
Wer muss Überstunden nachweisen? Immer der oder diejenige, die sie bezahlt haben will. Und das war in der Vergangenheit immer schwierig, weil der Arbeitnehmer immer folgendes Beweisen musste:
- Datum und Uhrzeit
- Tätigkeit
- Anordnung, Genehmigung oder bewusste Duldung durch den Arbeitgeber
Hier war auf der Seite der Arbeitnehmer die Hoffnung, dass nach Änderungen im Europarecht die Beweislage sich erleichtern würde. Leider nicht.
Hier die Entscheidung de Bundesarbeitsgerichts:
Pressemitteilung des BAG Nr. 16/22 – Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess
Der Arbeitnehmer hat zur Begründung einer Klage auf Vergütung geleisteter Überstunden – kurz zusammengefasst – erstens darzulegen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers hierzu bereitgehalten hat. Da der Arbeitgeber Vergütung nur für von ihm veranlasste Überstunden zahlen muss, hat der Arbeitnehmer zweitens vorzutragen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat. Diese vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für die Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer und deren Veranlassung durch den Arbeitgeber werden durch die auf Unionsrecht beruhende Pflicht zur Einführung eines Systems zur Messung der vom Arbeitnehmer geleisteten täglichen Arbeitszeit nicht verändert.
Der Kläger war als Auslieferungsfahrer bei der Beklagten, die ein Einzelhandelsunternehmen betreibt, beschäftigt. Seine Arbeitszeit erfasste der Kläger mittels technischer Zeitaufzeichnung, wobei nur Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, nicht jedoch die Pausenzeiten aufgezeichnet wurden. Zum Ende des Arbeitsverhältnisses ergab die Auswertung der Zeitaufzeichnungen einen positiven Saldo von 348 Stunden zugunsten des Klägers. Mit seiner Klage hat der Kläger Überstundenvergütung in Höhe von 5.222,67 Euro brutto verlangt. Er hat geltend gemacht, er habe die gesamte aufgezeichnete Zeit gearbeitet. Pausen zu nehmen sei nicht möglich gewesen, weil sonst die Auslieferungsaufträge nicht hätten abgearbeitet werden können. Die Beklagte hat dies bestritten.
Das Arbeitsgericht Emden hat der Klage stattgegeben. Es hat gemeint, durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 14. Mai 2019 – C-55/18 – [CCOO], wonach die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen, werde die Darlegungslast im Überstundenvergütungsprozess modifiziert. Die positive Kenntnis von Überstunden als eine Voraussetzung für deren arbeitgeberseitige Veranlassung sei jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn der Arbeitgeber sich die Kenntnis durch Einführung, Überwachung und Kontrolle der Arbeitszeiterfassung hätte verschaffen können. Ausreichend für eine schlüssige Begründung der Klage sei, die Zahl der geleisteten Überstunden vorzutragen. Da die Beklagte ihrerseits nicht hinreichend konkret die Inanspruchnahme von Pausenzeiten durch den Kläger dargelegt habe, sei die Klage begründet.
Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage – mit Ausnahme bereits von der Beklagten abgerechneter Überstunden – abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, dass vom Erfordernis der Darlegung der arbeitgeberseitigen Veranlassung und Zurechnung von Überstunden durch den Arbeitnehmer auch nicht vor dem Hintergrund der genannten Entscheidung des EuGH abzurücken ist. Diese ist zur Auslegung und Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und von Art. 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergangen. Nach gesicherter Rechtsprechung des EuGH beschränken sich diese Bestimmungen darauf, Aspekte der Arbeitszeitgestaltung zu regeln, um den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Sie finden indes grundsätzlich keine Anwendung auf die Vergütung der Arbeitnehmer. Die unionsrechtlich begründete Pflicht zur Messung der täglichen Arbeitszeit hat deshalb keine Auswirkung auf die nach deutschem materiellen und Prozessrecht entwickelten Grundsätze über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess. Hiervon ausgehend hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen, der Kläger habe nicht hinreichend konkret dargelegt, dass es erforderlich gewesen sei, ohne Pausenzeiten durchzuarbeiten, um die Auslieferungsfahrten zu erledigen. Die bloße pauschale Behauptung ohne nähere Beschreibung des Umfangs der Arbeiten genügt hierfür nicht. Das Berufungsgericht konnte daher offenlassen, ob die von der Beklagten bestrittene Behauptung des Klägers, er habe keine Pausen gehabt, überhaupt stimmt.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 4. Mai 2022 – 5 AZR 359/21 –
Vorinstanzen: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 6. Mai 2021 – 5 Sa 1292/20 – und Arbeitsgericht Emden, Teilurteil vom 9. November 2020 – 2 Ca 399/18 –

RA: Axel Pöppel / Wer muss bei Überstunden was beweisen?
