Whistleblowing – Das müssen Arbeitgeber und Betriebsräte jetzt wissen

Die Europäische Union hat sich dem Schutz von Whistleblowern verschrieben und die umfangreiche Whistleblowing-Richtlinie erlassen. Das hat nun bald auch für deutsche Unternehmen Konsequenzen. Arbeitgeber und Betriebsräte sollten daher schnell handeln, um ihr Unternehmen auf die neuen Herausforderungen vorzubereiten. Was Sie nun zum Thema Whistleblowing wissen müssen und welche rechtlichen Vorgaben gelten, erfahren Sie in diesem Beitrag.

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Whistleblowing für Arbeitgeber

Arbeitgeber

Am 23. Oktober 2019 hat die EU die „Richtlinie 2019/1937 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ verabschiedet. Der sperrige Titel meint kurz: Schutz von Whistleblowern bzw. Hinweisgebern.

Die EU verfolgt mit dieser Richtlinie das Ziel, die bessere Durchsetzung von Unionsrecht zu ermöglichen, gemeinsame Mindeststandards zu wahren und Whistleblower vor Repressalien zu schützen.

Sie als Arbeitgeber müssen vor allem eines wissen: Richtlinien der EU gelten in den Mitgliedsstaaten grundsätzlich erst einmal nicht unmittelbar. Das heißt, dass die Richtlinie lediglich Vorgaben aufstellt, welche die Mitgliedsstaaten – und so auch Deutschland – erst noch in eigenen Gesetzen umsetzen müssen.

Ohne eine solche Umsetzung gilt der Grundsatz, dass sich Arbeitnehmer nicht auf ihre Rechte aus der Richtlinie berufen können und Arbeitgeber keine neuen Pflichten treffen. Ob das so auch bei der Whistleblowing-Richtlinie stimmt, zeigen wir Ihnen im nächsten Abschnitt.

Gelten die neuen Regelungen schon?

Die EU hat die Mitgliedsstaaten verpflichtet, die Richtlinie bis zum 17. Dezember 2021 in nationales Recht umsetzen. Deutschland hat die EU-Richtlinie bisher aber nicht umgesetzt. Ein erster Entwurf scheiterte im April 2021. Ein neuer Entwurf liegt bisher auch wegen des Regierungswechsels noch nicht vor. Manch ein Arbeitgeber denkt nun also vielleicht, dass er sich erst einmal über die gewonnene Zeit freuen kann. Dieser Eindruck trifft aber nur teilweise zu.

Denn auch wenn eine EU-Richtlinie grundsätzlich keine unmittelbare Geltung für Unternehmen entfaltet, kann das bei einer fehlenden Umsetzung ausnahmsweise anders sein. Für Arbeitgeber hieße das: Auch ohne nationales Gesetz müssten sie die Vorgaben der EU-Richtlinie beachten.

Der Europäische Gerichtshof nimmt eine solche unmittelbare Geltung an, wenn die Richtlinie klar und eindeutig formuliert ist und der nationale Gesetzgeber keine weitere Konkretisierung mehr treffen muss. Ob auch die EU-Whistleblower-Richtlinie diese Anforderungen erfüllt, ist nicht eindeutig.

Zumindest private Arbeitgeber können wohl aufatmen: Eine unmittelbare Geltung wird ganz überwiegend nur für öffentliche Arbeitgeber angenommen. Hierzu zählen aber nicht nur öffentliche Körperschaften, Stiftungen und Anstalten, sondern auch private Unternehmen, sofern sie von der öffentlichen Hand beherrscht werden.

Auch ohne unmittelbare Geltung der Richtlinie können Gerichte aber bereits nationales Recht im Einklang mit EU-Recht auslegen. Das heißt beispielsweise, dass in einem Kündigungsstreit mit einem Whistleblower der Richter bereits auf Gedanken der Richtlinie zurückgreifen und die Klage abweisen könnte. Ob und in welchem Umfang die Arbeitsgerichte künftig eine solche „richtlinienkonforme Auslegung“ vornehmen, ist schwer absehbar.

