Voller Urlaubsanspruch bei Wechsel in eine Teilzeittätigkeit

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Urlaub bei Voll- und Teilzeitbeschäftigung

Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Erholungsurlaub. Nach § 3 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) beträgt die gesetzliche Mindestdauer jährlich 24 Werktage für Beschäftigte, die in einer Sechs-Tage-Woche beschäftigt sind, wobei der Samstag als Werktag zu zählen ist. Der Mindesturlaubanspruch für Arbeitnehmer, die in einer Fünf-Tage-Woche beschäftigt sind, beträgt 20 Werktage.

Bei beiden Konstellationen hat der Arbeitnehmer also vier Wochen Urlaub im Jahr. Währenddessen ist ihm das in den letzten dreizehn Wochen durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt als sog. Urlaubsentgelt fortzuzahlen (§ 11 BurlG). Der tatsächliche Urlaubsanspruch mit durchschnittlich 29 Tagen liegt in der betrieblichen Praxis häufig deutlich über dem gesetzlichen Mindesturlaub, da hiervon durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag zugunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden kann. Teilzeitkräfte haben einen Pro-rata-Anteil am Urlaubsanspruch eines Vollzeitbeschäftigten, wobei folgende Formel angewendet wird: Anzahl der Urlaubstage eines Vollzeitbeschäftigten geteilt durch die Anzahl seiner wöchentlichen Arbeitstage mal Anzahl der Arbeitstage des Teilzeitbeschäftigten.

Nun ist eine Änderung der wöchentlichen Arbeitszeit bei Arbeitnehmern keine Seltenheit. So kommt es häufig vor, dass eine Beschäftigter von einer Vollzeit- in eine Teilzeittätigkeit wechselt, ohne dass er vor dem Wechsel Urlaub nehmen konnte. Was ist dann mit seinem Urlaub?

Wechsel in Teilzeitbeschäftigung – Urteil des BAG

Mit einem solchen Fall befasste sich kürzlich das Bundesarbeitsgericht: Geklagt hatte ein Angestellter des öffentlichen Dienstes, der zum 15. Juli 2010 von einer Vollzeit- in eine Teilzeitbeschäftigung mit nunmehr 4 – statt bisher 5 – wöchentlichen Arbeitstagen gewechselt hatte. Während seiner Vollzeittätigkeit hatte der Angestellte keinen Urlaub nehmen können. Zwischen den Parteien findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung. Danach beträgt der jährliche Urlaubsanspruch 30 Urlaubstage bei einer Fünf-Tage-Woche. Nach seinem Wechsel in die Teilzeittätigkeit wollte die Beklagte dem Angestellten nur noch 24 Urlaubstage gewähren (30 Urlaubstage geteilt durch 5 mal 4).

Dagegen erhob der Beschäftigte Klage zunächst vor dem Arbeitsgericht, das zu seinen Gunsten entschied. Das daraufhin von der Beklagten eingeleitete Berufungsverfahren vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht wurde dagegen zu Lasten des Klägers entschieden und die Klage abgewiesen. In letzter Instanz hatte die Klage nun vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Mit dem Urteil vom 20. Februar 2015 (AZ: 9 AZR 53/14) gab das höchste deutsche Arbeitsgericht der Klage statt und stellte fest, dass dem Kläger die von ihm geforderten drei zusätzlichen Urlaubstage, insgesamt also 27 Urlaubstage, zustehen. Zur Begründung führten die Richter aus, dass § 26 Abs. 1 TVöD, wonach der Urlaubsanspruch bei weniger als fünf Arbeitstagen in der Woche vermindert sei und den die Beklagte zur Argumentation ihres Klagabweisungsantrag herangezogen hatte, gegen das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter verstoße. Eine derartige Diskriminierung lege vor, wenn – wie im konkreten Fall – die Norm eine Minderung der während der Vollzeittätigkeit bereits erworbenen Urlaubstage vorsehe.

Urteil des EuGH

Mit diesem Urteil hat das Bundesarbeitsgericht seine bisherige Rechtsprechung, nach der bei einem Wechsel in eine Teilzeitbeschäftigung der Urlaubsanspruch zu mindern war, aufgegeben. Hintergrund dieser Kehrtwende ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofes

(EuGH) aus dem Jahr 2010. Das EuGH hatte in einem ähnlich gelagerten Fall einer klagenden österreichischen Arbeitnehmervertretung entschieden, dass einem von Voll- in Teilzeit wechselnden Arbeitnehmer der bereits erdiente Urlaubsanspruch in vollem Umfang erhalten bleibe, und zwar sowohl hinsichtlich der Anzahl der Urlaubstage als auch hinsichtlich der Höhe des zu zahlenden Urlaubsentgelts. Voraussetzung ist aber stets, dass der Arbeitnehmer den Urlaub während seiner Vollzeittätigkeit aus betrieblichen oder persönlichen Gründen nicht nehmen konnte. Anderenfalls verbleibe es bei der Minderung des Urlaubsanspruchs. Das Gericht begründete seine Entscheidung u.a. damit, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union sei, von dem der nationale Gesetzgeber weder abweichen- noch ihn restriktiv auslegen dürfe. Das Bundesarbeitsgericht hat dies nun zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Zukünftig werden sich auch die Arbeitgeber daran halten müssen.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.02.2015 – AZ: 9 AZR 53/14

Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 30.10.2012 – AZ: 13 Sa 590/12

Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 22.04.2010 – AZ: C 486/08

Voller Urlaubsanspruch bei Wechsel in eine Teilzeittätigkeit/ Urteil/ Bild: Unsplash.com


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