Klageverzicht im Arbeitsrecht: Alles was Sie wissen müssen.

1. Klageverzicht

Kein Arbeitnehmer ist verpflichtet, die arbeitgeberseitige Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage anzugreifen. Möchte er gerichtlich gegen die Kündigung vorgehen, muss er innerhalb von drei Wochen nach deren Zugang die Kündigungsschutzklage einreichen. Versäumt er diese Frist, gilt die Kündigung als von Anfang an wirksam, unabhängig davon, wie viele Fehler sie aufweist und wie sozialwidrig sie auch sein mag.

Entscheidet der Arbeitnehmer für sich selbst, gegen die Kündigung nicht gerichtlich vorzugehen, muss er nur die dreiwöchige Klagefrist verstreichen lassen. Auch dies ist ein Klageverzicht, der sich im Stillen vollzieht.

In vielen Fällen erklärt der Arbeitnehmer jedoch ausdrücklich, auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage zu verzichten. Eine rechtliche Verpflichtung dazu gibt es jedoch nicht. Meist nützt ein Klageverzicht vor allem dem Arbeitgeber, so dass es schon aus diesem Grund ratsam ist, eine derartige Verzichtserklärung bzw. jedes Schreiben, von dem der Arbeitnehmer annimmt, dass es einen solchen Verzicht enthalten könnte, vorab von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht überprüfen zu lassen. Von Beginn an die rechtliche und finanzielle Position des Arbeitnehmers verbessern zu können, ist auf jeden Fall leichter als hinterher gegen den Klageverzicht gerichtlich vorgehen zu müssen und das Risiko einzugehen, den Prozess womöglich zu verlieren.

Ein Klageverzicht kann überwiegend in drei verschiedenen rechtlichen Situationen erklärt werden:

  1. Sonderprämie in Betriebsvereinbarung (Turboprämie)

Steht einem Betrieb eine Entlassungswelle bevor, handeln Arbeitgeber und Betriebsrat in der Regel einen Sozialplan mit Abfindungsregelungen aus. Da dies allein den Arbeitgeber jedoch nicht vor einer Flut von Kündigungsschutzverfahren bewahrt, finden sich häufig – auf Anregung des Arbeitgebers hin – in einer gesonderten Betriebsvereinbarung außerdem Klageverzichtsprämien. Es handelt sich um eine Sonderprämie, die – vorausgesetzt, sie dient tatsächlich der Planungssicherheit des kündigenden Arbeitgebers – auch Arbeitnehmern mit sicherer Anschlussbeschäftigung zusteht. Voraussetzung ist, dass mit den Klageverzichtsprämien nicht das Verbot umgangen wird, Sozialplanabfindungen von einem solchen  Verzicht abhängig zu machen. Ein Indiz dafür ist beispielsweise, dass der Sozialplan die wirtschaftliche Nachteile der gekündigten Arbeitnehmer nicht angemessen abmildert. Klageverzichtsprämien dürfen auch der Höhe nach keine verdeckten Abfindungen sein. Stets ist bei der Beurteilung der Frage, ob die Klageverzichtsprämie wirksam ist oder nicht, die Betrachtung des Einzelfalls erforderlich.

1.Klageverzicht - Sonderprämie in Betriebsvereinbarung

  1. Gesetzlicher Abfindungsanspruch bei Klageverzicht nach dem KSchG

Kündigt der Arbeitgeber aus dringenden betrieblichen Gründen und erhebt der Arbeitnehmer innerhalb der Drei-Wochen-Frist keine Kündigungsschutzklage, hat er gegen den Arbeitgeber einen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung nach § 1a KSchG. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber in der Kündigungserklärung darauf hinweist, dass er die Kündigung auf dringende betriebliche Gründe stützt und der Arbeitnehmer – wenn er keine Kündigungsschutzklage erhebt, die Abfindung, die 0,5 Monatsverdienste pro Beschäftigungsjahr beträgt, beanspruchen kann. Das Besondere ist, dass der Arbeitnehmer seinen Klageverzicht nicht erklären muss. Er muss nur die Frist verstreichen lassen, so dass der Arbeitgeber dann von der gesetzlichen Fiktion, dass die Kündigung als von Anfang an wirksam gilt, profitiert. Diese Art von Klageverzicht und der gesetzlichen Abfindungsanspruch, der seit 2004 in Kraft ist, spielen in der Praxis eher eine untergeordnete Rolle.

  1. Einzelvertraglicher Klageverzicht

Häufig erklärt sich der Arbeitnehmer im Rahmen einer arbeitgeberseitigen Kündigung bereit, auf eine Kündigungsschutzklage zu verzichten. Da diese Verzichtserklärungen hinsichtlich ihrer Umstände sowie der Art und Weise der abgegebenen Erklärung erheblich variieren können, ist zur Prüfung der Frage ihrer Wirksam- oder Unwirksamkeit stets im Einzelfall zu prüfen, ob es sich bei dem Verzicht um

einen Aufhebungsvertrag,

einen Vergleich,

einen Klageverzichtsvertrag

oder um eine Klagrücknahme im bereits laufenden Kündigungsschutzverfahren

handelt.