Beachten Sie außerdem, dass die Umsetzung der Richtlinie in ein nationales Gesetz im Koalitionsvertrag vereinbart wurde und daher mit einer zügigen Gesetzgebung zu rechnen ist. Bereits in der ersten Jahreshälfte 2022 sollten Arbeitgeber daher ohnehin mit den neuen Vorgaben rechnen. Eine gründliche und zügige Vorbereitung ist daher auch unabhängig von einer unmittelbaren Geltung der Richtlinie mehr als empfehlenswert.

Welche Vorgaben gab es bisher zum Whistleblowing?

Der bisherige Schutz von Whistleblowern ist in Deutschland lückenhaft und von Einzelregelungen geprägt. Momentan können Mitarbeiter beispielsweise in folgenden Fällen Meldungen machen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen:

  • Arbeitnehmer dürfen sich bei der zuständigen Behörde über mangelhaften Arbeitsschutz beschweren (§ 17 Abs. 2 ArbSchG).
  • Beamte können ohne Verletzung ihrer Verschwiegenheitspflicht Korruptionsstraftaten anzeigen (§ 67 Abs. 2 Nr. 3 BBG).
  • Auch die Anzeige von Geldwäsche ist geschützt (§ 48 GWG).
  • Unter Umständen ist sogar die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen erlaubt. Dies gilt beispielsweise bei der Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung, um öffentliche Interessen zu schützen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 GeschGehG).

Daneben gibt es insbesondere im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen bereits einige gesetzliche Vorgaben, um Meldesysteme und interne Kontrollverfahren aufzubauen (z.B. § 25 a Abs. 1 S. 3 Nr. 3 KWG, § 4 d Abs. 1 FinDAG). Auch der Betriebsrat als Anlaufstelle für Beschwerden der Arbeitnehmer fungiert bereits als eine interne Meldestelle für Whistleblower (§§ 84 ff. BetrVG).

Sie sehen aber, dass es sich hierbei nur um vereinzelte Vorgaben handelt. Von einer systematischen Regelung oder einem durchdachten Whistleblower-Schutz kann nicht die Rede sein. In vielen Fällen droht Whistleblowern bisher die verhaltensbedingte Kündigung, sofern Sie bei ihrer Meldung nicht vielfältige Vorgaben beachten und sich grundsätzlich erst einmal an den Arbeitgeber wenden. Zudem sind sogar strafrechtliche Konsequenzen – beispielsweise wegen übler Nachrede (§ 186 StGB) – möglich.

Dies führt aber auch zwangsläufig dazu, dass viele Arbeitgeber nur schlecht auf die neuen Anforderungen der EU-Whistleblower-Richtlinie vorbereitet sind. Auch herrscht oft noch eine Unternehmenskultur, die Whistleblower als „Verräter“ abstempelt. Sie laufen daher Gefahr, dass Ihre zukünftigen Schutzbemühungen vom eigenen Management und der Belegschaft untergraben werden. Umso wichtiger ist für Sie die frühzeitige Vorbereitung auf die neuen Regeln.

Wie wird das künftige Gesetz aussehen?

Es ist noch unklar, wie das nationale Gesetz endgültig aussehen wird. Wichtige Inhalte können aber schon abgesehen werden.

Die EU-Whistleblower-Richtlinie stellt nämlich zwar detaillierte Vorgaben auf, wie mit Whistleblowern zu verfahren ist; das sind aber nur Mindeststandards. Eine bessere Behandlung der Whistleblower ist ausdrücklich erlaubt (Art. 25 Whistleblower-Richtlinie). Der Bund könnte somit auch strengere Vorgaben für Unternehmen schaffen und den Schutz der Hinweisgeber erweitern.

