Betriebsbedingte Kündigung und Sozialauswahl
Werden in einem Unternehmen mit mehr als zehn Angestellten betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen, greift für Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt der Kündigung mehr als sechs Monate beschäftigt sind, die Sozialauswahl nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG), wenn es für keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit z.B. durch Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen gibt. Hintergrund der vom Arbeitgeber vorzunehmenden Sozialauswahl ist zum einen die Tatsache, dass bei einer betriebsbedingten Kündigung – anders als bei der personen- oder verhaltensbedingten Kündigung – nicht der Arbeitnehmer den Anlass dafür gegeben hat, sondern der Kündigungsgrund der Arbeitgebersphäre entstammt und den Arbeitnehmer daher in der Regel besonders hart trifft. Durch die Sozialauswahl soll sichergestellt werden, dass der Arbeitgeber zunächst die sozial stärksten und erst zuletzt die sozial schwächsten Arbeitnehmer kündigt. Dazu gibt es vier Kriterien, nämlich Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung, wobei keines der Kriterien besonderen Vorrang genießt. Dies macht die Sozialauswahl zu einem besonders heiklen Thema, das schon oft zu gerichtlichen Auseinandersetzungen und zu unterschiedlichen Urteilen hinsichtlich der Gewichtung der einzelnen Kriterien geführt hat.
BAG-Urteil zur Sozialauswahl bei Unterhaltspflichten
Am 29.01.2015 erging erneut ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Thema Sozialauswahl (AZ: 2 AZR 706/00). Geklagt hatte ein 42-jähiger Salesmanager gegen seine Kündigung. Er war mehr als sechs Jahre in einer Softwarefirma für die Entwicklung und den Vertrieb von Computerspielen zuständig, bevor er von seinem Arbeitgeber eine Änderungskündigung erhielt. Diese wurde mit der zukünftigen Automatisierung seines Aufgabenbereichs begründet, wobei dem Kläger eine Herabstufung auf zehn Wochenstunden bei einem monatlichen Gehalt von 850,00 Euro angeboten wurden. In Anbetracht der Tatsache, dass der Arbeitnehmer mit diesem Verdienst seine Familie mit zwei minderjährigen Kindern und einer Ehefrau mit einer geringfügigen Beschäftigung nicht mehr hätte ernähren können, lehnte der Kläger die Änderungskündigung ab. Anschließend klagte er zunächst vor dem Arbeits-, anschließend vor dem Landesarbeitsgericht Köln und schließlich in letzter Instanz vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt gegen die Kündigung. Dabei berief er sich auf seine Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seinen Familienmitglieder. Demgegenüber hielt der Arbeitgeber die getroffene Sozialauswahl für fehlerfrei, da er den Kläger nicht für schutzwürdiger einstufte als die etwas ältere, drei Jahre länger im Betrieb beschäftigte kinderlose Kollegin, die ihren Arbeitsplatz behalten konnte.
Arbeits- und Landesarbeitsgericht hatten der Klage stattgegeben und die Sozialauswahl als fehlerhaft eingestuft. Gegen das zweitinstanzliche Urteil hatte das Unternehmen Revision eingelegt. Mit seinem jüngsten Urteil bestätigt das Bundesarbeitsgericht nun die Entscheidungen der Vorinstanzen. Zur Begründung führten die Erfurter Richter an, dass die Kündigung unwirksam sei, da der Arbeitgeber die Kriterien der Sozialauswahl nicht ausreichend berücksichtigt habe. Die Unterhaltspflichten des Klägers wiegen in diesem Fall schwerer als die geringfügig längere Betriebszugehörigkeit der Kollegin. Daher sei der Arbeitgeber verpflichtet, den Kläger wieder zu den alten Konditionen zu beschäftigen.
Dieser über zwei Jahre dauernde Rechtsstreit durch alle arbeitsrechtlichen Instanzen ist für den Kläger überaus erfolgreich verlaufen. Das darf jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass dieses Urteil nur für seinen Einzelfall Geltung hat. Die Hoffnung zahlreicher Fachleute auf ein Grundsatzurteil zur Sozialauswahl, insbesondere unter Berücksichtigung von Familien hat sich damit nicht erfüllt. So ist es seit 2012 lediglich bei der Anregung einer Sachverständigenkommission an die Bundesregierung im 8. Familienbericht geblieben, „eine obligatorisch stärkere Gewichtung der Unterhaltskriterien durch das Gesetz vorzusehen.“
Auch bedeutet das Urteil nicht gleichzeitig die Entlassung der älteren Kollegin. Vielmehr muss eine neue Sozialauswahl vorgenommen werden, wenn seit der Kündigung neue Mitarbeiter hinzugekommen- oder Mitarbeiter ausgeschieden sind.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 29.01.2015 – AZ: 2 AZR 706/00
Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 09.01.2014 – AZ: 6 Sa 533/13
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Änderungskündigung
Will ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer anders beschäftigen, als dies nach dem Arbeitsvertrag „normal“ wäre, so ist das in der Regel nicht so einfach. Ein Arbeitgeber ist nämlich nicht ohne weiteres berechtigt, die Arbeitsvertragsbedingungen einseitig zu ändern.
Es gibt immer drei Ebenen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Arbeitsbedingungen ändern möchte:
- Ausübung des Direktionsrechts
- Änderungsvereinbarung – auf freiwilliger Basis
- Änderungskündigung – gegen den Willen des Arbeitnehmers
Er ist lediglich berechtigt, die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen des Arbeitnehmers zu konkretisieren und ihm kraft Direktionsrechts Aufgaben zuzuweisen. Sollen dem Arbeitnehmer geänderte Aufgaben zugewiesen werden, die nach dem bestehenden Arbeitsvertrag nicht zu seinen arbeitsvertraglichen Pflichten gehören, kann dies durch eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrages erfolgen. WEITERLESEN
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