Da der Arbeitnehmer bei wirksamem Klageverzicht eine erhebliche Rechtsposition  aufgibt und dadurch vor allem wirtschaftliche und berufliche Nachteile erleiden kann, hält die Rechtsprechung ihn für besonders schutzwürdig. Im Einzelnen gilt Folgendes:

  • Ein bereits im Arbeitsvertrag vereinbarter Klageverzicht für jeden Fall einer eventuell zu einem späteren Zeitpunkt ausgesprochenen Kündigung ist unwirksam.
  • Steht die Klageverzichtsvereinbarung in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Kündigung und ist sie einzig zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses getroffen, handelt es sich um einen Auflösungsvertrag. Dieser bedarf der Schriftform, d.h. er muss von Arbeitnehmer und Arbeitgeber unterzeichnet werden.
  • Die Verzichtserklärung muss klar und eindeutig formuliert sein und für den Arbeitnehmer nicht als überraschende Klausel daherkommen. Derartige Überraschungen kommen häufig bei Ausgleichsquittungen vor, bei denen der Arbeitnehmer nicht nur den Erhalt der Kündigung bestätigen soll, sondern auch „nebenbei“ eine drucktechnisch nicht hervorgehobenen Klausel, nach der er auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet. Oft ist dabei die Überschrift der Ausgleichsquittung lediglich mit „Arbeitspapier“ bezeichnet und liefert so keinen Hinweis auf den darin enthalten Klageverzicht. Eine derartige Klausel ist für den Arbeitnehmer überraschend und daher unwirksam.
  • Der Klageverzicht darf den Arbeitnehmer entgegen Treu und Glauben nicht unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteilung liegt vor allem dann vor, wenn der Arbeitnehmer für den Verzicht keine oder eine zu geringe Gegenleistung oder er lediglich eine ihm gesetzliche ohnehin zustehende Leistung erhält. Soll z.B. der Arbeitnehmer für seinen Verzicht in einem Abwicklungsvertrag keine Abfindung oder sonstige Zahlung erhalten, sondern nur die Ausstellung eines guten Arbeitszeugnisses, so ist die Klageverzichtserklärung wegen unterbliebener Kompensation unwirksam. Das Zeugnis stellt aufgrund der ohnehin bestehenden rechtlichen Verpflichtung des Arbeitsgebers, ein solches zu erteilen, keine angemessene Gegenleistung dar. Angemessene Gegenleistungen sind vom Einzelfall abhängige Abfindungszahlungen, die Verlängerung der Kündigungsfrist, die Umwandlung einer fristlosen- in eine fristgemäße Kündigung, der Verzicht auf Schadensersatzansprüche oder der Verzicht auf eine Strafanzeige.

Rechtsfolgen

Ist der Klageverzicht wirksam vereinbart, ist eine dennoch vom Arbeitnehmer erhobene Kündigungsschutzklage unlässig, weil es am erforderlichen Rechtschutzinteresse fehlt. Die Klage wird abgewiesen.

Hält der Arbeitnehmer dagegen die von ihm abgegebene Klageverzichtserklärung für unwirksam und stellt auch das Gericht die Unwirksamkeit des Verzichtes im Rahmen einer Kündigungsschutzklage fest, wird es in einem zweiten Schritt prüfen, ob die Kündigung wirksam ist oder nicht. Ist sie wirksam, wird die Kündigungsschutzklage als unbegründet abgewiesen. Damit steht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die angegriffene Kündigung wirksam aufgelöst wurde. Ist die Kündigung dagegen begründet, stellt das Gericht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Das Arbeitsverhältnis besteht somit weiter und der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer für die Dauer des Verfahrens den Arbeitslohn nachzahlen.

1. Klageverzicht - Rechtsfolgen/ Bild: RA Pöppel

Klageverzicht – Rechtsfolgen/ Bild: RA Pöppel


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Leistungsbedingte Kündigung

Die Leistungsbedingte Kündigung ist ein schwieriges Pflaster. Immer wieder kommt es vor, dass Arbeitnehmer leistungsbedingt gekündigt werden. Entweder erbringen sie nicht die im Unternehmen übliche Leistung oder machen bei ihrer Arbeit überdurchschnittlich viele Fehler. Tatsächlich darf der Arbeitgeber in solchen Fällen eine leistungsbedingte Kündigung aussprechen – aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Der Arbeitnehmer hat sich schließlich laut seinem Arbeitsvertrag zu einer bestimmten Leistung verpflichtet.

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Der Gesetzgeber hat also vorgesorgt, damit nicht willkürlich leistungsbedingte Kündigungen ausgesprochen oder als Vorwand genutzt werden. Eine leistungsbedingte Kündigung ist danach unwirksam, wenn dem Arbeitnehmer beispielsweise derart hohe Ziele gesetzt wurden, die er gar nicht erreichen konnte… WEITERLESEN

 


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