Beispiel: Die EU-Richtlinie erfasst lediglich Whistleblower, welche Verstöße gegen EU-Recht melden. Die Bundesregierung könnte das exakt so umsetzen. Die Ampel-Koalition hat aber im Koalitionsvertrag (S. 111) vereinbart, dass auch die Meldung von erheblichen Verstößen gegen nationale Vorschriften und sonstigem erheblichem Fehlverhalten erfasst sein sollen, sofern die Aufdeckung im öffentlichen Interesse liegt.

Behalten Sie daher unbedingt Folgendes im Hinterkopf: In den nächsten Abschnitten stellen wir Ihnen den Inhalt der EU-Richtlinie genauer vor. Hierbei handelt es sich aber nur um Mindestvorgaben, welche Ihr Unternehmen zukünftig in jedem Fall erfüllen muss. Es ist gut möglich, dass die Bundesregierung diese Standards noch einmal verschärfen wird und Sie daher zusätzliche – noch nicht genau absehbare – Anforderungen erfüllen müssen.

Wie soll Whistleblowing ermöglicht werden?

Hinweisgeber sollen die Möglichkeit haben, sowohl intern als auch extern Rechtsverstöße zu melden:

  • Interne Meldekanäle werden von Ihnen als Arbeitgeber betrieben (Art. 7-9 Whistleblower-Richtlinie).
  • Externe Meldekanäle sind hingegen bei Behörden angesiedelt (Art. 10-14 Whistleblower-Richtlinie).

Der Hinweisgeber hat grundsätzlich die freie Wahl, ob er Verstöße intern oder extern anzeigt.

Während sich der Staat also um die Einrichtung der externen Meldekanäle kümmert, müssen Sie interne Meldesysteme aufbauen. Dazu sollen Sie verpflichtet werden, Hinweisgebern intern die Meldung von Rechtsverstößen zu ermöglichen (Art. 8 Abs. 1, 2 Whistleblower-Richtlinie). Zudem muss auch eine unparteiische Person oder Abteilung ernannt werden, welche nach einer Meldung Folgemaßnahmen einleitet (Art. 9 c Whistleblower-Richtlinie). Diese unparteiische Person bzw. Abteilung kann gleichzeitig auch die Meldung entgegennehmen. Dann müssen Sie aber besonders auf die Neutralität dieser Stelle achten.

Gerade kleineren Unternehmen wird der Aufbau eines solchen Systems schwerfallen. Sie haben daher die Möglichkeit, den Betrieb eines Meldekanals auch von einem Dritten durchführen zu lassen (Art. 8 Abs. 5 Whistleblower-Richtlinie). Sollten Sie diese Möglichkeit nutzen, müssen Sie unbedingt darauf achten, dass der Dritte vertrauenswürdig, verschwiegen und rechtlich geschult ist. Andernfalls ist Ihnen Ärger gewiss. Aus diesen Gründen bieten sich insbesondere Anwälte als eine solche Meldestelle an. Wir sind bereits in dieser Rolle tätig.

Zudem sind Sie auch verpflichtet, Informationen über die Möglichkeit externer Meldungen an Behörden bereitzustellen (Art. 9 g Whistleblower-Richtlinie).

Wie muss ich mit Whistleblowern umgehen?

Hinweisgeber mussten bisher mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen, sobald sie ihr Wissen an Dritte weitergaben. Aber auch interne Meldungen waren mitunter nicht gerne gesehen und galten schlicht als „petzen“.

Dies soll zukünftig verhindert werden. Ihnen als Arbeitgeber ist daher jede Repressalie gegenüber Hinweisgebern verboten (Art. 19 Whistleblower-Richtlinie). Was genau unter einer „Repressalie“ zu verstehen ist, gibt die Richtlinie vor (Art. 5 Nr. 11 Whistleblower-Richtlinie):

„Repressalien“ sind direkte oder indirekte Handlungen oder Unterlassungen in einem beruflichen Kontext, die durch eine interne oder externe Meldung oder Offenlegung ausgelöst werden und durch die dem Hinweisgeber ein ungerechtfertigter Nachteil entsteht oder entstehen kann.

