Verschiedene Zeitpunkte des Beginns einer Schwangerschaft
Schwangere Arbeitnehmerinnen haben einen besonderen Kündigungsschutz. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) genießen sie ein absolutes Kündigungsverbot, das sowohl ordentliche als auch außerordentliche Kündigungen erfasst. Nur ausnahmsweise sind Kündigungen mit vorheriger behördlicher Zustimmung möglich. Die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG lautet:
„Die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung ist unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft oder Entbindung bekannt war oder innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird; das Überschreiten dieser Frist ist unschädlich, wenn es auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird.“
Das MuSchG liefert jedoch keine Definition, zu welchem Zeitpunkt eine Schwangerschaft vorliegt. Bei einer auf natürlichem Wege zustande gekommenen Schwangerschaft hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Schwangerschaftsbeginn durch eine Rückrechnung um 280 Tage vom ärztlich festgestellten voraussichtlichen Entbindungstermin zu ermitteln sei. Dagegen kommen bei einer In-vitro-Fertilisation rein theoretisch drei verschiedene Zeitpunkte in Betracht: Der Zeitpunkt der Befruchtung-, der Einsetzung- (auch Embryonentransfer genannt) oder der Einnistung der befruchteten Eizelle (auch Nidation genannt). Den frühesten Zeitpunkt der Befruchtung hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits mit seinem Urteil vom 26.02.2008 (AZ: C 506/06) für unzulässig erklärt.
Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin im Kleinbetrieb
Ob nun der zweite oder dritte Zeitpunkt als Beginn der Schwangerschaft und damit auch des Sonderkündigungsschutzes heranzuziehen ist, war unlängst Gegenstand eines Verfahrens vor dem Bundesarbeitsgericht: Die Klägerin war als eine von zwei Angestellten seit Februar 2012 in der Versicherungsvertretung des Beklagten angestellt.
Es lagen keine Abmahnungen oder Ermahnungen wegen schlechter Leistung vor. Am 14. oder 15. Januar 2013 teilte die Klägerin ihren bislang unerfüllten Kinderwunsch sowie den bevorstehenden erneuten Versuch einer künstlichen Befruchtung mit. Am 24. Januar 2013 wurde bei ihr der Embryonentransfer durchgeführt. Am 31. Januar 2013 sprach der Beklagte die ordentliche Kündigung aus, ohne dazu eine behördliche Zustimmung eingeholt zu haben. Kurz darauf besetzte er die Stelle mit einer älteren Arbeitnehmerin. Am 7. Februar 2013 wurde bei der Klägerin die Schwangerschaft festgestellt, worüber sie den Beklagten am 13. Februar 2013 informierte. Außerdem erhob sie gegen den Beklagten Kündigungsschutzklage, die sowohl vor dem Arbeitsgericht Leipzig als auch in der zweiten Instanz vor dem Sächsischen Landesarbeitsgericht zu ihren Gunsten entschieden wurde. Auch in der dritten Instanz vor dem Bundesarbeitsgericht blieb die Revision des Beklagten ohne Erfolg.
Der Zweite Senat stellte im Urteil vom 26.03.2015 ( AZ: 2 AZR 237/14) die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 9 Abs. 1 Satz MuSchG fest, da die Klägerin bei Zugang der Kündigung am 31.01.2013 wegen des zuvor erfolgten Embryonentransfers am 24.01.2013 bereits den dort normierten Kündigungsschutz genieße. Zudem verstoße die Kündigung gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Verbindung mit §§ 1,3 AGG. Zur Begründung des Diskriminierungsvorwurfs bezog sich das BAG auf die oben genannte Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2008, wonach eine unmittelbare Diskriminierung des Geschlechts vorliegen könne, wenn eine Kündigung hauptsächlich aus dem Grund erfolge, dass die Arbeitnehmerin sich einer Behandlung zur künstlichen Befruchtung unterzogen habe. Nach Auffassung des BAG lag in diesem Fall nach den gesamten Umständen des Falls ein derartiges Kündigungsmotiv vor.
Kündigungsschutz bereits ab dem Zeitpunkt des Embryonentransfers
Dieses Urteil des BAG hat geklärt, dass der Kündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen im Falle einer künstlichen Befruchtung bereits ab der Einsetzung der befruchteten Eizelle(n), also ab dem Tag des Embryonentransfers einsetzt. Dieser Zeitpunkt hat gegenüber der späteren Einnistung der befruchteten Eizelle den Vorteil, dass er genau bestimmt und durch eine ärztliche Bescheinigung auch nachgewiesen werden kann. Rein medizinisch gesehen ist der Zeitpunkt der Schwangerschaft allerdings damit vorverlegt, da diese biologisch erst ab dem Zeitpunkt der Einnistung vorliegt.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26.03.2015 – AZ: 2 AZR 237/14
Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 07.03.2014 – AZ: 3 Sa 502/13
Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 21.06.2013 – AZ: 9 Ca 600/13
Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.02.2008 – AZ: C 506/06
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