Tendenzbetrieb im Arbeitsrecht: Alles was Sie wissen müssen.

Ein Tendenzbetrieb ist ein Unternehmen, das unmittelbar und überwiegend politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen oder Zwecken der Berichtserstattung oder Meinungsäußerung, auf die Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes Anwendung findet, dient (§ 118 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Dazu zählen z.B. Parteien, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, konfessionell-gebundene Einrichtungen, Einrichtungen des Deutschen Roten Kreuzes, Berufsbildungswerke, Privatschulen, Theater, Forschungsinstitute, wissenschaftliche Bibliotheken, Museen, Verlage, Presse- und Nachrichtenagenturen sowie Rundfund- und Fernsehanstalten. Ein Tendenzbetrieb muss nicht nur bestimmte geistig-ideelle Vorstellungen-, sondern darf auch eine wirtschaftliche Gewinnerzielung verfolgen. Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen sind keine Tendenzbetriebe, da für sie das gesamte BetrVG keine Anwendung findet (absoluter Tendenzschutz).

Im Tendenzbetrieb gibt es keine Mitbestimmung in Wirtschaftlichen Angelegenheiten

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Im Tendenzbetrieb gibt es keine Mitbestimmung in Wirtschaftlichen Angelegenheiten/ Bild: Unsplash.com

Eine der wichtigsten Besonderheiten der Tendenzbetriebe ist, dass die Vorschriften des BetrVG  keine Anwendung finden, soweit die Eigenart des Unternehmens oder Betriebes dem entgegen steht. Das BetrVG gilt damit nur eingeschränkt, d.h. die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats sind eingeschränkt bzw. teilweise ganz ausgeschlossen (relativer Tendenzschutz):

In einem Tendenzbetrieb gibt es keinen Wirtschaftsausschuss, den sonst der Betriebsrat in einem Unternehmen mit mehr als hundert Arbeitnehmern bilden muss und der mit dem Unternehmer ausschließlich wirtschaftliche Angelegenheiten wie z.B. die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens, Produktions- und Absatzlage oder Rationalisierungsvorhaben berät.

Bei Betriebsänderungen gelten die §§ 111 BetrVG bis 113 BetrVG nur insoweit, als sie den Ausgleich oder die Milderung wirtschaftlicher Nachteile für die davon betroffenen Arbeitnehmer regeln. Das bedeutet im einzelnen:

Hat das Tendenzunternehmen mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer, muss der Unternehmer den Betriebsrat über eine geplante Betriebsänderung, die möglicherweise  wesentliche Nachteile für die Belegschaft nach sich ziehen kann, umfassend informieren und sich mit ihm zu beraten. Damit soll der Betriebsrat die Möglichkeit erhalten, dem Unternehmer zu einem späteren Zeitpunkt eigene Vorstellungen über einen späteren Sozialplan präsentieren zu können.

Die Erstellung eines Sozialplans kann nach §§112,112a BetrVG bei Betriebsänderungen durch Entlassungen aus betriebsbedingten Gründen erzwungen werden, nicht jedoch ein Interessenausgleich durch den Arbeitgeber. Unterlässt der Unternehmer den Versuch eines Interessenausgleichs mit dem Betriebsrat und wird der Arbeitnehmer infolge der späteren Betriebsänderung entlassen oder erleidet andere wirtschaftliche Nachteile, kann er vor Gericht eine Klage auf Zahlung einer Abfindung bzw. des Nachteilsausgleichs erheben.

Bei personellen Einzelmaßnahmen wie Einstellungen, Versetzungen, Ein- und Umgruppierungen und Kündigungen sind die Beteiligungsrechte des Betriebsrats immer dann eingeschränkt oder entfallen ganz, wenn die Maßnahme des Arbeitgebers einen Tendenzträger betrifft und darüber hinaus tendenzbezogen ist, d.h. wenn die geistig-ideelle Zielsetzung des Unternehmens ernstlich beeinträchtigt sein kann. Tendenzträger sind z.B. hauptamtliche Partei- oder Gewerkschaftsfunktionäre, Erzieherinnen in einem kirchlichen Kindergarten, Redakteure einer Zeitung, Lektoren oder auch Lehrer an privaten Schulen, denn sie alle haben maßgeblichen Einfluss auf die Tendenzverwirklichung eines Unternehmens. Keine Tendenzträger sind demnach Schreibkräfte, Hausmeister oder Reinigungspersonal.

Bei  einer geplanten Einstellung muss der Arbeitgeber zwar den Betriebsrat informieren, braucht aber nicht dessen Zustimmung. Beim Vorstellungsgespräch dürfen auch bestimmte mit den speziellen Tendenzbetrieb zusammenhängende Fragen gestellt werden, die sonst eigentlich unzulässig sind, z.B. die Frage nach der Parteizugehörigkeit des Bewerbers auf einen Tendenzträgerposten in einer Partei. Ebenfalls ohne Zustimmung des Betriebsrat kann ein Mitarbeiter innerhalb eines Tendenzbetriebes versetzt werden, wenn der Arbeitgeber dies verlangt.

Da es sich bei Ein- oder Umgruppierungen in der Regel nicht um tendenzbezogene Maßnahmen handelt, sondern um Fragen der Rechtsanwendung, hat der Betriebsrat in diesen Fällen uneingeschränktes Mitspracherecht.

Kündigungsgründe sind dem Betriebsrat mitzuteilen; er hat bei allen beabsichtigten Kündigungen ein Anhörungsrecht. Er hat jedoch bei ordentlichen, tendenzbezogenen Kündigungen kein Widerspruchsrecht, kann jedoch Bedenken dagegen vorbringen. Bei außerordentlichen tendenzbezogenen Kündigungen braucht der Arbeitgeber nicht die Zustimmung des Betriebsrats. Eine tendenzbezogene Kündigung liegt z.B. vor, wenn ein Redakteur Artikel gegen die Tendenz des Unternehmens verfasst. Würde man ihn dagegen entlassen wollen, weil er die Arbeit verweigert oder dringende betriebliche Gründe es erfordern, stellt dies keinen tendenzbezogenen Kündigungsgrund dar. In diesem Fall kann der Betriebsrat der Kündigung widersprechen. Weitere sog. tendenzneutrale Angelegenheiten, die die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht beeinflussen, sind Angelegenheiten der Berufsbildung, des Arbeits- und betrieblichen Umweltschutzes, der Arbeitsplätze und deren Ausschreibung sowie der Arbeitsabläufe.

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Tendenzbetrieb/ Bild: Unsplash.com


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