Zu den Repressalien zählen unter anderem:

  • Kündigung, Suspendierung und ähnliche Maßnahmen
  • Herabstufung oder Versagung einer Beförderung
  • Änderung der Arbeitsbedingungen, also z.B. von Arbeitsort, Zeit oder Gehalt
  • Versagung der Teilnahme an Weiterbildungen
  • Negative Leistungsbeurteilung oder Arbeitszeugnis
  • Disziplinarmaßnahmen
  • Rügen
  • Mobbing
  • Einschüchterung
  • Diskriminierung
  • Nichtverlängerung oder vorzeitige Beendigung eines befristeten Arbeitsvertrags
  • Versagung eines unbefristeten Vertrages

Schon die Androhung oder der Versuch einer solchen Maßnahme ist zukünftig verboten.

Ihnen kann nur geraten werden, sich an diese Vorgaben zu halten. Bei einer Klage des Whistleblowers wird vermutet, dass eine erlittene Benachteiligung wirklich eine Repressalie war (Art. 21 Abs. 5 Whistleblower-Richtlinie). Das heißt, nicht der Arbeitnehmer muss beweisen, dass er aufgrund seiner Meldung Nachteile erleidet, sondern Sie müssen vor Gericht beweisen, dass er keine Repressalien erdulden muss und eine arbeitsrechtliche Maßnahme nicht mit dem Whistleblowing zusammenhängt. Aufgrund dieser „Beweislastumkehr“ wird Ihr Stand vor Gericht also deutlich erschwert.

Zudem gilt die Meldung von Verstößen künftig nicht als Verletzung einer vertraglichen oder gesetzlichen Offenlegungsbeschränkung (Art. 21 Abs. 2 Whistleblower-Richtlinie), sodass Hinweisgeber auch hier keine Konsequenzen fürchten müssen. Schadensersatzprozesse gegen den Hinweisgeber sollen außerdem weitestgehend verhindert werden (Art. 21 Abs. 7 Whistleblower-Richtlinie). Sofern Sie einen Prozess gegen einen Whistleblower anstrengen, sollten Sie sich daher rechtlich eingehend beraten lassen.

Beachten Sie zudem, dass Sie den Schutz der Whistleblower nicht durch eine vertragliche Vereinbarung ausschließen können (Art. 24 Whistleblower-Richtlinie).

Welche Arbeitgeber müssen Hinweissysteme einrichten?

Voraussichtlich wird wohl nicht jeder Arbeitgeber ein internes Meldesystem einrichten müssen.

Die Richtlinie erfasst sowohl juristische Personen im privaten als auch im öffentlichen Sektor (Art. 8 Abs. 1 Whistleblower-Richtlinie). Die EU erkennt aber an, dass gerade kleinere Unternehmen mit der Einführung eines umfassenden Schutzsystems für Whistleblowing überfordert sein könnten und sieht daher folgende Ausnahmen vor:

  • Juristische Personen des öffentlichen Sektors mit weniger als 50 Arbeitnehmern und Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern (Art. 8 Abs. 9 Whistleblower-Richtlinie)
  • Juristische Personen des privaten Sektors mit weniger als 50 Arbeitnehmern (Art. 8 Abs. 3 Whistleblower-Richtlinie)

Beachten Sie, dass es der Bundesregierung auch freisteht, Unternehmen unterhalb dieser Grenze zu erfassen (Art. 8 Abs. 7 und Abs. 9 Whistleblower-Richtlinie). Dies droht gerade kleineren Personen des Privatrechts, deren Tätigkeit mit einem besonderen Risiko für Rechtsverstöße einhergeht (Art. 8 Abs. 7 Whistleblower-Richtlinie). Zudem gelten die Schwellenwerte auch nicht für juristische Personen des Privatrechts, welche in bestimmten Bereichen – insbesondere im Finanzgeschäft – tätig sind (Art. 8 Abs. 4 Whistleblower-Richtlinie).