Sie haben weitere Fragen zu diesem Thema? Wir helfen Ihnen!
Gerne helfen wir Ihnen weiter. Die Schilderung Ihres Problems und eine kurze Ersteinschätzung sind kostenlos, wenn Sie gekündigt wurden oder einen Aufhebungsvertrag erhalten haben. Rufen Sie uns dann gerne an.
Für alle anderen Anliegen können Sie gerne eine kostenpflichtige Erstberatung in Anspruch nehmen.
24 Stunden, rund um die Uhr
Mo - Fr von 08:00 – 18:00 Uhr
Hamburg 040 35 70 49 50Mo - Fr von 08:00 – 18:00 Uhr
Mehr zum Thema Recht: Krankheitsbedingte Kündigung – Kündigungsfristen – Personalakte – Probezeitkündigung – Sonderkündigungsschutz – Änderungskündigung betriebsbedingt – Anwalt Scheidung Hamburg – Kleinbetrieb – Fristlose Kündigung Corona – Sozialplan Entlassung – Testpflicht Corona – Internationale Scheidung
Auch interessant:
Ausbezahlen von Überstunden – Wann muss der Chef zahlen?
Ich habe doch einen Anspruch auf Auszahlung meiner Überstunden? Oder?
Diese Frage bekommen wir oft gestellt und in der Regel muss man erstmal mit der typischen Juristenantwort „Es kommt darauf an.“ antworten und dann weiter fragen:
- Gibt es eine tarifliche oder betriebliche Regelung zu Arbeitszeitkonten?
- Wie wird das im Betrieb sonst gehandhabt?
- Was sagt der Arbeitsvertrag zu Überstunden?
Denn: Das Gesetz regelt nicht ausdrücklich, ob und in welcher Höhe Überstunden allgemein zu vergüten sind. Oftmals werden auch keine konkreten Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber darüber getroffen, wie und wann Überstunden ausbezahlt werden. Trotzdem gilt: hat der Arbeitnehmer Überstunden auf Anweisung des Arbeitgebers geleistet, muss er hierfür auch entlohnt werden…WEITERLESEN

Ausbezahlen von Überstunden – Wann muss der Chef zahlen?/ Bild: Unsplash.com
Mehr zum Thema Kündigung: Kündigungsschutzgesetz – Abfindung Steuer vermeiden – Teilmonatsberechnung Rechner – Sozialplan Abfindung – Arbeitnehmerüberlassung– die wichtigsten Fragen und kurze Antworten zur Abmahnung – Kündigungsschutz– Verhalten bei einer Abmahnung – unbefristeter Arbeitsvertrag
Sie haben weitere Fragen zu diesem Thema? Wir helfen Ihnen!
Gerne helfen wir Ihnen weiter. Die Schilderung Ihres Problems und eine kurze Ersteinschätzung sind kostenlos, wenn Sie gekündigt wurden oder einen Aufhebungsvertrag erhalten haben. Rufen Sie uns dann gerne an.
Für alle anderen Anliegen können Sie gerne eine kostenpflichtige Erstberatung in Anspruch nehmen.
24 Stunden, rund um die Uhr
Mo - Fr von 08:00 – 18:00 Uhr
Hamburg 040 35 70 49 50Mo - Fr von 08:00 – 18:00 Uhr
Auch interessant:
Arbeitszeitmodelle
Arbeitszeitmodelle sind grds. eine der wichtigsten Hilfen zum reibungslosen Ablauf eines Arbeitsprozesses, z.B. der Verwaltung oder Produktion. Im Arbeitszeitmodell wird das Schema bzw. System der Lage und Verteilung der Arbeitszeit der Mitarbeiter geregelt. Es ist die Vorlage bzw. Rahmen für die Regelung der Arbeitszeit für den einzelnen Arbeitnehmer.
