufgestellt.

Änderung und Anpassung der Rechtsprechung des BAG

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Geklagt hatte ein Mitarbeiter, der seit 23 Jahren in einem Unternehmen beschäftigt war und der zum 11.05.2011 fristlos und hilfsweise ordentlich gekündigt worden war. Das Kündigungsschreiben der Arbeitgeberin enthielt folgende Freistellungserklärung: „ Im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung werden Sie mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche von der Erbringung Ihrer Arbeitsleistung freigestellt.“ Vor dem Arbeitsgericht schlossen die Parteien kurze Zeit später einen arbeitsgerichtlichen Vergleich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2011.

Urlaubsanspruch/ Bild: Unsplash.com/ Nemanja O.

Nicht geregelt wurden im Vergleich die Themen Urlaub und Urlaubsabgeltung. Jedoch enthielt der Vergleich eine Ausgleichsklausel, nach der alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien erledigt sein sollten. In einem weiteren Prozess vor dem Arbeitsgericht Dortmund erhob der Mitarbeiter dennoch Klage gegen die Arbeitgeberin auf Zahlung von Urlaubsgeld und Urlaubsabgeltung, die jedoch abgewiesen wurde. Die erste Instanz vertrat dabei auf der Grundlage der bisherigen BAG-Rechtsprechung die Ansicht, dass die vorsorgliche mit der fristlosen Kündigung erfolgte Freistellungserklärung der Beklagten rechtmäßig war und der Kläger aus diesem Grund seinen Urlaub bereits erhalten habe. Anders entschied das Landesarbeitsgericht Hamm als Berufungsgericht in seinem Urteil vom 14.03.2013 (AZ: 16 Sa 763/12). Die Richter gaben der Klage statt und verurteilten die Beklagte zur Zahlung von Urlaubsgeld und Urlaubsabgeltung. Im sich daran anschließenden Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht unterlag der Kläger zwar. Dies jedoch nur, weil der seinerzeit in der ersten Instanz geschlossene Vergleich auch die klägerischen Ansprüche miterledigt hatte. Hätte es keinen Vergleich gegeben, hätte das BAG dem Kläger die geltend gemachte Urlaubsabgeltung zugesprochen. Denn die Richter haben klar gestellt, dass Arbeitgeber zukünftig nicht mehr vorsorglich Urlaub für den Fall gewähren können, dass eine von ihnen ausgesprochene fristlose Kündigung unwirksam ist. Denn nach § 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) setze die Erfüllung des Urlaubsanspruchs neben der Freistellung von der Arbeit auch die Zahlung der Vergütung voraus. Durch eine Freistellungserklärung bei fristloser, hilfsweise fristgemäßer Kündigung könne dem Mitarbeiter nur dann wirksam Urlaub gewährt werden, wenn der Arbeitgeber ihm vor Urlaubsantritt die Urlaubsvergütung zahlt oder vorbehaltlos zusagt. Damit liegt die nunmehr geänderte Rechtsprechung in Einklang mit Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2003/88/EG, der die EU-Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, Maßnahmen zu treffen, dass jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen hat. Hinsichtlich dieser Richtlinie hat der EuGH festgestellt, dass es den Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlte Freistellung zum Zwecke der Erholung als einen einheitlichen Anspruch ansieht: Mit anderen Worten: Nur Freistellung und Zahlung von Urlaubsentgelt erfüllen den Anspruch auf Urlaubsgewährung. Sie sind zwei Seiten derselben Medaille (einheitlich-zweigliedriger Urlaubsbegriff: Urteil des EuGH vom 20.01.2009 –AZ: C-350/06). Im vorliegenden lag nur eine Freistellungserklärung der Arbeitgeberin vor, eine Zahlung von Urlaubsentgelt erfolgte jedoch nicht.

Folgen des Urteils für Arbeitgeber und Entwicklungstendenzen

unsplash.org/ Olga Bast

Mit diesem Grundsatzurteil hat das BAG seine seit vielen Jahrzehnten bestehende Rechtsprechung (Urteil vom 28.01.1982- AZ: 6 AZR 571/79) hinsichtlich der Problematik Urlaubsgewährung bei fristloser Kündigung, die oftmals erheblich kritisiert wurde, geändert und eurorechtlich angepasst. Denn seit den achtziger Jahren gingen die Richter in Erfurt davon aus, dass der Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub allein durch eine Freistellungserklärung erfüllt sei, die stets für den Fall der unwirksamen ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung erteilt werden konnte. Mit dem aktuellen Urteil des BAG ist dies nun nicht mehr möglich. Vielmehr muss der Arbeitgeber – wählt er den Wortlaut der oben erwähnten Freistellungserklärung – doppelt zahlen:

Urlaubsgeld/ Bild: Unsplash.com/Stoica Ionela

Zum einen ist er bei Unwirksamkeit der fristlosen- , aber Wirksamkeit der fristgemäßen Kündigung wegen des Annahmeverzuges gem. § 615 BGB zur Zahlung von Arbeitsentgelt an den gekündigten Mitarbeiter verpflichtet, obwohl dieser nicht mehr gearbeitet hat, zum anderen zur Zahlung der Urlaubsabgeltung gem. § 7 Abs. 4 BUrlG. Diese Doppelzahlung dürfte den Arbeitnehmer freuen, den Arbeitgeber jedoch weniger. Will er nämlich im Kündigungsschutzverfahren eine wirksame Anrechnung von Urlaubsansprüchen auf eine unwiderrufliche Freistellung erreichen, muss er mit Ausspruch der außerordentlichen fristlosen Kündigung das Urlaubsentgelt auch tatsächlich zahlen. Im Hinblick auf eine ohnehin zu zahlende Urlaubsabgeltung bei Wirksamkeit der fristlosen Kündigung hat er davon finanziell aber keinen Vorteil. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden Unternehmen zukünftig versuchen, durch besondere Formulierungen der Freistellungserklärung die ihnen sonst obliegende Doppelvergütung zu vermeiden. Eine Empfehlung lautet z.B., in der Erklärung den Kündigungstermin um die noch offenen Urlaubstage nach hinten zu schieben, freizustellen und Urlaubsentgelt, also Arbeitsentgelt, zu zahlen. So könne zumindest die Urlaubsabgeltung vermieden werden. Wie sich die Praxis und die Rechtsprechung dazu entwickeln werden, ist zur Zeit noch völlig offen.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10.02.2015 – AZ: 9 AZR 455/13

Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14.03.2013 – AZ: 16 Sa 763/12

Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 20.01.2009 – AZ: C-350/06

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 28.01.1982 – AZ 6 AZR 571/79


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