Aber Achtung: Unternehmen mit weniger als 50 müssen zwar kein internes Meldesystem einrichten, Whistleblower sind aber auch hier vor Repressalien geschützt und können sich auf die Beweislastumkehr berufen.

In welchen Bereichen werden Hinweisgeber geschützt?

Die EU-Whistleblowing-Richtlinie verlangt keinen allumfassenden Schutz von Hinweisgebern. Die Richtlinie zählt stattdessen bestimmte Rechtsbereiche auf, in denen Whistleblowing geschützt werden muss (Art. 2 Whistleblower-Richtlinie).

Hierzu gehören:

  • öffentliche Auftragsvergabe
  • Finanzdienstleistungen
  • Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung
  • Produktsicherheit
  • Verkehrssicherheit
  • Umweltschutz
  • kerntechnische Sicherheit
  • Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit
  • Tiergesundheit und -schutz
  • öffentliche Gesundheit
  • Verbraucherschutz
  • Schutz der Privatsphäre und Datenschutz
  • Sicherheit von Netz- und Informationssystemen
  • EU-Wettbewerbsvorschriften
  • Körperschaftssteuervorschriften
  • Verstöße gegen finanzielle Interessen der EU

Der Grund für diesen knappen Katalog ist die begrenzte Gesetzgebungszuständigkeit der EU. Nur in Bereichen, in welchen die EU auch Gesetze erlassen darf, darf sie den Schutz von Hinweisgebern anordnen. Es steht dem Bund aber offen, weitere Rechtsgebiete aufzunehmen (Art. 2 Abs. 2 Whistleblower-Richtlinie) oder sogar einen generellen Whistleblower-Schutz vorzuschreiben.

Wer ist geschützt?

Hinweisgeber sollen durch die Whistleblowing-Richtlinie der EU möglichst umfassend geschützt werden. Erfasst sind daher so gut wie alle Personen, die im Rahmen ihrer Arbeit mit Ihrem Unternehmen zu tun haben (Art. 4 Whistleblower-Richtlinie). Neben Arbeitnehmer sind daher auch Leiharbeiter, freiwillige Mitarbeiter, Aktionäre, Organmitglieder, Subunternehmer und Lieferanten geschützt.

Beachten Sie zudem, dass auch ehemalige Arbeitnehmer (Art. 4 Abs. 2 Whistleblower-Richtlinie) und selbst Bewerber (Art. 4 Abs. 3 Whistleblower-Richtlinie), welche beispielsweise im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs Informationen erlangen, geschützt sind. Dritte, die mit dem Hinweisgeber in Kontakt stehen, sind ebenfalls erfasst (Art. 4 Abs. 4 Whistleblower-Richtlinie). Hierzu zählen beispielsweise Kollegen des Whistleblowers oder Familienmitglieder, sofern sie ebenfalls in Ihrem Unternehmen tätig sind.

Was, wenn die Meldung nicht stimmt?

Hinweisgeber sind unter Umständen auch dann vor Repressalien geschützt, wenn sich ihre Meldung als falsch herausstellen sollte.

Denn die Whistleblower-Richtlinie verlangt lediglich, dass der Hinweisgeber zumindest belastbare Anhaltspunkte für seine Vermutung hatte (Art. 6 Abs. 1 Whistleblower-Richtlinie). Ob ein Rechtsverstoß wirklich vorlag oder der Whistleblower sich irrte, ist unerheblich. Erst wenn die Meldung Ihres Arbeitnehmers vorsätzlich gelogen oder grob fahrlässig falsch ist, genießt er keinen Schutz mehr. Ebenso ist es egal, aus welcher Motivation heraus der Hinweisgeber gehandelt hat. Möchte Ihr Arbeitnehmer sich beispielsweise für eine entgangene Beförderung an Ihnen rächen, ist er trotzdem geschützt.

Entscheidend für den arbeitsrechtlichen Schutz ist somit die Gutgläubigkeit des Hinweisgebers, nicht aber die Wahrheit oder Motivation seiner Meldung.

Wie muss ich die Meldung behandeln?