Zunächst gibt es – ganz klassisch – Vollzeit und Teilzeit als Arbeitszeitmodelle. Begrifflich und inhaltlich geht das Thema Arbeitszeitmodell viel weiter. Es geht um Begriffe und Themen wie Gleitzeit, Arbeitszeitkonten, Starre Arbeitszeit, flexible Arbeitszeitmodelle, Schichtarbeit, Lebensarbeitszeit und vieles mehr. Arbeitszeitmodelle können sich aus dem Arbeitsvertrag oder auch aus Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen oder Personalvereinbarungen ergeben.

Arbeitszeitmodelle/ Bild: Unsplash.com/ Jon Tyson
Profis im Kündigungsschutz: Anwalt Arbeitsrecht Hamburg Bergedorf – Rechtsanwalt Nordfriesland Arbeitsrecht – Anwalt Kündigung Husum – Fristlose Kündigung – Kündigungsfristen – Rechtsbeistand Kündigung St Pauli – Rechtsbeistand Kündigung Rotherbaum– Fachanwalt für Arbeitsrecht Hamburg– Kündigung Arbeitsrecht– Arbeitsrecht Rolls Royce– Germanwings Personalabbau – Überstundenzuschläge– Anwalt Kündigungsschutz Hamburg
Sie haben weitere Fragen zu diesem Thema? Wir helfen Ihnen!
Gerne helfen wir Ihnen weiter. Die Schilderung Ihres Problems und eine kurze Ersteinschätzung sind kostenlos, wenn Sie gekündigt wurden oder einen Aufhebungsvertrag erhalten haben. Rufen Sie uns dann gerne an.
Für alle anderen Anliegen können Sie gerne eine kostenpflichtige Erstberatung in Anspruch nehmen.
24 Stunden, rund um die Uhr
Mo - Fr von 08:00 – 18:00 Uhr
Hamburg 040 35 70 49 50Mo - Fr von 08:00 – 18:00 Uhr
Auch interessant:
Personalgespräch
Da die Mitarbeiter eines Unternehmens ausschlaggebend für dessen Erfolg sind, können sie als diejenige Ressource betrachtet werden, in die es sich zu investieren lohnt. Kaum etwas ist wichtiger im Umgang mit seinen Mitarbeitern, als im regelmäßigen Abstand intensive Personalgespräche durchzuführen. Das Durchführen solcher Mitarbeitergespräche gehört zu den wichtigsten Werkzeugen der Personalführung.
Welche Ziele verfolgen Unternehmen mit Personalgesprächen?
Das Ziel ist es, im Kontakt mit den Mitarbeitern zu stehen, ein vertrauensvolles Verhältnis aufzubauen und nicht den Überblick zu verlieren über das, was im Unternehmen wirklich vor sich geht. Das Gespräch soll den Informationsaustausch zwischen der Führungsebene und jedem einzelnen Mitarbeiter gewährleisten und kann darüber hinaus dazu dienen, Konflikte zu lösen oder die Produktivität und Motivation der Arbeitnehmer zu steigern. WEITERLESEN

Personalgespräch/ Bild: Unsplash.com
Profis im Kündigungsschutz: Anwalt für Kündigungsschutz in Bergedorf – Anwalt für Kündigungsschutz in Eilbek – Anwalt für Kündigungsschutz in Dulsberg – Anwalt für Kündigungsschutz in Finkenwerder– Anwalt für Kündigungsschutz in Eppendorf– Lufthansa City Line– Arbeitsrrecht Pfw Aerospace – Kündigung fristgerecht
Sie haben weitere Fragen zu diesem Thema? Wir helfen Ihnen!
Gerne helfen wir Ihnen weiter. Die Schilderung Ihres Problems und eine kurze Ersteinschätzung sind kostenlos, wenn Sie gekündigt wurden oder einen Aufhebungsvertrag erhalten haben. Rufen Sie uns dann gerne an.
Für alle anderen Anliegen können Sie gerne eine kostenpflichtige Erstberatung in Anspruch nehmen.
24 Stunden, rund um die Uhr
Mo - Fr von 08:00 – 18:00 Uhr
Hamburg 040 35 70 49 50Mo - Fr von 08:00 – 18:00 Uhr
Sie benötigen weiteren rechtlichen Rat?
Nutzen Sie unsere Online-Anfrage für einen schnellen Check.
Die Schilderung Ihres Problems und eine kurze Ersteinschätzung sind kostenlos, wenn Sie gekündigt wurden oder einen Aufhebungsvertrag erhalten haben.
Für alle anderen Anliegen können Sie gerne eine kostenpflichtige Erstberatung in Anspruch nehmen.