Die EU-Richtlinie schreibt bereits teilweise vor, wie Sie Meldungen Ihrer Arbeitnehmer zu behandeln haben. Sie sollten vor allem folgende Punkte beachten:

  • Die Identitäten des Hinweisgebers und Dritter müssen vertraulich behandelt werden (Art. 9 a Whistleblower-Richtlinie). Das bedeutet insbesondere, dass grundsätzlich nur die für die Entgegennahme der Meldung oder Folgemaßnahme zuständigen Mitarbeiter die Identität des Hinweisgebers kennen dürfen (Art. 16 Abs. 1 Whistleblower-Richtlinie).
  • Eine anonyme Meldung muss zumindest nach der EU-Richtlinie nicht ermöglicht werden. Das nationale Gesetz könnte hier aber abweichen (Art. 6 Abs. 2 Whistleblower-Richtlinie).
  • Sofern Sie im Zuge der Meldung personenbezogene Daten verarbeiten, müssen Sie den Datenschutz beachten (Art. 17 Whistleblower-Richtlinie). Das wird regelmäßig der Fall sein, da bei einer Meldung zumindest Daten über den Hinweisgeber oder gemeldete Personen erfasst werden.
  • Eingehende Meldungen müssen dokumentiert werden (Art. 18 Whistleblower-Richtlinie).
  • Sie müssen ordnungsgemäße Folgemaßnahmen nach der Meldung ergreifen (Art. 9 d Whistleblower-Richtlinie), beispielsweise interne Nachforschungen (Art. 5 Nr. 12 Whistleblower-Richtlinie)

Genauere Vorgaben werden voraussichtlich durch das nationale Gesetz getroffen werden. Nach bisherigem Stand bleibt die genaue Ausgestaltung der Meldewege und der Folgemaßnahmen ebenso wie die Ermöglichung anonymer Hinweise Ihnen überlassen.

Welche Fristen müssen beachtet werden?

Sie müssen dem Hinweisgeber innerhalb von sieben Tagen den Eingang der Meldung bestätigen (Art. 9 Abs. 1 b Whistleblower-Richtlinie). Innerhalb von drei Monaten nach dieser Bestätigung müssen Sie zudem eine Rückmeldung an den Hinweisgeber geben und diesen über den Stand des Verfahrens informieren (Art. 9 Abs. 1 g Whistleblower-Richtlinie).

„Rückmeldung“ heißt hierbei noch nicht, dass das Verfahren abgeschlossen sein muss. Sie müssen sich aber zumindest mit dem Hinweisgeber in Verbindung setzen und ihn über ergriffene Maßnahmen, Fortschritte und Ergebnisse informieren.

Wichtig: Diese Fristen sollten unbedingt eingehalten werden! Denn grundsätzlich ist der Hinweisgeber zunächst verpflichtet, Rechtsverstöße bei Ihnen oder der zuständigen Behörde zu melden. Sollten Sie jedoch innerhalb der oben genannten Fristen keine geeigneten Maßnahmen ergreifen, kann der Hinweisgeber die Informationen auch öffentlich offenlegen (Art. 15 Abs. 1 Whistleblower-Richtlinie). Während bei der internen oder externen Meldung noch eine gewisse Vertraulichkeit gewährleistet ist, wird das öffentliche Whistleblowing für Ihr Unternehmens schnell zum Fiasko.

Sie sehen daher, dass ein funktionierendes Meldesystem außerordentlich wichtig ist und keinesfalls auf die leichte Schulter genommen werden darf.

Welche Sanktionen drohen?

Die EU-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten, bei folgenden Verstößen gegen den Whistleblower-Schutz wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen zu bestimmen (Art. 23 Whistleblower-Richtlinie):

  • Behinderung von Meldungen
  • Repressalien gegen Hinweisgeber
  • mutwillige Gerichtsverfahren gegen Hinweisgeber
  • Verletzung der Vertraulichkeit der Meldung

Welche Strafen der Bund genau festlegt, ist noch offen. Sowohl zivil- als auch straf- und verwaltungsrechtliche Sanktionen sind möglich. Sie können zumindest davon ausgehen, dass wahrscheinlich ein hohes Bußgeld von bis zu 100.000€ pro Verstoß drohen wird.

Neben diesen staatlichen Sanktionen erwarten Sie bei Maßnahmen gegen Hinweisgeber zudem Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüche Ihres Arbeitnehmers. Zudem wird ein entlassener Arbeitnehmer oft erfolgreich auf Wiedereinstellung klagen können.

Was kann schon jetzt getan werden?

Auch wenn ein nationales Gesetz noch nicht absehbar ist, können Sie bereits jetzt tätig werden, um sich auf die neuen Whistleblowing-Regeln vorzubereiten.

Besonders folgende Maßnahmen sind empfehlenswert:

  • Schulen Sie Ihre Mitarbeiter! Die besten Meldesysteme nützen wenig, wenn in Ihrem Unternehmen keine Sensibilität für Whistleblowing herrscht. Denken Sie daran, dass viele Führungskräfte und Mitarbeiter Whistleblowing als illoyal empfinden und daher versucht sein könnten, Hinweisgeber auszugrenzen. Auch Mobbing zählt aber als Repressalie und kann daher Sanktionen für Sie nach sich ziehen. Sie sollten daher mindestens Führungskräfte und Personalabteilung ausführlich in die Materie einweisen.
  • Klären Sie schon jetzt ab, wer für den Meldekanal und Folgemaßnahmen zuständig sein soll. Insbesondere sollten Sie überlegen, ob Sie den Meldekanal intern betreiben und dafür Mitarbeiter einstellen oder ausbilden wollen oder ob Sie nicht lieber einen externen Experten hinzuziehen möchten. Stellen Sie insbesondere sicher, dass Fristen eingehalten werden.
  • Überlegen Sie, wie Sie Hinweisgeber dazu bewegen können, interne Meldekanäle zu bevorzugen. Für Sie als Arbeitgeber wird es wohl immer besser sein, wenn Rechtsverstöße intern behandelt werden und nicht sofort an die Öffentlichkeit oder Behörden gelangen. Sie sollten daher mindestens offen kommunizieren, welche internen Möglichkeiten Ihre Arbeitnehmer haben, um Verstöße anzuzeigen, und klarstellen, dass ihnen keinerlei Repressalien drohen. Zudem sollten Sie auf ein möglichst einfaches und vertrauenserweckendes Verfahren achten. Auch über finanzielle Anreize sollten Sie nachdenken.
  • Auch Unternehmen, welche bereits über ein internes Meldesystem verfügen, sollten überprüfen, ob dieses den Anforderungen des EU-Rechts gerecht wird.
  • Suchen Sie sich rechtlichen Rat. Die hier dargestellten Vorgaben dienen lediglich der Übersicht. Zudem wird das nationale Gesetz voraussichtlich über die Richtlinie der EU hinausgehen. Sie sollten daher sicherstellen, dass ein Experte die rechtliche Entwicklung für Sie im Auge behält und dafür sorgt, dass Sie den neuen Anforderungen problemlos gerecht werden können.
  • Dokumentieren Sie jede Meldung und die durch Sie getroffenen Maßnahmen ausführlich. Ebenso sollten Sie künftig allgemein die Personalakten Ihrer Arbeitnehmer detailliert pflegen. Sollte ein Arbeitnehmer Gefahr laufen, gekündigt zu werden, könnte er versuchen, noch schnell einen Missstand in Ihrem Unternehmen anzuzeigen. Vor Gericht kann er dann behaupten, dass seine Kündigung nur eine Repressalie für die vorherige Meldung sei. Dies können Sie aufgrund der Beweislastumkehr nur widerlegen, wenn Sie lückenlos darlegen, warum Sie den Arbeitnehmer entlassen möchten und dass die Kündigung nicht mit der Meldung zusammenhängt.

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Whistleblowing für Betriebsräte

Betriebsrat

Die Whistleblower-Richtlinie der EU soll insbesondere Arbeitnehmer, welche Rechtsverstöße melden, umfassend schützen und sieht daher sowohl für private als auch für öffentliche Unternehmen umfangreiche Pflichten vor. Bevor die Vorgaben einer Richtlinie aber unmittelbar für Unternehmen gelten, müssen sie in nationales Recht umgesetzt werden. Das hat die Bundesregierung versäumt, sodass zumindest auf private Unternehmen wohl erst einmal keine neuen Pflichten zukommen.

Da ein nationales Gesetz aber bereits in der ersten Jahreshälfte 2022 zu erwarten ist, sollten sich auch Betriebsräte bereits jetzt mit wichtigen Regelungen vertraut machen. Sie sollten hierbei wissen, dass die EU-Richtlinie lediglich Mindeststandards für den Schutz von Whistleblowern setzt. Der Regierung steht es frei, noch schärfere Maßnahmen zu beschließen.

Auch wenn sich diese Vorgaben zunächst einmal an den Arbeitgeber richten und insbesondere dieser Details kennen muss, sind auch Sie als Betriebsrat gefordert. Wollen Sie noch genauer wissen, was auf Ihr Unternehmen zukommt, schauen Sie gerne oben nach.

Wie gehe ich mit Whistleblowern um?

Als Betriebsrat kommt Ihnen insbesondere bei der Kündigung von Arbeitnehmern eine wichtige Rolle zu. Gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG sind Sie vor jeder Kündigung anzuhören. Auch muss der Arbeitgeber Ihnen die Gründe der Kündigung darlegen. Haben Sie nun Bedenken gegen die Kündigung, so haben Sie dies dem Arbeitgeber mitzuteilen (§ 102 Abs. 2 BetrVG).

Für Sie ist es nun zukünftig wichtig, Folgendes zu wissen: Die EU-Richtlinie sieht vor, dass jegliche Art von Repressalien gegen Whistleblower grundsätzlich verboten sind und zudem schwere Sanktionen für den Arbeitgeber nach sich ziehen können.

Als Repressalie gilt hierbei vor allem die Kündigung. Sollten der Arbeitgeber also versuchen, einem Hinweisgeber als Folge seines Whistleblowings zu kündigen, sollten Sie Ihre Bedenken äußern.

Daneben gelten aber auch sonstige nachteilhafte Maßnahmen gegenüber dem Arbeitnehmer als Repressalie. Insbesondere eine Versetzung, Lohnkürzung oder Änderung der Arbeitszeit als Folge des Whistleblowings sind ebenso verboten. Sollte sich ein Arbeitnehmer also nach der Meldung eines Rechtsverstoßes solchen Nachteilen ausgesetzt sehen, ist es Ihre Aufgabe als Vertretung der Arbeitnehmer, auf das ordnungsgemäße Verhalten des Arbeitgebers hinzuwirken.

Redet der Betriebsrat beim Whistleblowing mit?

Die EU-Richtlinie sieht vor, dass Unternehmen interne Meldesysteme einführen und auch Folgemaßnahmen ergreifen. So soll den Arbeitnehmern ermöglicht werden, vertraulich Rechtsverstöße zu melden.

Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie stellt hierbei ausdrücklich fest, dass das Verfahren – sofern gesetzlich vorgesehen – nach Rücksprache und im Einvernehmen mit den Sozialpartnern ausgestaltet werden soll. Da der Betriebsrat in Deutschland umfangreiche Mitwirkungsrechte hat, wird auch die Einrichtung dieser internen „Meldekanäle“ aller Voraussicht nach mitbestimmungspflichtig sein (§ 87 BetrVG). Beispielsweise werden Meldesysteme oft durch Einführung technischer Einrichtungen realisiert und können unter Umständen unter § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG fallen. Zudem wird die Einführung eines umfangreichen Meldesystems meist wohl auch die Ordnung des Betriebes berühren und somit nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig sein.

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